Mülheim. Der künstlerische Protest gegen den Einzug der AfD in den Mülheimer Rat hat ein Nachspiel. Haben Akteure gegen das Versammlungsgesetz verstoßen?

Die künstlerische Protestaktion am Mittwochabend gegen den Einzug der AfD in den neuen Rat der Stadt hat nicht gegen das Verbreitungsverbot von verfassungswidrigen Symbolen verstoßen. Die Projektion von Nazi-Aufmärschen von 1933 bis heute auf den Rathausturm stellt keine Straftat dar, hat die Staatsanwaltschaft festgestellt. Doch aus dem Schneider ist das für die Projektionen verantwortliche Netzwerk aus Kulturschaffenden deshalb noch nicht.

Für die Aktivisten war der Einsatz der Polizei ohnehin überraschend, denn mit ihrer Aktion wollten sie „die Kontinuität der nationalsozialistischen Ideologie aufzeigen“ und zur Vorsicht im Umgang mit der AfD mahnen, teilte Moritz Pankok als Sprecher eines Netzwerkes aus Kulturverein „Die Vielen“, der Künstlergruppe „Deutschland für Alle“ (DfA), der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und des Makroscope mit.

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Staatsanwaltschaft bestätigt: Keine Strafanzeige wegen Verbreitung verfassungswidriger Symbole

Die Aktion war als „Denkanstoß an die demokratischen Parteien und Bürger“ gedacht. Als gegen 18 Uhr die Polizei mit etwa 14 Beamten und mehreren Wagen eintraf, waren die Akteure erstaunt. Verständigt wurden die Polizisten von einem Hinweis aus der Bürgerschaft, dass Hakenkreuze auf die Fassade des Rathauses gestrahlt wurden – ein Verdacht auf eine Straftat nach § 86a, der das „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ verbietet.

Daraufhin habe die Polizei keine Handlungsspielräume gehabt, sagt der Sprecher der Polizei, Thomas Weise: „Die Projektion wurde im Einvernehmen beendet. Die Daten der Projektion wurden zur Prüfung durch die Staatsanwaltschaft gesichert und eine Anzeige gestellt.“ Die Staatsanwaltschaft entschied am Ende, dass keine Straftat im Sinne des Paragrafen vorgelegen hat. Die Anzeige wird nicht verfolgt.

Ringlokschuppen stellt sich solidarisch hinter die Künstleraktion

Indes fragen sich Mitglieder des Netzwerks, ob das recht eindeutig historische Bildmaterial von dem Hinweis gebenden Bürger vielleicht bewusst missverstanden wurde, um die Aktion zu stören. „Unser Anliegen war eindeutig. Wir wollten aufklären und haben Infos zu den Projektionen verteilt“, betonen sie.

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Für den Ringlokschuppen Ruhr, der die Künstlerwohnung im Makroscope, aus der projiziert wurde, vermietet, besteht daran kein Zweifel. „Hier sind keine verfassungsfeindlichen Symbole isoliert gezeigt worden, sondern eine Konstellation von Bildern, die ein historisches Kontinuum einer in Deutschland immer noch existenten völkisch-nationalistischen Ideologie sichtbar werden lassen“, unterstreicht der künstlerische Leiter, Matthias Frense. „Wir unterstützen diese friedliche, aufklärerische und zudem auch corona-kompatible Form des künstlerischen Protests und sehen die Aktion von der Kunstfreiheit gedeckt. Daher verstehen wir nicht, warum die Aktion abgebrochen wurde.“

Staatsanwaltschaft prüft, ob Aktion gegen das Versammlungsgesetz verstoßen hat

Doch möglicherweise könnte genau diese Aufklärung gegen Rechts den Aktivisten zum Verhängnis werden: Die Staatsanwaltschaft prüft weiterhin, ob es sich dabei um eine Versammlung gehandelt habe, die hätte angemeldet werden müssen. „Man hat Flyer verteilt, die der politischen Meinungsbildung dienen sollten“, gibt Polizeisprecher Weise Auskunft. Den aufklärerischen Kulturschaffenden könnte nun Strafanzeige drohen wegen einer unangemeldeten Versammlung.