Mülheim. Rockstar, Filmemacher, Stadtoberhaupt: Andy Brings traut sich alles zu. Zur Sonntagspredigt erklomm er die Kanzel der Mülheimer Petrikirche.

Seine Kandidatur als Oberbürgermeister hat Andy Brings zwar keinen Berufswechsel beschert, er tummelt sich weiter im Musikgeschäft, doch einen Popularitätsschub. Zumindest in Mülheim, seiner Heimatstadt, ist der 49-Jährige seitdem allgegenwärtig, sorgt selber unermüdlich dafür, dass der „OB der Herzen“ nicht in der Versenkung verschwindet.

Reihe „Mülheimer auf die Kanzel“ läuft schon seit 2007

In die Petrikirche hat ihn allerdings die Geistlichkeit geladen - nicht Gott persönlich, sondern die Vereinte Evangelische Kirchengemeinde (VEK), die seit 2007 das Format „Mülheimer auf die Kanzel“ organisiert. Pfarrer Justus Cohen warb den schillernden Gast an. Brings steht jetzt in einer Reihe mit etablierten Größen der Stadtgesellschaft, die frühere Kanzelreden gehalten haben. Der Künstler ist indes der erste, der vor einem leeren Kirchenschiff sprechen musste. Der Gottesdienst, der seine Predigt umrahmte, wurde aus bekannten Gründen im Livestream übertragen.

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Tatsächlich scheint Andy Brings mehrfach für diese Aufgabe qualifiziert: als zahlendes Mitglied der evangelischen Kirche, als zugewandter, schlagfertiger Typ, als wandelbarer Darsteller, als Mensch mit Entwicklungspotenzial und -willen. Offen spricht er in Interviews über seinen Burnout, die restlose Erschöpfung, die ihn Ende 2019 niederrang und zu einer Pause zwang.

Andy Brings predigt über seinen persönlichen „Erweckungsmoment“

Sie ist auch Thema der Sonntagspredigt, die Andy Brings im dunkelgrau-schimmernden Anzug mit schwarzem Schlips absolviert, und in der er den Bogen spannt von der christlichen Nächstenliebe zur Selbstliebe: die eine ohne die andere nicht möglich, aber ein schweres Stück Arbeit. Brings erzählt von seinem „toxischen Ehrgeiz“, seinem „Leben am Limit“ und vom persönlichen „Erweckungsmoment“. Auch heute erlebe er noch dunkle Stunden, doch er habe gelernt: „Schmerzen sind und bleiben Teil meines Weges, sie gehen vorbei, ohne dass ich mich ablenken muss.“

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Die Möglichkeiten der Ablenkung sind in Zeiten der Pandemie ohnehin minimal - „wir sind gezwungen, alte Muster aufzubrechen“, predigt Andy Brings, „und das ist gut so“. Neue Wege beschreiten will er im Zwischenmenschlichen, im Netz, wo keiner mehr übel gemobbt werden soll, und in der Politik, in die er zu Wahlkampfzeiten hineinschnuppern durfte. Überall soll der Geist der Liebe wehen - abgestuft: „Wir dürfen nicht mehr nach unten treten. Nach oben treten bleibt erlaubt. Aber auch hier macht der Ton die Musik.“

Rund 240 Leute haben den Livestream des Gottesdienstes verfolgt, im Laufe des Sonntags zählte das Youtube-Video dann ein Vielfaches an Aufrufen. „Glaube, was du willst“, gibt Andy Brings der Internet-Gemeinde mit, „aber liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Fürwahr eine Lebensaufgabe.