Mülheim. Die Autostadt Mülheim ist im Wandel. Das zeigt der aktuelle ADFC-Fahrradklimatest. Warum viele Radler dennoch unzufrieden mit dem Erreichten sind.
Immer mehr Mülheimer haben das Fahrrad als Verkehrsmittel vor allem in der Corona-Pandemie neu entdeckt – das ist eine positive Nachricht aus der neuen Fahrradklima-Umfrage des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC). Doch das Fahren in der Autostadt an sich bewerten viele nahezu unverändert kritisch mit der Schulnote „Ausreichend“. Warum Mülheim dennoch im Ranking ähnlich großer Landesstädte auf Platz sechs aufgestiegen ist.
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Radeln in Mülheim: Zwischen Spaß und Stress
Klare Sache: In erstere Linie hat offenbar die Weiterführung des Radschnellwegs RS1 über die Ruhr vor gut zwei Jahren für positive Bewertungen gesorgt. Die Erreichbarkeit des Stadtzentrums (2,9), durch die der RS1 führt, das zügige Radeln (3,3), in Gegenrichtung geöffnete Einbahnstraßen (3,3) stehen in der Bewertung der 579 Mülheimer Teilnehmenden oben – wenn auch nur mit befriedigenden Noten.
Macht das Radeln in Mülheim Spaß? Eher so mittel, in Schulnoten 3,6, meinen die meisten. Gerade einmal jeder Fünfte strampelt mit Laune durch die Stadt. Geht gar nicht, denkt offenbar fast jeder zehnte, gestresste Radler.
Das Fahrrad in Mülheim: Bedeutung hoch, Akzeptanz aber niedrig
Der Wandel weg von der Autostadt ist augenscheinlich in vielen Köpfen angekommen. Doch während die Teilnehmenden die Bedeutung des Fahrrads in Mülheim höher als zuvor bewerten – auch Corona ließ die Zahl der Fahrradfahrer deutlich ansteigen –, schätzen viele jedoch seine Akzeptanz im Straßenverkehr und seinen Stellenwert weiterhin eher als ausreichend oder sogar mangelhaft ein. Gerade einmal ein Prozent sieht sich als Verkehrsteilnehmer voll akzeptiert, fast die Hälfte der Befragten geben die Note mangelhaft bis ungenügend. Die Akzeptanz fällt damit insgesamt etwas schlechter aus als beim Durchschnitt der vergleichbar großen NRW-Städte.
Mülheim muss also weiterhin in die Pedale treten, wenn es um die Gleichberechtigung im Stadtverkehr und die Qualität des Radverkehrs geht. Viele vermissen nachwievor breitere Radwege (Note: 4,7), sichere Abstellmöglichkeiten (4,3) und vor allem ein gutes Baustellenmanagement (5,1). Rund drei Viertel der Befragten bemängeln, dass sie an Baustellen keine Alternativen bekommen als abzusteigen und zu schieben. Seit 2012 hat sich diese negative Einschätzung weiter verschlechtert.
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Wo es klemmt: Falschparken und Grünphasen
Weiterer Knackpunkt in Sachen Gleichberechtigung bleibt die Falschparkerkontrolle auf Radwegen: Nur jeder Zehnte glaubt, dass die Stadt hier streng genug einschreitet. Und ebenso denken rund 85 Prozent, dass die Stadt ihre Ampeln deutlich besser am Radverkehr ausrichten müsste.
Verstellte und eher mangelhafte Radwege, wenig Platz auf der Straße sorgen mit dafür, dass das Sicherheitsgefühl von Radlern weiterhin auf schlechtem Niveau (4,5) bleibt. Und die Konflikte mit Fußgängern in den überwiegenden Fällen als häufig bewertet werden. Im Straßenverkehr geraten nach Angaben der Radler sogar mehr als 80 Prozent mit Autofahrern aneinander. Regelmäßig sind in den Fahrradklimatest diese Konflikte unverändert stark.
Kritik: Politik gibt zu wenig Signale für Fahrradfreundlichkeit
Mülheim bundesweit auf Platz 21
Corona hat einen Schub für das Radfahren gebracht. Nicht nur, weil mancher Kommunalpolitiker das Radeln für sich entdeckt hat.
Mehr als 50 Prozent geben im aktuellen Fahrradklimatest an, im vergangenen Jahr neue, mit dem Rad erreichbare Ziele in der näheren Umgebung entdeckt zu haben.
Der Fahrradklimatest des ADFC wird alle zwei Jahre erhoben. Im aktuellen Test landet Mülheim mit der Gesamtschulnote 4,1 bundesweit auf Platz 21 von 41 Orten mit der Größe 100.000 bis 200.000 Einwohnern. 2018 lag Mülheim auf Platz 29 (4,2).
Im Land schneidet die Ruhrstadt in ihrer Kategorie besser ab als alle vergleichbaren Ruhrgebietsstädte und landet auf Platz 6 von 15 (2018: 14).
Mülheim müsste also deutlich mehr dafür tun, die Verkehrswege von Auto, Radlern und Fußgängern zu trennen, um hier zu entschärfen. Im derzeit verplanten Straßenraum ginge das aber nur auf Kosten des Autos.
Doch gibt es jüngst Signale aus Verwaltung oder Politik, dass sich hier mehr entwickeln wird? Eine Reihe von Maßnahmen – etwa die Fahrradstraße an der Dohne – ist 2020 auf den Weg gebracht worden. Die Radfahrer-Community jedoch scheint skeptisch zu sein. Rund 56 Prozent sehen im vergangenen Jahr nur ungenügende Signale für mehr Fahrradfreundlichkeit.