Mülheim. Unheilbar an Krebs erkrankt, den Beruf verloren, zwei Töchter in Ausbildung. Wie eine Mülheimerin das alles bewältigt und trotzdem positiv denkt.
Für viele Menschen war der Beginn der Corona-Pandemie vor einem Jahr ein heftiger Einschnitt. Weil ansonsten bei ihnen alles glatt lief. Frau S. zählt nicht dazu. Die Mülheimern lebt schon seit 2013 im Ausnahmezustand. Damals bekam sie die Diagnose: Brustkrebs.
Seitdem ist in ihrem Leben vieles passiert, Furchtbares, aber auch Schönes. Frau S. möchte gerne darüber reden, sie möchte nur nicht ihren Namen veröffentlichen. Vor allem wegen ihrer beiden Töchter. Es darf aber gerne bekannt werden, von wem sie und ihre Familie unterstützt wird, unter anderem von der Mülheimer Krebsberatung. „Ich habe schwierige Zeiten hinter mir“, sagt Frau S., „da wird man sehr stark. Ich denke positiv.“ Mit Ansprechpartnern, die im Notfall weiterwissen, wird es etwas einfacher.
Mülheimerin hatte eigenen Friseursalon - bevor die Scheidung und die Krebsdiagnose kamen
Bevor sie krank wurde, führte die 48-Jährige einen eigenen Friseursalon. Dann ereilte sie nicht nur die Krebsdiagnose, sondern sie musste auch die Scheidung von ihrem langjährigen Ehemann bewältigen. „Das war alles zu viel.“ Sie schloss das Geschäft. Die beiden Töchter blieben bei ihr.
Auch interessant
Mittlerweile ist an Berufstätigkeit nicht mehr zu denken. Denn nachdem der Brustkrebs anscheinend erfolgreich behandelt werden konnte, sie sich erholte, musste Frau S. sechs Jahre später erfahren, dass sich in ihrer Wirbelsäule Knochenmetastasen gebildet hatten. 2018 war das. Mittlerweile bezieht sie eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Niemand weiß, wie viel Zeit ihr noch bleibt. Ihre behandelnde Ärztin am Essener Uniklinikum will nicht Schwarz malen: „Sie sagt, man kann damit alt werden, aber man weiß es nicht. Jede Krebsart ist anders.“ Leider kann es auch heimtückisch schnell schlimmer werden.
Hoffentlich erlebt sie noch, dass die Töchter auf eigenen Füßen stehen
Ihre beiden Mädchen sind 14 und 22 Jahre alt, die Jüngere geht zur Schule, die Große studiert. Beide kommen gut zurecht, wohnen noch daheim. Die Mutter sagt: „Ich hoffe, dass ich noch ein paar Jahre habe, bis sie ihre Ausbildung hinter sich haben, auf eigenen Füßen stehen.“ Wenn nicht? Dann sollen sie zusammen in ihrem Zuhause bleiben, „egal, was passiert“. Dann muss Unterstützung organisiert werden.
Auch interessant
Frau S. sagt über ihre Töchter, die eine Teenager, die andere eine junge Frau: „Es sind glückliche Kinder. Obwohl sie so viel erlebt haben. Das hat ihnen auch etwas Positives gegeben.“ Sie hat ihnen auch nie etwas vorgespielt, in Bezug auf ihre Krankheit, hat immer ehrlich mit ihnen gesprochen.
Krebsberatung hilft beim „Papierkram“ und bietet menschlichen Rückhalt
Genau das empfiehlt die Mülheimer Krebsberatung, die in einem speziellen Projekt auch Angehörige und besonders Kinder von Erkrankten betreut. Frau S. hat sich dort Hilfe in finanziellen Fragen geholt, „beim Papierkram“, wie sie sagt, etwa in Rentenangelegenheiten. Die Beraterinnen, Psychologin Kathrin Bochmann und Sozialpädagogin Annette Friedrich, sprechen mit großem Respekt von der 48-jährigen Mutter und ihrer Art, die im Grunde grausame Situation zu meistern.
Frau S. ihrerseits nimmt zwar keine therapeutische Hilfe in Anspruch, steht aber regelmäßig in Kontakt insbesondere mit Annette Friedrich, und schätzt diese Gespräche: „Einfach mal mit ihr zu sprechen, tut gut.“ Auch das Wohlergehen der Töchter haben die Beraterinnen im Blick.
Im ersten Jahr 217 Beratungen für 43 Menschen in Mülheim
Die Krebsberatung der Parisozial (Paritätischer Wohlfahrtsverband), ursprünglich in Essen ansässig, arbeitet seit Dezember 2019 auch im Mülheimer Gesundheitsamt, weil schon vorher etwa ein Zehntel der Ratsuchenden aus Mülheim kam. Hier in der Stadt wird die Stelle tatsächlich gebraucht, das hat sich 2020 deutlich gezeigt: Nach Auskunft von Annette Friedrich gab es insgesamt 217 Beratungen in Mülheim für 43 Personen. „Eine enorme Nachfrage für das erste Jahr.“
Spenden für die Krebsberatung
Um nicht nur einzelne Erkrankte zu unterstützen, sondern deren Familien, gibt es bei der Krebsberatung ein spezielles Projekt: die integrative psychoonkologische Beratung (IPB).
Damit dieses Angebot weiterlaufen kann, wurden im Rahmen der WAZ-Aktion Jolanthe Spenden gesammelt.
Bislang sind rund 1660 Euro eingegangen, die Sparkasse Mülheim steuert weitere 2000 Euro bei.
Wer ebenfalls helfen möchte: Spendenkonto bei der Sparkasse Mülheim, DE05 3625 0000 0175 0342 77, Stichwort: Jolanthe.
Eine Mischfinanzierung macht diese Arbeit möglich: Förderung über den Spitzenverband der Krankenkassen, durch die Tholl-Brandt-Stiftung, den Paritätischen und private Spenden.
Auch Frau S. und ihre Familie werden noch Hilfe brauchen. Denn obwohl die 48-Jährige ihren Lebensmut nicht verloren hat, es ist und bleibt ein Leidensweg. Sie kann spazieren gehen, aber nicht mehr lange stehen. Eine Haushaltshilfe nimmt ihr einiges ab, auf ihre drei Geschwister kann sie sich verlassen, die Töchter fassen mit an. Im vergangenen Jahr war Frau S. wieder längere Zeit im Essener Uniklinikum, die Mädchen kamen gut klar, das beruhigt sie sehr.
Leider seien die Knochenschmerzen in letzter Zeit schlimmer geworden, die Sorgen größer. Muss sie wieder ins Krankenhaus? Frau S. will positiv denken, das Beste hoffen: „Es hilft nichts, den Kopf in den Sand zu stecken.“ Sie will kämpfen, für sich und ihre Familie.
Öffnungszeiten der Krebsberatung im Mülheimer Gesundheitsamt, Heinrich-Melzer-Straße 3, sind ab jetzt: dienstags und donnerstags von 10 bis 15 Uhr sowie jeden ersten und dritten Mittwoch im Monat von 10 bis 13 Uhr. Anmeldung ist auf jeden Fall erforderlich unter 0208/455-5396 und per Mail an: krebsberatung-muelheim-ruhr@paritaet-nrw.org.