Mülheim. Ein Wahlvorsteher sorgt sich um die Gesundheit der Mitstreiter und fordert einen Spuckschutz. Die Stadt hält dagegen: Das Hygienekonzept genügt.

Seit Anfang der 1970er Jahre engagiert sich Walter Euler in Mülheim als Wahlhelfer. Der 73-jährige Heilpraktiker sieht das als seine „Bürgerpflicht“ an. Die Kommunalwahl 2020 aber macht ihn nervös: Die Stadt, so meint er, tue nicht genug, um die Gesundheit der Ehrenamtlichen zu schützen. Für dringend erforderlich hält er etwa einen Spuckschutz, also zum Beispiel eine Plastikscheibe am Tisch der Wahlhelfer.

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Höchst skeptisch ist Euler in puncto Abstandswahrung: „1,50 Meter kriegen Sie in einem Wahllokal nicht hin“, glaubt er. Man habe so viel Kontakt mit den Wählern, zum Teil auch durchaus eng, wenn man etwa Sehbehinderten helfen müsse. Auch in der möglicherweise langen Schlage vor dem Wahllokal könne das Distanzwahren schwierig werden.

Schon zwei Wochen vor der Wahl deutlicher Anstieg an Briefwählern

Dass mancherorts Sicherheitsleute eingesetzt werden, die unter anderem auf Abstands-Verstöße aufmerksam machen sollen, genügt ihm nicht. „Ich werde Wahlvorsteher in einem Wahllokal in der Lierbergschule sein. Dort gibt es noch zwei weitere Wahllokale. Zwei Leute einer Bewachungsfirma sollen am ganzen Standort für Ordnung sorgen. Das wird nicht reichen.“ Er rechne mit insgesamt rund 2400 Wählern vor Ort – rund 800 pro Wahllokal –; die Erfahrung habe das gezeigt.

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Volker Wiebels, Sprecher der Stadt, hält die Zahlen für überhöht. Man rechne fest damit, dass am 13. September – und womöglich auch bei der Stichwahl am 27. September – deutlich mehr Leute per Brief wählen und auf den Gang zur Urne verzichten. Aktuelle Zahlen belegten dies: „2015, bei der letzten Kommunalwahl, hatten wir insgesamt rund 16.000 Briefwähler. Jetzt – zwei Wochen vor der Wahl – sind wir schon bei 20.000.“

Man sei im Übrigen sicher, dass das städtische Hygienekonzept einen ausreichenden Schutz biete. „Wir glauben alles getan zu haben, um optimale Sicherheit zu gewährleisten.“ Alle Helfer erhielten FFP2-Masken zum Eigenschutz. Einen Spuckschutz allerdings werde man nicht anschaffen; „das kommt nicht in Frage, das wäre ein sechsstelliger Betrag, den die Steuerzahler zu tragen hätten“, so Wiebels.

Auf Wahlräume in Alteneinrichtungen weitgehend verzichtet

Bereits bei der Auswahl der Räumlichkeiten sei man sensibel vorgegangen, sagt der Stadtsprecher, habe etwa auf Wahlräume in Alteneinrichtungen verzichtet. Davon betroffen ist auch Walter Euler, der seinen Dienst früher im Seniorenheim am Broicher Waldweg verrichten musste, nun aber in besagte Grundschule umziehen wird.

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Walter Euler ist Wahlvorsteher bei der Kommunalwahl am 13. September. Er hat Sorge, dass die Hygienevorschriften nicht ausreichend sind, um alle Wahlhelfer vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen.
Walter Euler ist Wahlvorsteher bei der Kommunalwahl am 13. September. Er hat Sorge, dass die Hygienevorschriften nicht ausreichend sind, um alle Wahlhelfer vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen. © FUNKE Foto Services | Herbert Höltgen

Das Hygienekonzept sieht unter anderem vor, dass in allen 108 Wahlräume Desinfektionsmittel bereitstehen. In Gebäuden mit mehr als zwei Wahllokalen kommt der externe Ordnungsdienst zum Einsatz. Regelmäßiges Lüften soll die Luftzirkulation garantieren. Der Mindestabstand von 1,5 Meter ist Pflicht und jede Person angehalten, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Alle Wähler sollen einen eigenen Kugelschreiber dabei haben. Nur für den Notfall würden Einmalstifte bereitgestellt.

Stadt ist weiter auf der Suche nach rund 150 Wahlhelfern

Laut Wiebels gibt es Gespräche mit allen Wahlhelfern, man schule sie und versuche Bedenken auszuräumen. Er hält die Vorkehrungen für ausreichend – „wenn trotzdem jemand glaubt, dass er nicht sicher ist, kann er gern vom Amt zurücktreten“. Man habe in Coronazeiten „volles Verständnis“ für eine solche Entscheidung, „obwohl wir um jeden Wahlhelfer verlegen sind“. Die Stadt, so betonte der Sprecher am Freitag erneut, sei weiterhin auf der Suche nach rund 150 Wahlhelfern. Man setze darauf, dass sich ausreichend Freiwillige finde und man niemanden zwangsverpflichten muss. „Das nämlich haben wir noch nie getan.“