Mülheim. Die Mülheimer Lager für Altkleider platzen aus den Nähten. Die Qualität der Kleidung lässt in der Corona-Krise nach: Viele spenden Lumpen.

Die Corona-Krise hat sich wohl auf so ziemlich alle Bereiche in unserer Gesellschaft ausgewirkt. In manchen hat sie sich mehr, in manchen weniger bemerkbar gemacht. Für den Altkleidermarkt war Corona eine Art Todesstoß, er ist in sich zusammengebrochen. Doch schon vorher stand es um die Entwicklung der Branche nicht gut.

Der so genannte „Primark-Kik-Effekt“ hat dazu geführt, dass die Qualität der gesammelten Kleidung immer schlechter wurde. Obwohl sich die Bevölkerungsstruktur in Mülheim eigentlich eher positiv ausgewirkt hatte, in den Containern landete überdurchschnittlich gute Qualität.

Mülheimer Diakoniewerk: Der Müllanteil wird immer größer

„Heute bekommen Sie aber ein T-Shirt schon für zwei Euro, dementsprechend ist auch die Lebensdauer der Kleidung seit Jahren immer geringer geworden“, bedauert Ulrich Schreyer, Geschäftsführer des Mülheimer Diakoniewerks Arbeit und Kultur, die Entwicklung, dass Mode immer mehr zur Wegwerfware geworden ist. In den Containern lande immer weniger Second-Hand-Ware. „Der Müllanteil hingegen, also kaputte und verschmutzte Kleidung, wird immer größer.“

In Mülheim sammelt das Diakoniewerk an insgesamt 151 Containerstandorten alte Kleidung, um diese zu recyceln beziehungsweise als Second-Hand-Ware weiter zu veräußern. Durch Corona habe die Qualität der Altkleider noch mehr nachgelassen. Viele Menschen hätten die Zeit, die sie durch Einschränkungen und Lockdowns zwangsläufig mehr zu Hause verbracht haben, dafür genutzt, auszumisten. Zeitgleich seien jedoch weltweit Grenzen geschlossen worden und die Lieferketten damit weggebrochen. Das habe dazu geführt, dass die Lager für Altkleider aus allen Nähten platzen.

Mülheimer Altkleidercontainer sollen nicht abgebaut werden

Einen Teil der Container abzubauen oder zu versiegeln – wie es in anderen Städten aufgrund der überfüllten Lager schon praktiziert wird – kommt für Schreyer und seine Mitarbeiter aber nicht in Frage. „Wir fühlen uns den Menschen gegenüber auch verpflichtet, dieses Angebot aufrecht zu erhalten.“ Ein Geschäft macht das Diakoniewerk mit den Sammelstellen für alte Kleidung schon lange nicht mehr. Im Gegenteil: Gab es in Hochzeiten noch 250 Euro pro Tonne Altkleidung, zahlt das Diakoniewerk heute drauf.

Und immerhin sammelt das Diakoniewerk jährlich rund 1100 Tonnen an ausgedienter Kleidung. Jetzt im Corona-Jahr dürfte es wohl noch eine Schippe mehr sein. Um die Lager zu entlasten und sicherzustellen, dass Second-Hand-Ware direkt an die Kleiderkammer weitergegeben werden kann, können Mülheimer ihre aussortierten Kleidungsstücke auch nach telefonischer Rücksprache unter der Rufnummer 0208/4595313 persönlich bei der Zentrale des Diakoniewerks an der Georgstraße 28 in der Innenstadt abgeben.

Gegenbewegung zum "Primark-Kik-Effekt": Mehr Nachhaltigkeit

Dass dem so genannten „Primark-Kik-Effekt“ neuerdings eine neue Bewegung gegenübersteht, lässt ein wenig Hoffnung aufkommen. „Viele junge Menschen setzen mittlerweile mehr auf Nachhaltigkeit, ernähren sich vegetarisch oder vegan und verurteilen auch diesen extremen Konsum in Sachen Kleidung“, sagt Schreyer. „In Berlin ist schon länger zu beobachten, dass der Second-Hand-Markt wieder in Schwung kommt, und wir hoffen natürlich, dass das auch zu uns herüber schwappt.“

Neben den Sammelstellen des Diakoniewerks gibt es noch wenige Altkleidercontainer des Deutschen Roten Kreuz (DRK). Alte Kleidung kann auch direkt bei der Kleiderkammer im DRK-Hilfeleistungszentrum, Aktienstraße 28, abgegeben werden.

>>> Info: Alttextilien landen oft in der Müllverbrennung

  • Angesichts der immer geringer werdenden Second-Hand-Quoten wandert letztlich der Löwenanteil des Alttextilien-Aufkommens in Verwertungsanlagen.
  • Das bedeutet, dass ein Großteil der Textilien zu Putzlappen oder Füllmaterial verarbeitet wird, aber auch in der Müllverbrennung landet.