Mülheim. Mutig haben zwei Mülheimerinnen während der Schlägerei am Mittwoch versucht, einen Jungen zu schützen. Sie rufen auf zu mehr Zivilcourage.

Was Ajsa Azemovic und ihre Freundin damals wohl geritten hat? Die beiden Frauen schauen sich heute selbst ein bisschen fragend an. Doch als sie am Mittwoch vor gut einer Woche bei der Massenschlägerei an der Haltestelle Stadtmitte beobachten, wie mehrere ältere Jugendliche an einem Jungen zerren, „haben wir einfach reagiert“. Aus Überzeugung. Ihre beherzte Zivilcourage hat den Jugendlichen womöglich vor Schlimmeren bewahrt.

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Junge Männer versuchten, einen Jungen in einen Hausflur zu zerren

Wie es zur Schlägerei unter Dutzenden Jugendlichen an jenem späten Mittwochnachmittag gekommen ist, können die beiden Mülheimerinnen (27 und 20 Jahre) nicht beantworten. Den Erkenntnissen der Polizei zufolge soll es aber einen Streit zwischen zwei jungen Frauen gegeben haben, der dann zwischen Jugendgruppen eskalierte.

Ajsa Azemovic und ihre Freundin, die ihren Namen nicht nennen möchte, geraten hingegen nach einem Spaziergang an der Ruhr in das Gerangel. Auf etwa 60 Jugendliche schätzen sie die Gruppe, teils mit, teils ohne Migrationshintergrund. Als sie vor dem Imbiss am Rathaus stehen, sehen sie einen Jungen umringt von etwa fünf älteren Jugendlichen und vielen Zuschauern. „Er war ganz rot im Gesicht, manche haben versucht, ihn in einen Hausflur zu zerren“, schildert Azemovic. Aus welchem Grund, um ihn zu schützen – das ist unklar. Als in dem Gerangel schließlich ein anderer Jugendlicher aus der Nase blutet, reagieren die Frauen instinktiv.

Tritte, ein Stoß – dann hört man schon Sirenen

„Ich habe meine Tochter meiner Tante in den Arm gedrückt, mit meinem Handy die Polizei angerufen und bin zur der Gruppe gerannt“, sagt Azemovic. Dann geht wohl alles chaotisch schnell: „Hey, was geht!“ oder so ähnlich schreit sie auf die jungen Männer ein. Dann versucht sie den Jungen abzuschirmen.

Sie bekommt einen Tritt ab, ihre Freundin will sie zurückziehen, sie erhält einen Stoß. Dann hören beide auch schon die Sirenen. „Polizei!“, ruft jemand, dann rennen die Jugendlichen in alle Richtungen, zur Schloßstraße, zur Ruhrpromenade. Der zurückgelassene Junge soll unter Schock gewesen sein und geweint haben. Doch das hätte auch böse laufen können für die zwei Frauen.

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„Wenn wir nur zugeguckt hätten, wird hätten uns das nie verziehen

„Aber lieber Schläge kassieren, als nichts getan zu haben“, erwidern beide. War keine Angst im Spiel? „Wir sind starke Frauen, wir haben ja mal Boxen gelernt“, meint die Freundin im halben Ernst. „Aber es kann jeder etwas tun – und wenn man nur die Polizei ruft.“

Dass die Menschen mehr Mut zur Zivilcourage haben sollen, das ist ihnen wichtig, und auch der Grund, warum sie ihre Geschichte erzählen wollen: „Wenn mir etwas passiert, dann hoffe ich auch, dass mir jemand hilft. Der Junge wird bestimmt noch lange an den Tag denken. Aber wenn wir nur zugeguckt hätten und ihm noch Schlimmeres passiert wäre, hätten wir uns das nie verziehen.“