Mülheim. Rassistische Schmierereien hatten von einiger Zeit eine Mülheimer Familie schockiert. Nachbarn und eine Schule hängen Herzen gegen den Hass auf.
„Hass ist hässlich, Zusammenhalt ist gut. Wir stehen hinter euch!“ Edip Büyüktürk zeigt mit erleichtertem Lachen auf die vielen bunten Papierherzen mit Botschaft, die an seiner Haustür in Speldorf hängen. Vor gut drei Wochen hatten dort Unbekannte in der Nacht Hakenkreuze und „Kanaken raus“ an die Wand und an das Auto gesprüht. Die Polizei ermittelt noch. Die Nachbarschaft und die Mitschüler seiner Töchter aber reagierten prompt: mit Herz gegen Hakenkreuz.
„Mami, wie sieht eigentlich ein Nazi aus?“ will ein Kind wissen
„Mami, wie sieht eigentlich ein Nazi aus?“, hatte eine Tochter gefragt. Wenn das so einfach wäre, hätte der Staatsschutz die Täter wohl schon geschnappt. Doch einen neuen Sachstand gibt es noch nicht, sagt Polizeisprecher Christoph Wickhorst.
Für den seit fast 40 Jahren in Mülheim lebenden Elektrotechnikermeister Edip Büyüktürk sind das „offenbar schwer gestörte Leute“. Rassismus habe er selbst zum Glück bisher nicht erfahren , auch keinen Ärger mit Nachbarn gehabt. Vor allem die jungen Kinder der Familie aber hat die Sprühattacke lange beschäftigt: „Haben wir jetzt Feinde?“, fragten sie ihre Eltern.
Wie aber erklärt man seinen Kindern Fremdenhass? Edip Büyüktürk tat das weh, denn „bislang sind sie nicht mit Rassismus, Fremdenhass und Nationalsozialismus in Kontakt gekommen.“ Beim Joggen mit ihrer Mutter drehten sich die Sieben- und die Elfjährige immer wieder verunsichert um – auf der Suche nach „den Nazis“.
„Es ist toll, nach dieser Verunsicherung so viel Mitgefühl zu erfahren“
Auch die Nachbarn und die Mitschüler der mittleren und ältesten Töchter am Gymnasium Broich hat die Tat mitten in Speldorf sehr beschäftigt und vor allem empört: „Viele Menschen, die ich teilweise nicht einmal kannte, haben uns Postkarten geschickt und Anteil genommen. Ich hätte das nicht erwartet. Es ist toll, nach dieser Verunsicherung plötzlich so viel Mitgefühl zu erfahren“, sagt Büyüktürk.
Besonders die Mitschüler der Klassen 5D und Q1 sowie das Lehrerkollegium des Gymnasiums wollten den Hakenkreuzen etwas Stärkeres entgegensetzen, erzählt Klassenlehrer Seydi Güngür. So entstanden Girlanden aus fast 100 roten, gelben und blauen Herzen – und wichtiger noch: starken Solidaritätsbekundungen. „ Es gibt mehr Freunde als Feinde “, „Ihr seid nicht allein“, „Wir halten zusammen“, „Liebe ist stärker als Hass“ und vieles mehr.
Heimliche Aktion in der Nacht mit Herz
Mit einem Freund der Familie hängten sie diese Botschaften heimlich in der Nacht an die Hauswand, wo vorher das Hakenkreuz hingeschmiert worden war. Als Vater Edip Büyüktürk morgens aufstand, war seine Überraschung groß. „Kommt schnell, da hängt wieder was“, rief er die Familie. Die hatte wieder mit ätzenden Sprüchen gerechnet. Umso größer war anschließend die Freude über die bunten Bekundungen.
Ermittlungen führen noch ins Leere
Das Hakenkreuz sprühten die Täter falsch herum auf und auch „Kanake“ konnten sie nicht richtig schreiben – dennoch gehe die Polizei nicht automatisch davon aus, dass es sich um einen Jugendstreich handeln könnte, sagt Polizeisprecher Christoph Wickhorst. Sondern ermittelt in alle Richtungen.
Ergeben hat das allerdings bisher noch keine Spur. Auch in einem ähnlichen Fall, der im gleichen Zeitraum einige Straßen weiter passiert ist, führen die Ermittlungen noch ins Leere. „Beide Fälle sind ohne Ermittlungsansätze der Staatsanwaltschaft Duisburg übergeben worden“, sagt Wickhorst. Sie wird entscheiden, ob weiter ermittelt werden soll oder die Akte geschlossen wird.
„Die Aktion mit Herzen und Botschaften war wirklich eine super Sache und ein für uns wichtiges Signal. Unsere ganze Familie war erleichtert und richtig begeistert über so viel Zuspruch. Einfach toll“, ist der Mülheimer froh, mit dieser rassistischen Schmiererei an die Öffentlichkeit gegangen zu sein.
„Ich lebe sehr gern in Mülheim. Für mich ist es eine sympathische Stadt. Mir ist es deshalb wichtig, dass die Menschen davon hören, wenn es solche Hass-Botschaften gibt – mitten in Speldorf“, sagt der 44-jährige Mülheimer. Und vielleicht, so hofft er, liest es auch der Täter und denkt über sein Handeln nach.