Essen. Knapp 4000 Unternehmer in Heilmittel-Berufe haben innerhalb von zwei Wochen Hilfsgelder beantragt. In vielen Praxen ist es damit aber nicht getan
Innerhalb von zwei Wochen haben knapp 4000 Unternehmer aus der Gesundheitsbranche in NRW Hilfe aus dem Schutzschirm für Heilmittelerbringer der Bundesregierung beantragt. Der Verband der Ersatzkassen NRW teilte am Mittwoch mit, dass 3895 Physiotherapeuten, Sprach-, Ergo-und Ernährungstherapeuten sowie Podologen insgesamt gut 78 Millionen Euro an Hilfsgeldern erhalten haben. Mit den Zahlungen können sie seit dem 20. Mai Einnahmeausfälle durch die Corona-Pandemie ausgleichen. Für die rund 14.500 Heilmittelerbringer in NRW stehen 185 Millionen Euro zur Verfügung.
Heilmittelerbringer sind von der Pandemie stark betroffen. Zwar bleiben Praxen in NRW geöffnet, doch viele Patienten haben Termine aus Sorge vor Infektionen bei den oft körpernahen Behandlungen abgesagt. In physiotherapeutischen Praxen sind laut NRW-Landesverband für Physiotherapie bis zu 70 Prozent der Termine ausgefallen, viele Praxen meldeten Kurzarbeit an. Bei den Ergotherapeuten haben bundesweit bis zu 60 Prozent der Termine nicht stattgefunden, in deutschen logopädischen Praxen waren es laut einer Umfrage des Bundesverbandes zeitweise bis zu 77 Prozent.
Mangelhafte Unterstützung: 7,5 Cent für Hygienemittel
Dagmar Karrasch, Präsidentin des Bundesverbandes für Logopädie, kritisiert, dass bis heute Termine auch deshalb ausfallen müssten, weil Schutzausrüstung in vielen NRW-Praxen fehle. „Die Ausstattung ist von Stadt zu Stadt verschieden, weil die Praxen nicht zentral vom Land mit Schutzausrüstung versorgt worden sind“, so Karrasch, die für rund 2300 Logopäden allein in NRW spricht.
Zwar erhielten die Praxen bundesweit eine Hygiene-Pauschale von 1,50 Euro je Verordnung. „Bei bis zu 20 Terminen je Verordnung kann man sich aber schnell ausrechnen, dass siebeneinhalb Cent je Termin nicht ausreichend sind“, so Karrasch. Video-Behandlungen als Alternative in Corona-Zeiten seien inzwischen erprobt, aber etwa bei Kindern oder Schlaganfall-Patienten nicht immer möglich. Zudem sei die Finanzierung nur noch bis Monatsende gesichert.
Erfolge in der Videotherapie sollen Bestand haben
Ergotherapeuten hingegen hoffen sogar, dass ihnen die stark genutzte Videotherapie auch über die Corona-Krise hinaus als Behandlungsmethode erhalten bleibt. „Sie war bereits vor Corona unser Anliegen“, sagt Bettina Kuhnert, Vorstandsmitglied beim Deutschen Verband der Ergotherapeuten. „Wir haben jetzt in der Krise gezeigt, dass wir innerhalb kürzester Zeit auch mit Videotherapie arbeiten konnten. Darauf wollen wir aufbauen.“
Verbesserungswürdig seien allerdings technische Voraussetzungen: „Die Internetleitung muss schon stabil sein, das ist immer noch nicht überall in Deutschland der Fall“, sagt Kuhnert.
Physiotherapeuten rechnen wieder mit Wartelisten
Bei den Physiotherapeuten hat sich die anfangs als dramatisch beschriebene Situation vielfach entspannt, sagt Jürgen Querbach, Geschäftsführer des NRW-Landesverbandes für Physiotherapie. "Mit dem langsam einsetzenden Normalbetrieb im Gesundheitswesen nehmen auch bei unseren Mitgliedern die Termine wieder zu." In Kürze sei sogar wieder mit Wartelisten zu rechnen.
Querbach unterstreicht, dass die Krise viele Praxen zwar schwer getroffen habe, sie aber auch gestärkt habe: "Die Praxen sind bei den Hygiene-Regeln so gut aufgestellt, dass uns nicht ein Fall eines größeren Infektionsgeschehens bekannt ist", sagt Querbach. "Wir sind hocherhobenen Hauptes."
>> Antragsfrist läuft am 30. Juni ab
Bundesweit haben laut Ersatzkassen bislang rund 18.000 Heilmittelerbringer Gelder in Höhe von rund 313 Millionen Euro aus dem Schutzschirm der Bundesregierung erhalten. Rund eine Milliarde Euro stehen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zur Verfügung. Am 30. Juni 2020 läuft die Antragsfrist ab: www.zulassung-heilmittel.de