Mülheim. Wegen des Coronavirus dürfen den Saarner Markt in Mülheim nur 20 Personen gleichzeitig betreten. Die Händler kämpfen mit Einbußen. Ein Besuch.
„Es kann doch nicht sein, dass ich schon wieder anstehen muss. Erst auf der Straße, jetzt beim Metzger. Die Zeiten von vor mehr als 30 Jahren dürfen nicht zurückkommen.“ Die Seniorin mit hörbarem Sachsenakzent ist genervt. Das Einkaufen auf dem Saarner Markt koste sie zu viel Zeit. Denn seit Mittwoch dürfen nur noch 20 Personen auf den Platz.
„Ich werde das nicht mehr mitmachen und wegbleiben“, ruft die Frau über den Markt. Andere Besucher reagieren gelassener. „Das ist für unsere Gesundheit wichtig. Die Eingangskontrolle ist nichts Schlimmes“, sagt ein Rentner. Die Händler hinter der Absperrung klagen über teilweise heftige Umsatzeinbußen.
Nur ein Eingang zum Markt in Mülheim-Saarn
Seit Mittwoch ist auf dem Saarner Wochenmarkt nichts mehr so wie noch vor acht Tagen. Alle Stände sind an den Rändern des Pastor-Luhr-Platzes aufgereiht – umspannt von einem rot-weißen Flatterband. Fast kein Händler konnte seinen Stammplatz behalten. Es gibt nur noch einen Eingang an der Lehnerstraße.
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Das ist eine Anordnung des Ordnungsamtes“, beantwortet Hans-Werner Moritz die Fragen der Besucher geduldig. „Das Ende der Schlange finden Sie um die Ecke. Sie sind aber bald dran.“ Bis zum Modehaus am anderen Platzende dehnt sich die Wartereihe – immer mit dem gebührenden Abstand.
Die meisten Mülheimer Marktbesucher warten geduldig
Völlig unterschiedlich legen Marktbesucher den Begriff „bald“ aus. Für eine Gruppe muss das sofort sein. Die meisten warten geduldig die fünf bis acht Minuten. „Bei Regen würde ich hier nicht stehen“, meint eine Frau. Eine andere dreht gleich ab. „Das brauche ich nicht. Ich fahre in den Supermarkt.“ Ob sie dort kürzer warten muss, weiß sie nicht. Sie setzt aber darauf.
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Einige versuchen, sich durch die Lücken unter das Flatterband auf den Platz zu mogeln. Aber die Sozialkontrolle funktioniert. „Ab zum Eingang. So läuft das hier nicht“, hebt ein Pensionär mahnend seinen Gehstock. Vor den Ständen bilden sich zeitweise ebenfalls Schlangen.
Zu viel gute Ware bleibt liegen
Manchmal wollen alle zum Eiermann und die Bäckereifachverkäuferin hat Kundenpause oder umgekehrt. „So entspannt habe ich selten verkauft. Es kommen einfach weniger Kunden zu uns durch“, sagt sie. Blickte sie vor einer Woche gegen 12.30 Uhr auf viele blanke Bleche, war sie am Mittwoch um die gleiche Zeit noch voll sortiert. Selbst warme Waffeln waren noch zu haben.
Beim Metzger stapeln sich ebenfalls noch Stielmus, Erbsensuppe und Sauerkraut in Portionsschalen. Ein Unikum nach dem Mittagsläuten. Für Späteinkäufer eine völlig neue Erfahrung.
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Enttäuschung an Obst- und Gemüseständen. „Da lohnt sich das Aufbauen und Auspacken fast gar nicht mehr“, hat eine Verkäuferin fast Tränen in den Augen. „Mit Tonnen haben sie und ihre Kolleginnen Abstandsgassen für die Kunden markiert. „Aber wenn alle beim Fleisch anstehen, kann keiner zu uns kommen, weil nicht mehr als 20 Personen auf den Platz dürfen. Da bleibt zu viel gute Ware liegen, die wir sonst locker verkauft haben.“ Träfen sich fünf Personen „im Supermarkt an der Kühltheke, ist die Gefahr viel größer, sich anzustecken als hier unter freiem Himmel“, argumentiert sie.
Mülheimer Ordnungsamt: Keine Beanstandungen
Die Kontrolleure des Ordnungsamtes loben das umgesetzte Konzept der Saarner Werbegemeinschaft: „keine Beanstandungen.“ Viele Kunden meckern aber über die in Folie laminierten Eintrittskarten. „Das fasse ich nicht an. Die haben doch schon Hunderte in der Hand gehabt“, empört sich eine Dame. Hans-Werner Moritz lächelt und steckt ihr das Ding in die Einkaufstasche: „Bitte nachher wieder abgeben. Wir brauchen die Rückgabe als Kontrollhilfe.“
Hinter den Ständen haben die Händler ihr Verkaufspersonal – im Vergleich zur Vorwoche – nicht reduziert. Sie könnten und würden gern mehr Kunden gleichzeitig bedienen. „Das Virus steckt nicht im Käse, im Geflügel oder den Kartoffeln“, scherzt eine Verkäuferin. „Ich habe in der letzten halben Stunde nur einen Gast bedient. Sonst sind es sechs bis zwölf“, zieht sie ihre Minusbilanz.
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Ab Samstag fünf Besucher mehr auf dem Platz
Diese Lage soll sich beim nächsten Markttreffen bereits verbessern. Am Mittwochnachmittag erhielt Margit Schettler, Geschäftsführerin der Saarner Werbegemeinschaft, vom Ordnungsamt die Genehmigung: „Es dürfen gleichzeitig 25 Kunden auf den Marktplatz. Außerdem verlängern wir am Mittwoch den Markt um eine Stunde bis 14 Uhr.“ Ginge vielleicht noch länger, weil der Saarner Feierabend wegen des Versammlungsverbotes vorerst gestrichen ist. Das hängt von den Händlern ab.
„Einen schönen Tag noch. Auf Wiedersehen“, so verabschieden sich die meisten Marktbesucher von Hans-Werner Moritz. Der bedankt sich ebenfalls. Viele reichen die Eintrittskarte gleich an die Nächste in der Warteschlange weiter. Die Einkäuferin mit Berührungsängsten lässt sich ihre am Eingang wieder aus der Tasche ziehen: „Sie sollten das noch verbessern.“
Hinweise auf neue Lage
Mehrere Schilder wiesen auf die neue Lage auf dem Pastor-Luhr-Platz hin: „Liebe Wochenmarktbesucher, Halten Sie bitte mindestens zwei Meter Abstand und richten Sie sich nach den Budenmarkierungen“, empfiehlt die Saarner Werbegemeinschaft.
„Kaufen Sie wie gewohnt einzeln und zügig ein – aber mit Rücksicht auf andere Kunden. Verlassen Sie dann den Marktplatz. Das Verzehren von Speisen und Getränken vor Ort ist verboten“, lauten weitere Anweisungen. Aber gerade wegen des Austauschs gehen die meisten auf den Markt.
Markthändler in Saarn bedanken sich
Nach 13 Uhr ist der erste Verkaufstag hinterm Flatterband zu Ende. Sie müssen mehr Waren wieder einpacken als letzte Woche. „Wir sind dankbar, dass wir trotz Corona noch im Dorf verkaufen dürfen.“, bringt es eine Händlerin auf den Punkt. „Auch die Kunden freuen sich, dass wir noch für sie da sind. Hoffentlich halten uns alle weiterhin die Treue.“
„95 Prozent aller Besucher sind freundlich und haben Verständnis für die Absperrung“, sagt Hans-Werner Moritz. „Es gibt leider immer Meckerer, die einem den Tag vermiesen.“ Jeder solle froh sein, dass der Markt noch laufe. Die frischen Blumen, die ein Frau kurz auf dem Tisch ablegt, um ihre Eintrittskarte abzugeben, war jedoch nicht für ihn. Moritz: „Dafür scheint wenigstens die Sonne.“