Mülheim. Ein Turmfalken-Pärchen brütet im Glockenturm der Mülheimer Petrikirche live vor der Kamera. Im Netz können Vogelfreunde ihnen dabei zuschauen.

Zugegeben, mit der Privatsphäre ist es vorüber. Ganz Mülheim kann nun zusehen, wie das Turmfalken-Pärchen seinen Nachwuchs zeugt – im Live-Stream. Hendrik Peek, Wirt der Mausefalle, und Harry Helming-Arnold, Küster der Petrikirche, haben sich angeschlichen und zwei Webcams im Nest versteckt. So können Vogel-Schauer den Tieren rund um die Uhr beim Brüten und der Aufzucht der Jungen zuschauen.

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Wer in diesen Tagen um den Petrikirchenturm in der Altstadt spaziert, sollte den Blick nach oben wagen. Dort unter der Turmspitze, rechts neben der Uhr, blickt einer der Falken aus einem Loch heraus und checkt die Lage. „Bereits im Jahr 2009 habe ich einen Stein entfernt, den jemand vor das Einflugloch gelegt hatte“, erinnert sich Küster Harry Helming-Arnold. Doch es dauerte noch drei Jahre, bis die Falken den Brutkasten neben der Turmuhr wiederentdeckten.

Jungvögel können nun nicht mehr in den Glockenstuhl gelangen

Weitere drei Jahre vergingen, bis sie tatsächlich dort brüteten und drei Jungen großzogen. Selbst als 2016 Bagger und Kräne am Bau des benachbarten Petrikirchenhauses anrückten, zogen die Falken wieder in den Turm ein – und ihren Nachwuchs auf. „Schon damals hatte ich die Idee, dort eine Webcam anzubringen“, sagt Harry Helming-Arnold. Denn auch in den Jahren darauf legen die Falken wieder Eier ins Turm-Nest, jedoch schaffen es die Jungvögel nicht immer. Erst 2020 räuberte eine Krähe das Turm-Nest und zerstörte das Gelege.

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Pfarrer Justus Cohen, Gastronom Hendrik Peek und Harry Helming-Arnold mit den Bildern der Turmfalken, die in Höhe des Uhrwerks einen Platz zum Nisten gefunden haben. Die Gemeinde hat dort an der Außenseite und im Innern jeweils eine Webcam angebracht und überträgt das Leben der Tiere ins Internet.
Pfarrer Justus Cohen, Gastronom Hendrik Peek und Harry Helming-Arnold mit den Bildern der Turmfalken, die in Höhe des Uhrwerks einen Platz zum Nisten gefunden haben. Die Gemeinde hat dort an der Außenseite und im Innern jeweils eine Webcam angebracht und überträgt das Leben der Tiere ins Internet. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

In diesem Jahr bekam der Küster der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde Unterstützung für die Umsetzung seiner Idee: von Fachleuten des Nabu und Gastronom Hendrik Peek. Der Wirt der Mausefalle, ohnehin gerade in der coronabedingten Zwangspause, kletterte mit dem Küster in den Turm. Er baute einen neuen Kasten, aus dem die Jungvögel nicht mehr in den Glockenstuhl gelangen können und dessen Einflugloch zu eng für Krähen ist. „Wir haben Netzwerkkabel durch den Turm gezogen, die Kameras und die Software installiert und eine Beleuchtung angebracht, die die Tiere gut annehmen“, berichtet der Gastronom. Und die Kamera selbst? „In die haben sie einmal hineingeschaut und danach nie wieder beachtet“, lacht Peek.

Turmfalken-TV liefert actionreiche Momente

Auf der Internetseite mausefallemuelheim.ruhr können sich Zuschauer nun live ins „Falkenauge“ klicken. Das Turmfalken-TV liefert durchaus actionreiche Momente, die Hendrik Peek zusammengeschnitten hat. Etwa wie der Falkenmann mit einer Krähe kämpft, um den Brutplatz zu verteidigen, oder das Paar nach erfolgreicher Jagd beim Dinner gemeinsam ihre Beute, Mäuse und Meisen, zerfetzt.

Wie sollen die Falken heißen?

Bislang sind die beiden Turmfalken noch namenlos. Das soll sich ändern: „Wer Vorschläge hat, kann uns diese schicken und wir wählen die besten Namen aus“, sagt Pfarrer Justus Cohen, der schon eine Idee hat: „Peter und Paula wäre vielleicht passend.“ Vorschläge gehen per E-Mail an: vek@kirche-muelheim.de.

Auf der Homepage des Restaurants Mausefalle können Interessierte auch nachlesen, seit wann Turmfalken in der Petrikirche brüten und wie der Bruterfolg der vergangenen Jahre war. Die drei Webcams der Turmfalken können zudem über die Plattform Twitch aufgerufen werden: https://m.twitch.tv/petrifalke_vek

Natürlich ist nicht immer so viel los im Nest. Im Moment befinden sich die Eltern aber noch in der Paarungsphase. „Die müssen nun erst einmal in Schwung kommen und paaren sich nun öfter“, wissen die Vogelexperten Thomas Brüseke und Reinhard Plath vom Mülheimer Nabu. Sollte es bald mit der Befruchtung klappen, können Mülheimer in etwa vier Wochen beobachten, wie zwei, drei oder sogar vier Baby-Turmfalken aus ihren Eiern schlüpfen.

Pfarrer: „Spannend, die Natur mitten im Stadtraum zu erleben“

Bitte lächeln: Das Falken-Männchen inspiziert die Kamera im Turm-Nest.  
Bitte lächeln: Das Falken-Männchen inspiziert die Kamera im Turm-Nest.   © Foto: VEK, Andreas Köhring

„Es ist unglaublich spannend, die Natur mitten im Stadtraum zu erleben“, findet Justus Cohen, Pfarrer der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde. „Wir haben im März 2020 angefangen mit dem Live-Stream der Gottesdienste und freuen uns, mit den Turmfalken ein weiteres Angebot machen zu können.“

Auch Thomas Brüseke und Reinhard Plath sind begeistert: „Es ist interessant, zu dokumentieren, wie sich die Tiere verhalten“, finden die beiden. Vor allem für Mülheimer Kinder dürfte das Projekt spannend sein, weil sie live verfolgen können wie Falken direkt vor ihrer Haustür brüten, sagen die Vogelfreunde.

Spätestens im Herbst verlassen die Turmfalken das Nest

In Mülheim sind Thomas Brüseke noch sechs weitere Turmfalken-Paare bekannt, „etwa im Fulerumer Wasserturm oder der Heißener Gnadenkirche.“ Auch andere Greifvögel wie Wander- und Baumfalken, Sperber oder Habichte seien in der Stadt zu Hause.

Wenn die Jungvögel geschlüpft sind, dauere es „etliche Wochen, bis sie groß genug sind und die Eltern sie aus dem Nest drängen“. Spätestens im Herbst wird das Paar sein Zuhause im Turm dann verlassen. Ein Wiedersehen ist aber nicht ausgeschlossen: „Dasselbe Elternpaar könnte durchaus wieder dort brüten“, ist Brüseke überzeugt.

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