Mülheim. „Das ist doch verrückt.“ In Mülheim-Saarn wundern sich Bürger, warum es Einlasskontrollen zum Wochenmarkt gibt, in der Innenstadt aber nicht.

In Saarn ist vieles anders als im übrigen Stadtgebiet. Das gilt auch für den Wochenmarkt. Mittwochs und samstags umspannt ein rot-weißes Flatterband den Pastor-Luhr-Platz und riegelt die Marktstände von den Straßen ab. „Das gibt es auf keinem anderen Mülheimer Markt. In anderen Städten habe ich dieses Einsperren von Kunden und Händlern auch nicht gesehen. Man kommt sich vor wie im Hühnerkäfig“, wettert eine Rentnerin. Sie hebt das Sperrband über ihren Kopf und läuft über die Otto-Pankok-Straße davon. Warum braucht der Saarner Markt eine Absperrung?

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Das bewegt auch Händler. „Wir haben nach dem Anziehen der Coronaregeln viel gemacht, für ausreichend Abstandsflächen vor unseren Verkaufswagen gesorgt. Reicht das nicht?“, fragt eine Verkäuferin der Käsespezialitäten. Es kämen jetzt weniger Kunden. „Das kann nicht nur an der Angst vor Corona liegen.“

Laufkunden an der Straße bringen mehr Umsatz

Öfter muss Oliver Horst mehr Kartoffeln und Äpfel wieder mitnehmen. „Da hat sich viel verändert. Die Kunden halten in den meisten Fällen korrekt Abstand. Sie warten geduldig. Andere drehen ab, erscheint ihnen die Schlange zu lang. Die kommen nicht mehr wieder“, schildert der Kartoffelmann neben dem Einlass.

Viermal pro Woche ist Markt auf der Schloßstraße – ohne Absperrband. Viele Menschen halten dort zu großen Abstand und kaufen weder Blumen noch Gemüse.
Viermal pro Woche ist Markt auf der Schloßstraße – ohne Absperrband. Viele Menschen halten dort zu großen Abstand und kaufen weder Blumen noch Gemüse. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Er stünde mittwochs gern direkt auf der Düsseldorfer Straße. Da kämen mehr Leute vorbei als auf den abgesperrten Platz. Mehr Kunden zählt dort Nico Tümp. „Ich verkaufe mehr Eier an die Laufkundschaft. Zurzeit ist das hier der bessere Standplatz“, sagt der Eiermann. Das bestätigt seine Nachbarin Inge Schröers, die Textilien verkauft.

Senioren wollen keine Wege doppelt laufen

Beide betonen, dass es früher, „als wir alle dicht auf dem Platz zusammenstanden, auf dem Markt gemütlicher“ war. Die enge Gemütlichkeit ist eben jetzt das Problem. „Es gelten sieben Quadratmeter pro Kunde als Abstands- und Bewegungsfläche“, sagt das Ordnungsamt. Daran kann die Behörde nichts ändern. „Vielleicht verschärfen Land und Bund die Regeln ab Oktober. Dann ist der Markt in Saarn gut aufgestellt.“

Kunden, die sich nicht gern an die geltende Maskenpflicht und Coronaabstandsregeln halten, sehen das anders. Vor allem Senioren, die nicht so gut zu Fuß sind, wollen nicht bis zum „Käfigeingang“ an der Lehnerstraße laufen. „Dann laufe ich zum Bäcker wieder über den ganzen Platz und wieder zurück und außen herum in die nächste Runde“, klagt die Seniorin. „Die Absperrung ist doch verrückt.“

Kleiner Platz mit hoher Händlerdichte

Die Menschen, die sich am meisten vor den Viren schützen sollten, hielten sich am wenigsten an die geltenden Regeln, beobachten Mitarbeiter des Ordnungsamtes bei ihren Kontrollgängen. „Saarn hat den kleinsten Marktplatz im Stadtgebiet, aber eine hohe Händlerdichte. Das sei in Speldorf, Heißen und Styrum nicht so.

Die Schloßstraße bietet viele Ausweichmöglichkeiten. Stehen Kunden vor den Ständen, wird es zum Durchlaufen auch dort eng.
Die Schloßstraße bietet viele Ausweichmöglichkeiten. Stehen Kunden vor den Ständen, wird es zum Durchlaufen auch dort eng. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Auf der Schloßstraße sei eine Absperrung wegen der vielen Zugänge unmöglich, sagen die Ordnungshüter. „Aber wenn Kunden bei uns am Stand einkaufen, gegenüber am Stand ebenfalls und in der Mitte Menschen durchlaufen, ist das enger wie in Saarn“, sagt eine Obsthändlerin.

Händler spüren in Saarn Kundenschwund

Sie und ihre Familienmitglieder stehen mit ihren frischen Produkten auf beiden Märkten. „Wir haben seit der Coronaregeln unser großes Sortiment beibehalten. Trotzdem kaufen weniger Leute auf dem Saarner Markt.“ Die leichte Umzäunung könne doch kein Hindernis sein, um gute Ware zu ignorieren“, spricht sie auch für andere Kollegen.

Heinz Radermacher, mit seinem Team ebenfalls auf Mülheimer Wochenmärkten bekannt, macht in der Saarner Marktabsperrung keine Verkaufsbremse fest. „Das ist in dieser Zeit notwendig.“ Einbußen gebe es, weil sich das Kaufverhalten der Menschen grundsätzlich ändere“, sagt er. Auch bei ihm schlüpfen einige unter das Flatterband zum schnellen Backfisch.

Zählkarten und Kontrollbänder verschwinden

Fünf Wochenmärkte in der Stadt

Frische Waren sind auf den Wochenmärkten zu haben. Menschen schätzen dort das Einkaufen, weil sie Kontakt zu den Erzeugern oder Händlern haben. Dienstags, donnerstags, freitags und samstags von 8 bis 14 Uhr kann man auf dem Wochenmarkt auf der Schloßstraße einkaufen.

Im Heißener Zentrum sind donnerstags von 7 bis 13.30 Uhr die Stände aufgebaut. In Speldorf, vor dem ehemaligen Depot, stehen die Händler dienstags, donnerstags, freitags von 7 bis 14 Uhr. Der Styrumer Markt am Syltenfuß hat freitags von 7 bis 13.30 Uhr geöffnet. Auf dem Saarner Pastor-Luhr-Platz ist mittwochs von 7 bis 13 Uhr und samstags von 8 bis 15 Uhr buntes Markttreiben.

Am Eingang gibt es Einlasskarten oder Schlüsselbänder, weil nur eine bestimmte Kundenzahl auf den Platz darf. Karten und Bänder sind bei den Besuchern sehr beliebt. Von einst 60 Schlüsselbändern sind nur noch etwa 20 vorhanden – der Rest wohl in privaten Taschen. Nicht jeder will die Einlasskarten aus Hygienegründen in die Hand nehmen. Die wandern in den Einkaufstaschen mit nach Hause.

Fest steht: Das von der Saarner Werbegemeinschaft mit dem Ordnungsamt erarbeitete Marktkonzept mit Absperrband und Einlasskontrolle wird dem Dorf als Besonderheit noch lange erhalten bleiben. „Sonst ist der Saarner Wochenmarkt sofort zu“, sagt das Ordnungsamt. Das sei aber nicht gewollt.