Mülheim. Kurz vor der OB-Wahl bekamen rund 7500 Erstwähler in Mülheim Post von Monika Griefahn (SPD). Nicht alle Familien waren von den Briefen begeistert.

Beim Treffen der OB-Kandidaten auf dem Mülheimer Rathausmarkt am frühen Sonntagabend wurden Freundlichkeit und Fairness demonstriert. Alle lächelten fürs Foto, trugen Sonnenblumen zur Schau, doch die Stimmung war leicht gereizt. Grund: eine Wahlwerbekampagne von Monika Griefahn (SPD), die alle Erstwähler angeschrieben hat. Auch die Söhne ihrer FDP-Konkurrentin Amrei Debatin bekamen Post. Debatin ärgert sich, dass ihre Anschrift herausgegeben wurde.

Auch interessant

„Ich war etwas aufgebracht“, sagte die FDP-Politikerin am Tag danach, „weil ich versucht habe, unsere Privatadresse aus dem Wahlkampf herauszuhalten.“ Ihre Jungs sind mittlerweile 17 und 18, beide erstmals wahlberechtigt. Vor rund zwei Jahren ist die Familie nach Mülheim gezogen. „Ich hätte gefragt werden müssen, ob die Daten meiner Kinder weitergegeben werden dürfen“, meint Debatin. „Wurde ich aber nicht.“

Griefahn präsentiert sich den Jugendlichen als Greenpeace-Gründerin

In dem Brief, der wenige Tage vor der Wahl verschickt wurde und dieser Redaktion vorliegt, spricht Monika Griefahn die Jugendlichen persönlich an: „Liebe(r)…, am 13. September finden in Mülheim an der Ruhr die Kommunalwahlen statt...“ Um die Erstwähler für sich zu gewinnen, setzt die SPD-Kandidatin gezielt auf die Karte Klimaschutz: „Viele junge Menschen gehen jetzt auf die Straße. Auch ich setzte mich mein ganzes Leben für den Klima- und Umweltschutz ein. Ich habe Greenpeace in Deutschland gegründet und geleitet. Dort habe ich für saubere Meere gekämpft.“

Nun wolle sie den Kampf für Klimagerechtigkeit, gute Umwelt und faire Lebensbedingungen für alle als Oberbürgermeisterin in Mülheim fortsetzen, schreibt Griefahn. „Die grünste Stadt Deutschlands“ wolle sie schaffen und „mindestens ein Azubiwohnheim in 10 Jahren“. Gerne sollen ihr die Jugendlichen „persönlich auf den Zahl fühlen“, ihr eine Mail schreiben, sie anrufen.

Mutter einer 17-Jährigen fragt sich, woher die SPD ihre Adresse hat

Dass diese Post im Haushalt von Amrei Debatin nicht besonders gut angekommen ist, liegt nahe. Aber auch andere Familien, von denen niemand im politischen Geschehen mitmischt, hatten Bedenken in Sachen Datenschutz. „Ich frage mich, woher sie unsere Adresse haben“, sagt die Mutter einer 17-Jährigen aus Heißen, und ihre Tochter fragt sich das auch.

Wahlwerbung: Was gesetzlich erlaubt ist

Die SPD hat bei dieser Aktion die Möglichkeiten des Bundesmeldegesetzes (BMG) genutzt. Gemäß § 50 darf die Meldebehörde Parteien oder Wählergruppen in den sechs Monaten vor der Wahl Auskunft über Namen und Adressen von Gruppen von Wahlberechtigten erteilen, „soweit für deren Zusammensetzung das Lebensalter bestimmend ist“.

Die konkreten Geburtsdaten dürfen nicht mitgeteilt werden.

Die Daten dürfen nur für die Wahlwerbung verwendet und müssen spätestens einen Monat nach der Wahl vernichtet oder gelöscht werden.

Die Betroffenen haben das Recht, der Übermittlung ihrer Daten zu widersprechen. Darauf müssen sie bei der Anmeldung, etwa nach einem Umzug, hingewiesen werden.

Ergänzend regelt § 8 des Meldegesetzes für NRW, dass sich die Auskunft auf zwei Gruppen beschränken muss, die jeweils nicht mehr zehn Geburtsjahrgänge umfassen dürfen.

Die Antwort ist relativ einfach: Die Daten kommen von der Stadt Mülheim, die laut Bundesmeldegesetz tatsächlich befugt ist, in Wahlkampfzeiten Namen- und Adressenlisten zu bestimmten Altersgruppen herauszugeben. Die Betroffenen können widersprechen. Ausdrücklich zustimmen müssen sie aber nicht. Stadtsprecher Volker Wiebels bestätigt: „Die SPD hat schriftlich um die Mitteilung der Namen und Anschriften aller Erstwähler/innen in Mülheim gebeten.“ Da laut Gesetz aber konkrete Jahrgänge benannt werden müssen, habe man telefonisch bei der Partei nachgefragt. Die SPD habe daraufhin um die Daten der 16- bis 21-Jährigen gebeten. „Diese wurden ausgewertet und zur Verfügung gestellt“, so Wiebels.

Auch interessant

Die Briefe wurden breit gestreut. Nach Auskunft von SPD-Geschäftsführerin Yvonne Hartig wurden rund 7500 junge Leute in Mülheim angeschrieben, „alle, für die es die erste Kommunalwahl ist“. Die Daten habe man sich gegen Gebühr bei der Stadt besorgt – im Rahmen der Ausnahmen für Wahlkampfzwecke, die das Bundesmeldegesetz erlaube. Sie würden zeitnah gelöscht.

CDU: Wollen bestimmten Gruppen den Weg nicht ebnen

Auch die CDU ärgert sich über die Werbebriefe von Monika Griefahn. Kontrahent Marc Buchholz, gegen den sie am 27. September bei der Stichwahl antreten wird, sagt: „Wir haben das Thema auch erörtert, aber auf solche Anschreiben verzichtet. Wir wollen bestimmten Gruppen den Weg nicht ebnen.“

CDU-Geschäftsführer Thomas Mehlkopf-Cao bestätigt, dass seine Partei eine ähnliche Briefaktion erwogen und vor einigen Wochen bei der Stadt nachgefragt habe. Das zuständige Amt habe abgeraten, andernfalls müsse man diesen Service allen Parteien anbieten. „Wir haben davon Abstand genommen“, erklärt Mehlkopf-Cao, „um keine schlafenden Hunde zu wecken“. Dabei haben die Christdemokraten vermutlich nicht in erster Linie an die SPD gedacht.