Mülheim. Bei vielen sorgte die Bandidos-Mitgliedschaft des Mülheimer AfD-Schriftführers für Aufregung. Die AfD verpasste die Chance, sich zu distanzieren.
Gefährliche Körperverletzung, räuberische Erpressung, Bedrohung, Verstöße gegen das Betäubungsmittel- und das Waffengesetz: Die Liste der Straftaten, die das Bundeskriminalamt in Verbindung mit Rockerkriminalität aufzählt, ist lang. Nicht all ihre Ortsgruppen, nicht all ihre Mitglieder sind kriminell. Doch dass ein Kandidat für den Mülheimer Rat Mitglied war bei einer solchen Gruppe, hätte bei jeder Partei für einen Aufschrei gesorgt. Wohl jede Partei hätte sich distanziert – die AfD hat diese Chance verpasst.
Mülheimer AfD ordnete Bandidos-Mitgliedschaft nicht ein
Kein Wort der Einordnung kam seitens des Kreisvorsitzenden Alexander von Wrese nach Bekanntwerden der ehemaligen Bandidos-Mitgliedschaft des Schriftführers und Vorstandsmitglieds Tobias Laue. Dessen Versicherung, den Rockerclub verlassen zu haben, reichte anscheinend aus, um jegliche Bedenken der AfD zu zerstreuen – so es sie jemals gegeben hat.
Doch ist der Schriftzug „BFFB“ auf den Westen der Rocker, der für „Bandidos forever, forever Bandidos“ steht, nicht etwa zu vergleichen mit einem kleinmädchenhaften „BFF“ – Best Friends Forever – sondern durchaus wörtlich zu verstehen. Aufnahmen in sozialen Netzwerken zeigen Tobias Laue noch dieses Jahr mit nachweislichen Bandidos-Mitgliedern, einige legen nah, dass er Rocker in seiner Sicherheitsfirma beschäftigt.
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AfD-Kreisverband lässt viele Fragen unbeantwortet
All das ließ die AfD, allen voran Kreisvorsitzender und OB-Kandidat Alexander von Wrese, unkommentiert. Keine inhaltliche Distanzierung, keine Beantwortung der Frage, wie sich die Mitgliedschaft in einer Vereinigung, die von der Polizei beobachtet wird, vereinbaren lässt mit der Arbeit als Vorstand einer Partei, die sich demokratisch wählen lassen will. Nicht einmal die Frage, seit wann Tobias Laue Mitglied der AfD ist, wurde beantwortet. Aufnahmen zeigen ihn schließlich wenige Wochen vor seiner Wahl zum Vorstand in Bandidos-Kluft.
Stattdessen trat von Wrese nach, beschuldigte zwei Parteimitglieder, die Laues Kandidatur kritisiert hatten, der „schweren Verletzung innerparteilicher demokratischer Grundsätze“, ohne zu erklären, worin diese Verletzung bestanden haben soll. Gönnerhaft gesteht er ihnen eine weitere Mitgliedschaft als „Bewährungsprobe und Nachreifung“ zu.
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Und Laue selbst? Statt den Schneid zu haben, sich zu äußern, ließ er auf einen kurzen Fragenkatalog dieser Redaktion Ralf Höcker antworten, seinen Anwalt. Höcker, selbst früheres Mitglied der erzkonservativen Werteunion, vertrat bereits Jörg Kachelmann, Felix Magath und sogar den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Er gehört zu den bekanntesten Medienanwälten Deutschlands – eine hochkarätige juristische Vertretung für einen einfachen Kommunalpolitiker.
Auf den Fotos der letzten Wahlkampfveranstaltung der AfD in der Innenstadt war Tobias Laue, anders als die Male zuvor, nicht zu sehen. Vielleicht ist es Zufall, vielleicht ist der Mülheimer AfD-Kreisvorstand doch clever genug, sich nicht mit einem Rocker in den eigenen Reihen zu brüsten.