Mülheim. Die Zahl der Menschen, die den RS1 in Mülheim nutzt, steigt stark. Der Anschluss des Radschnellwegs RS1 an Duisburg steht jedoch in den Sternen.
Das Fahrrad ist in Mülheim gewaltig auf dem Vormarsch. In Zeiten von Corona sind nicht nur gefühlt immer mehr Menschen auf zwei Rädern unterwegs, es lässt sich auch mit Zahlen untermauern. Bis zu 6769 mal am Tag schlug die Zählstelle Löhstraße am Radschnellweg RS1 im April an. Ein gutes Viertel mehr als 2019 (4991) überhaupt gemessen wurde. Der RS1 scheint Erfolg und Fahrradmotor zugleich zu sein.
Der wachsende Fahrradverkehr zeigt sich auch in Vergleichen über mehrere Monate: 262.336 Fahrräder kreuzten die Zählstelle von Mai bis August 2020. Im selben Zeitraum 2019 waren es gut 50.000 weniger.
ADFC spricht von „Erfolgsfaktor RS 1“
Vom „Erfolgsfaktor RS 1“ spricht daher schon der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club ADFC in Mülheim. Und erinnert an die Prognosen der Machbarkeitsstudie des RVR, mit dem „die Autobahn“ für das Fahrrad von Duisburg bis Hamm begann. Sie prognostizierte 2016 zwischen Mülheim Hbf und Broich etwa 2.000 bis 3.000 Fahrradbewegungen sobald der RS1 vollständig fertig gestellt sei.
Stadt stellt Planung heute in der Bezirksvertretung 3 vor
Der Fortschritt des Radschnellwegs ist auch Thema in der Bezirksvertretung 3 am Freitag, 13.8., ab 15 Uhr im Rathaus, Sitzungsraum C.112.
Auf Antrag der SPD stellt die Stadt unter TOP 34 die Planung für den „neuen Bauabschnitt RS1 ab Hochschule Ruhr West Richtung Speldorf/Duisburg“ vor.
„Der aktuelle Jahresdurchschnitt von täglich 1.913 Radfahrenden reicht also fast an den unteren Wert der Prognose heran“, bestätigt der Mülheimer Fahrradbeauftragte Helmut Voss – und dass, obwohl der RS1 in Richtung Westen nach 1,6 km und hinter der Hochschule Ruhr-West schon wieder im Niemandsland versandet.
Von einer Fertigstellung ist der RS1 noch Meilen entfernt
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Hier aber zeigen sich die Hürden des Erfolgprojekts: Von einer Fertigstellung ist der RS1 noch Meilen entfernt. Derzeit steht nicht einmal fest, wann die letzten Kilometer für einen Anschluss nach Duisburg gebaut werden können. Geschweige denn, wann Duisburg endlich in die Pedale für ihren 6,1 Kilometer langen Streckenverlauf steigt. Jahrelang galt hier Stillstand.
Dabei ging die Machbarkeitsstudie des RVR noch sehr euphorisch davon aus, dass 2018 die Strecke Mülheim bis Duisburg fertig sei. 2019 sollten sogar die kompletten gut 100 Kilometer von West nach Ost fertig sein. Da war in der Ruhrstadt real gerade einmal der Sprung über den Fluss geschafft.
Projekt erweist sich vielerorts als Zankapfel
Das Erfolgsprojekt RS1, das viele zehntausende Autopendler einsparen sollte und auch könnte, erweist sich beim Ausbau vielerorts als Zankapfel, wenn er nicht durch Behörden, Deutsche Bahn und Paragraphen die Bremse gezogen bekommt. Ob die Planer des Regionalverbands sich damals beim Faktor „Amtsschimmel“ gehörig verschätzt haben, will man bei Straßen NRW nicht kommentieren.
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Doch offenbar muss auch der Landesbetrieb, der den Radwegeausbau vom Regionalverband 2016 erbte und zuvor nur für den Autobahn- und Landesstraßenausbau zuständig war, seine Planungsressourcen abwägen. Kommt der Radweg dabei zu kurz?
Mülheimer Teil nach hinten gerutscht
Sebastian Artmann, Projektleiter bei Straßen NRW für den RS1, will so weit nicht gehen. Es gibt allerdings keine eigene Abteilung für Radwege, räumt er ein, „wir müssen deshalb priorisieren“. So ist eben auch der weitere Mülheimer Teil nach hinten gerutscht. Aktuell geht man von einem Baubeginn frühestens Ende 2021 aus – und hinkt damit wenigstens drei Jahre hinter der Studie her.
Und das auch nur günstigstenfalls: Im Wege kann die UVP, die Umweltverträglichkeitsprüfung, für den Abschnitt entlang der Bahntrasse stehen, die zwischen Hochschule und Duisburg-Neudorf / Koloniestraße verläuft. Wäre die UVP notwendig, müsste Straßen NRW zuvor ein Jahr lang sämtliche Vegetationsperioden eines Jahres beobachten und bewerten.
Keine Erfolgsgeschichte in Sachen Bürokratie
Artmann aber hofft auf ein „kleines Verfahren“. Zu klären ist dennoch die Rechtslage mit der Bahn, auf deren Grundstück der Radweg gebaut würde. Wird der Grundstücksteil an das Land verkauft, wie es Straßen NRW anstrebt, muss weiterer Privatbesitz angekauft werden? Am Ende stehen ebenso Verhandlungen mit der Bahn über Abstände zum Gleis und Zugangsrechte sowie die Vorbereitungen für den weiteren Bau des RS1: „Man kann nicht einfach einen Radweg auf die Schiene bauen“, gibt Artmann zu bedenken. Derweil wächst die Zahl der Pedalisten in der Stadt und hoffentlich noch weiter. Der RS1 – eine Erfolgsgeschichte, wenn auch nicht in Sachen Bürokratie.