Mülheim. Nicht nur Mülheim kämpft mit wachsenden Müllbergen. Die Initiative Cradle-to-Cradle sucht neue Wege zur Nachhaltigkeit. Gibt es guten Müll?
Man muss nicht den Plastikatlas gelesen haben, um zu wissen, dass die Mengen an Verpackungen in drastischer Weise steigen. Ein Blick in die eigene Mülltonne reicht. Mit 7.087 Tonnen „Leichtstoffe“ aus der Gelben Abfalltonne kalkuliert die Mülheimer Entsorgungsgesellschaft für 2020. Seit 2010 ist der Wert um 1500 Tonnen gewachsen. Eine neue Initiative will das steigende Problem nun angehen mit einer innovativen Idee: Müll soll gar nicht erst entstehen.
Zur Gründungsveranstaltung am Dienstagabend ist der Heißener Nachbarschaftsraum an der Hingbergstraße daher gefüllt mit gut 40 motivierten Bürgern. „Cradle-to-Cradle“ (C2C) nennt sich das Null-Müll-Rezept, übersetzt heißt das „von der Wiege zur Wiege“. Gemeint sind Herstellungskreisläufe bei denen bereits die Nachverwertung des Produkts so eingeplant ist, dass alle Bestandteile wieder in die Produktion fließen können. Oder aber, dass die Nutzung eines Produkts sogar Vorteile für die Umwelt bringen kann.
Der nächste Schritt zur Nachhaltigkeit?
„Es ist eine neue Denkschule“, erläutert Tim Janßen, der mit Nora Sophie Griefahn im Vorstand der nichtstaatlichen Organisation „Cradle to Cradle“ in Berlin sitzt. Und die Leute vor Ort sucht, die den Gedanken verbreiten wollen. Und ja: Die Philosophie haben der Chemiker Michael Braungart und Architekt William McDonough entwickelt. Braungart ist mit der Mülheimer OB-Kandidatin Monika Griefahn (SPD) verheiratet, und die Vorsitzende ihre Tochter – so schließt sich auch hier ein Kreislauf. Die OB-Anwärterin sitzt nicht nur im Beirat der NGO sondern auch am Dienstagabend unter den Besuchern.
Nur: An der bedenkenswerten Grundidee rüttelt das nicht. Denn im Gegensatz zur Forderung Emissionen zu senken, nach Upcycling und Müllvermeidung geht dieser Ansatz einen Schritt weiter: Gibt es ,gesunde’ Materialien, also solche, die bei der Verwendung sogar ökologisch positiv wirken?, fragt Janßen und nennt Beispiele, die seine NGO bereits zertifiziert hat, von der Sportkleidung bis zum Bürostuhl und zum Gebäude wie „The Cradle“ im Düsseldorfer Medienhafen. Selbst die Band „Die Ärzte“ wollen ihre nächste Tour unter C2C-Gesichtspunkten planen.
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Problem: Noch keine Rückführungsketten für C2C-Produkte vorhanden
Ein Problem soll dabei nicht verschwiegen werden: C2C-Produkte werden bereits hergestellt, die Rückführung ist jedoch ungeklärt. Die Dinge landen in der „normalen“ Müllverwertung. Für Janßen ist das ein „,Henne-Ei-Problem’, wo soll man zuerst ansetzen?“ Denn ohne Produkt würde niemand Rückführungsketten entwickeln.
Den Enthusiasmus der Zuhörer hat das nicht gebremst: Etwa 20 Menschen erklärten am Dienstagabend ihr Interesse für eine C2C-Regionalgruppe. Ein möglicher Ansatz ist für sie an Schulen über die Denkrichtung zu informieren. Wer sich ihnen anschließen will: Muelheim@ehrenamt.c2c.ngo.