Mülheim. Die Mülheimer Krebsberatung will künftig verstärkt Kinder und Jugendliche in den von einer Krebserkrankung betroffenen Familien unterstützen.
Die Diagnose Krebs reißt nicht nur Erkrankten den Boden unter den Füßen weg. Betroffen sind auch Ehepartner, Eltern und die Kinder der Familie. Die Krebsberatung Mülheim, die seit Dezember ihr Angebot in der Stadt kostenlos anbietet, will künftig vor allem Kinder und Jugendliche in den Familien unterstützen.
In Essen gibt es die Krebsberatung für Familien unter dem Dach des Paritätischen seit vielen Jahren, seit Dezember 2019 können die drei Beraterinnen dies auch im Mülheimer Gesundheitsamt anbieten. Bisher an einem Tag in der Woche, nach Anmeldung. Das werde auch gut angenommen, vor allem von den älteren Patienten, sagt Kathrin Bochmann, die als Psychologin in der Krebsberatung arbeitet. Familien halten sich jedoch noch zurück. Das soll sich künftig ändern, wenn die Mülheimer Krebsberatung sich mit den vorhandenen Strukturen, vor allem mit den Beratungsstellen für Familien in der Stadt, besser vernetzt hat. „Wir wollen gern die Kinder aus den betroffenen Familien mit ins Boot holen,“ sagt Kathrin Bochmann. Ihre Erfahrung: Wenn die Eltern erkrankt sind, kümmert sich meistens niemand um die Kinder.
Wenn Eltern erkrankt sind, kümmert sich kaum jemand um die Kinder
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In einer solchen belastenden Situation wollen Eltern ihre Kinder gern schützen vor den schlechten Nachrichten, wollen die Kinder nicht erschüttern in ihrem Vertrauen, dass den Eltern nichts geschehen könne. „Eltern haben oft große Angst, offen vor den Kindern zu sprechen.“ Dafür hat die Psychologin Kathrin Bochmann großes Verständnis. Man will ja als Familie weiterhin funktionieren. „Aber die Kinder merken ja doch, dass etwas passiert ist.“ Und im schlimmsten Fall beziehen sie es auf sich, geben sich selbst die Schuld – „Mama ist traurig, und es liegt an mir.“
Wichtige Sozialkontakte außerhalb der Kernfamilie fehlen in Corona-Zeiten
Man sollte das Thema transparent machen, empfiehlt Kathrin Bochmann. Wie, müsse man genau überlegen, das komme auf das Alter des Kindes, seine Sensibilität an. „Das ist ein großes Thema, das ich offen mit den Eltern bespreche“, sagt Kathrin Bochmann. Zu überlegen sei, welche Vertrauenspersonen es für Kinder außerhalb der Kernfamilie geben könnte. Aber gerade in der Corona-Krise fehlten für betroffene Kinder und Jugendliche wichtige Sozialkontakte außerhalb der Kernfamilie, die zur Bewältigung der schwierigen Situation beitragen könnten. „Wir sind“, betont Bochmann, „für die Kinder da.“ Die Beraterinnen sprechen auch mit den Kindern und Jugendlichen allein über ihre Ängste und Sorgen.
Finanzierung durch Spenden
Aktuell ist die Krebsberatungsstelle nur telefonisch zu erreichen, donnerstags von 10 bis 15 Uhr unter 0208 455 5396. Beratung nach telefonischer Voranmeldung. E-Mail: krebsberatung-muelheim-ruhr@paritaet-nrw.org
Die Arbeit der Krebsberatung in Mülheim für Betroffene und Angehörige wird durch die Gert und Susanne Mayer-Stiftung gefördert. Die Beratung finanziert sich durch Spenden. Das Angebot kann ausgeweitet werden, wenn mehr Spendengelder zur Verfügung stehen. www.krebsberatung-muelheim.de
Als Fernziel möchte die Krebsberatung Mülheim kleine Gruppen mit Kindern in einer ähnlichen Situation bilden, um Zusammenhalt und gegenseitiges Verständnis zu fördern. Eine Familiengruppe gibt es bereits, allerdings in Essen.
Auch zu Lehrern und Erziehern suchen die Beraterinnen Kontakt. Diese können sich gern melden, wenn sie ein Kind mit einem erkrankten Elternteil kennen, das ihnen Sorgen macht.
Kinder in der Rolle des pflegenden Angehörigen
Denn Psychologin Bochmann weiß, dass sich „etwas dreht“ in der Eltern-Kind-Beziehung, wenn etwa die Mutter schwer erkrankt ist, wenn Kinder und Jugendliche plötzlich die Rolle eines pflegenden Angehörigen übernehmen. Man könne nun nicht verhindern, dass die Kinder Verantwortung übernehmen. „Man muss aber aufpassen, was das mit dem Kind macht. Es muss ein Ausgleich da sein.“
Die Krebsberatung Mülheim möchte Erkrankten und ihren Angehörigen „Hilfe aus einer Hand“ anbieten, damit Betroffene nicht zu viele Wege haben. Dazu gehört etwa auch die Unterstützung bei der Beantragung von Mitteln bei finanziellen Engpässen, verweist Bochmann auf ihre Kollegin, die sich mit Sozialrecht auskennt. Vor allem allein erziehende Erkrankte könne das schnell betreffen.