Mülheim. Trotz mehrfacher Nachfrage veröffentlicht die Stadt Mülheim keine Corona-Daten nach Stadtteilen aufgeschlüsselt. Das ist ihre Argumentation.

Seitdem am 11. März die ersten vier Corona-Fälle in Mülheim bekannt wurden, sind Daten und Analysen der Infektionszahlen ein wichtiger Bestandteil unserer Berichterstattung. Während die Fallzahlen im Frühjahr noch gering waren und selten die 50 überschritten, sind seit Oktober durchgehend mehrere hundert Mülheimer an Covid-19 erkrankt. Seit Beginn der Pandemie – zum ersten Mal Ende März – haben wir regelmäßig die Stadt um die Infizierten-Zahlen nach Stadtteilen gebeten. Doch bis heute lehnt der Krisenstab es ab, sie zu veröffentlichen. Das ist die Argumentation.

Es gibt zahlreiche Gründe, warum der Blick in die Infektionszahlen der Stadtteile für die Mülheimer Bürger interessant wäre . Aufgrund der uns vorher völlig fremden Situation einer Pandemie mit solchen Auswirkungen wie denen, in denen wir seit einem Dreivierteljahr leben, ist der Wunsch nach Informationen, Aufklärung und Analysen besonders groß.

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Studien: Corona trifft ärmere Menschen härter

Es gibt mehrere Studien, die sich mit der deutschlandweiten Verbreitung der Covid-19-Erkrankungen auseinandersetzen, die einen Teil zur Aufklärung rund um das Coronavirus beitragen. So zeigen Untersuchungen des Robert-Koch-Instituts, dass sich das Virus zu Beginn in wohlhabenderen Regionen ausgebreitet hat, vor allem von Ski-Reise-Rückkehrern und Geschäftsleuten nach Deutschland getragen wurde. Dass sich aber im Laufe des Sommers die Schwerpunkte verlagert haben auf ärmere Gegenden. Und eine Studie der AOK Krankenkasse und des Universitätsklinikums Düsseldorf legt dar, dass Menschen aus sozial schwächerem Metier eine Corona-Erkrankung weniger gut überstehen, dass Arbeitslose ein deutlich höheres Risiko haben, ins Krankenhaus zu müssen.

Auch wenn sich aus den niedrigen Fallzahlen einer Stadt keine so konkreten Rückschlüsse auf die Verbreitung des Coronavirus ziehen lassen: Je mehr Transparenz herrscht, desto leichter lassen sich Entwicklungen erklären. Warum gehörte Mülheim eine Zeit lang zu den Städten mit der höchsten Inzidenz in Deutschland ? Wie reagiert die Stadt auf Häufungen in bestimmten Vierteln? Warum ist in manchen Bezirken das Corona-Risiko höher als in anderen ? Mit einer besseren Datenlage ließen sich Antworten auf diese Fragen suchen.

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Mülheimer Stadtsprecher: „Können keinen zusätzlichen Statistikaufwand betreiben“

Seit Beginn der Pandemie veröffentlich die Stadt Mülheim in einem Dashboard die aktuellen Infektionszahlen nach Altersgruppen, die Quarantänen, Todesfälle und die Zahl der Geheilten. Warum also nicht die der Stadtteile?

Auf erneute Anfrage teilt Stadtsprecher Volker Wiebels mit: „Die Zahlen haben keine Steuerungsrelevanz.“ Niemand solle sich in falscher Sicherheit wiegen, „weil in seinem Stadtteil die Inzidenz über oder unter der Durchschnittsinzidenz liegt.“ Mit exakt der gleichen Formulierung im Wortlaut hatte die Duisburger Stadtsprecherin Anja Kopka eine Veröffentlichung der dortigen Stadtteil-Daten abgelehnt .

Außerdem sei, so Wiebels, die Zulieferung der Daten für die Verwaltung eine zusätzliche Aufgabe. „Wir können in Anbetracht des Arbeitsaufkommens im Gesundheitsamt derzeit keinen zusätzlichen Statistikaufwand betreiben.“ Die Eindämmung der Pandemie und die Unterbrechung der Infektionsketten „binden alle vorhandenen Kräfte“.

Essen, Gelsenkirchen und bald auch Duisburg veröffentlichen Stadtteil-Daten zu Corona

Allerdings hatte die Stadt bereits zu Beginn der Pandemie die Infektionszahlen nach Stadtteilen erfasst, wie Vertreter des Krisenstabs bei einem Besuch im Krisenzentrum erzählten. Und andere Städte veröffentlichen die Inzidenz- und Infektionszahlen durchaus differenzierter. So zeigt das Geo-Onlineportal der Stadt Essen täglich die Entwicklungen nach Stadtbezirken. Auch die Stadt Gelsenkirchen hat auf Anfrage der WAZ Stadtteil-Daten veröffentlicht .

Die Stadt Duisburg hatte dies ebenso wie Mülheim mehrfach abgelehnt, lenkte nun aber ein und will künftig „transparent informieren, um zu schützen “. Oberbürgermeister Sören Link kündigte an, die Corona-Zahlen nach Stadtbezirken zu veröffentlichen, allerdings nicht täglich und die Stadt wolle sie „erläutern“.