Mülheim. Pro Jahr rutschen 100.000 Quadratmeter Straßen und Gehwege in Mülheim in den untersten Qualitätsbereich ab. Eine echte Lösung ist nicht in Sicht.

Der Zustand von Mülheims Straßen ist schon seit Jahren prekär. Doch die Situation wird immer dramatischer. Jahr für Jahr rutschen über 100.000 Quadratmeter Straßen- und Gehwegfläche in den untersten Qualitätsbereich ab. Eine wirkliche Lösung für das Problem ist nicht in Sicht. Immerhin: Corona hat die Situation vorerst nicht verschlimmert.

„Wir bräuchten ad hoc 20 Millionen, das Personal und auch die Baufirmen“, sagt Frank Schöttler, Teamleiter für Betrieb und Nutzung von Straßen. Zur Verfügung steht pro Jahr aber allerhöchstens mal ein Viertel davon. „Aber selbst wenn wir das Geld hätten, wäre es schwer auf die Straße zu bringen“, betont Schöttler. Schließlich sei die Zahl der Baufirmen begrenzt.

Zusammenarbeit mit den Versorgern

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Zudem müssen sich Schöttler und seine Kollegen auch immer mit den Wasser- und Energieversorgern auseinandersetzen, um keine unnötigen Doppelbaustellen in ein- und derselben Straße entstehen zu lassen.

Schöttler selbst wurde 2002 vom Amt für Verkehrswesen und Tiefbau für die Zustandserfassung der Straßen eingestellt. Im Fünf-Jahres-Rhythmus werden seitdem Befahrungen aller 1058 Mülheimer Straßen durchgeführt. Ein spezielles Messfahrzeug erfasst dabei Unebenheiten oder Schlaglöcher und weist am Ende alle zehn Meter einen Datenblock auf. So können die Mitarbeiter aus dem Verkehrsamt die Schwachstellen haargenau feststellen. Zudem ist jeden Tag ein sechsköpfiges Team zu Fuß unterwegs. „Kleinere Schäden behebt unser Bauhof selbst“, so Schöttler.

Straßen sollen 50 Jahre überdauern - so die Theorie

Fast alle Straßen befinden sich im gelben oder roten Bereich.
Fast alle Straßen befinden sich im gelben oder roten Bereich. © Stadt Mülheim / Amt für Verkehrswesen und Tiefbau

Die Abschnitte werden schließlich in Notenbereiche eingeteilt. Die Skala reicht von 0,1 bis 5,0. Die Theorie geht davon aus, dass eine Straße pro Jahr 0,1 Punkte schlechter wird, es wird also eine Überlebensdauer von 50 Jahren angenommen. Die Realität sieht allerdings anders aus. „Es gibt Straßen, die innerhalb von fünf Jahren großflächig schlechter werden“, gesteht Frank Schöttler. Zumal in diesen 50 Jahren mindestens einmal die Fahrbahndecke ausgetauscht werden müsste. „Und dazu müsste ich ja eigentlich schon Mittel für das Jahr X miteinplanen“, erläutert der Experte.

Die Skala wird zudem in vier Bereiche unterteilt. Die neuesten Straße gehören dem blauen, die immer noch guten dem grünen Bereich an. Kritisch wird es beim gelben, akut beim roten Bereich. Pro Jahr rutschen über 100.000 Quadratmeter in den roten Bereich ab. Er umfasst bald 30 Prozent, der gelbe zudem bald 50 Prozent. Auf der Vormerkliste, auf die Straßenzüge ab einer Note von 4,5 automatisch eingetragen werden, befinden sich rund 150 Maßnahmen.

Schwerer Verkehr setzt den Mülheimer Straßen zu

Der Zustand der Straßen liegt zum einen an der Überalterung, zum anderen am schweren Verkehr. „Ein normales Auto macht die Straße nicht kaputt“, betont Schöttler. Schlimmer seien freilich LKW und auch Busse. Zudem habe Kaltasphalt oftmals keine Bindung zu den darunterliegenden Schichten. „Wenn dann ein paar LKW darüber rumpeln, entsteht schnell ein neuer Schaden“, bedauert Schöttler. Auch deswegen werden mit regelmäßigen Bohrungen die Beschaffenheiten ermittelt. Die seien vor allem bei älteren Straßen oft nicht bekannt.

Im Regelfall besteht eine Straße aus – von oben gesehen – der Deckschicht, einer Binderschicht, einer mehrere Zentimeter hohe Tragschicht und eine weitere Tragschicht aus Schotter oder ähnlichem Material. Oftmals wird bei Ausbesserungsarbeiten nur der obere Teil ausgefräst und erneuert.

Verkehrssicherheit hat oberste Priorität

„Wir müssen vor allem sehen, dass wir die Verkehrssicherheit gewährleisten“, betont Frank Schöttler. Denn eine echte Lösung für das Problem gibt es in Zeiten klammer Kassen nicht. „Außerdem müssen wir jetzt die kommenden Einnahmen der Stadt erst einmal abwarten“, sagt der Teamleiter. Corona hat seinen Bereich bisher nicht ganz so hart getroffen. „Die Baufirmen haben durchgearbeitet“, so Schöttler. An einigen Stellen wurden Zäune für den Sicherheitsabstand aufgestellt. Es sind die wenigen guten Nachrichten.