Mülheim. Schon wieder ist Mülheims OB Ulrich Scholten ins Visier von Strafermittlern geraten. Auslöser war unter anderem eine Maut-Rechnung über 13 Euro.
Oberbürgermeister Ulrich Scholten hat schon wieder mit den Ermittlungsbehörden zu tun: Bei der Staatsanwaltschaft Duisburg liegt seit Anfang Juli eine Strafanzeige vor. Ausgerechnet von Scholtens Dienstaufsicht, der Bezirksregierung Düsseldorf.
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Die Staatsanwaltschaft Duisburg bestätigte auf Anfrage dieser Redaktion jene Strafanzeige. Im Kern bestätigte sie auch, was nach dem Ärger um Bewirtungsbelege, Hotel-Abrechnungen und Co. im Jahr 2018 diesmal Gegenstand der Vorwürfe ist: eine private Reise Scholtens nach Italien mit seinem Dienstwagen sowie Unfallschäden an diesem. Beide Sachverhalte kursieren schon außerhalb des Rathauses. Gerüchte sind im Umlauf, deren Wahrheitsgehalt noch zu prüfen sein wird.
Mautrechnung über 13 Euro soll Stein ins Rollen gebracht haben
Vorwurf Nummer eins: „Ein Dienstfahrzeug des Oberbürgermeisters soll im Sommer 2018 ohne dienstlichen Anlass für eine Fahrt nach Italien genutzt worden sein, ohne dass eine Privatfahrt angezeigt worden sein soll“, bestätigt die Staatsanwaltschaft. Aufgefallen sein soll das Ganze informierten Kreisen zufolge, als im Rathaus eine Maut-Rechnung eintrudelte, adressiert aus Mailand und mit einer Forderung von 13 Euro versehen. Zwei Jahre nach Passieren jener Mautstelle wird sie nun Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Vorermittlungen.
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13 Euro, die in der mit 2,1 Milliarden Euro verschuldeten Stadt offenbar die Alarmglocken in der Verwaltung haben schrillen lassen. Mailand, 13 Euro, Scholtens Dienstfahrzeug? Es ist nicht bekannt, ob es den Versuch aus dem Finanzdezernat von Kämmerer Frank Mendack gegeben hat, die Angelegenheit mit dem weiter krankgeschriebenen OB auf kurzem Dienstweg zu klären.
Urlaubsreise mit dem Dienstwagen zur Hochphase der OB-Affäre
Klar ist nur, dass im Rathaus wohl recherchiert worden ist. So soll Scholten im Sommer 2018 privat mit seinem Dienstwagen nach Italien gefahren sein. Er soll jene Privatreise mit dem städtischen Audi A6 aber weder angezeigt noch bezahlt haben. Und das zu jenem Zeitpunkt, als die Affäre um seine Person und seine Bewirtungsbelege auf dem Höhepunkt hitziger Debatten angelangt war. Die Führungskräfte der Stadtverwaltung dürfen ihre Dienstwagen durchaus privat nutzen, müssen dann aber dem Vernehmen nach 30 Cent pro Kilometer an die Stadtkasse zahlen. Das soll Scholten für jene Italien-Reise nicht getan haben.
Weiter offen: Scholtens Zukunft
Unbestätigten Gerüchten zufolge soll ein Amtsarzt den Anfang des Jahres am Herzen operierten OB dauerhaft dienstunfähig geschrieben haben. Stadtdirektor Steinfort wollte sich dazu am vergangenen Freitag nicht äußern und verwies an die Bezirksregierung, der eine entsprechende Anfrage dieser Redaktion vorliegt. Die gleiche Antwort bekam die Redaktion von der Verwaltungsspitze zu der Frage, mit welcher Begründung der OB schon so früh im Jahr auf seinen Dienstwagen verzichtet haben soll. Auch Scholten ging auf die Fragen nicht ein.
Bis zuletzt hatte Scholten offen gelassen, ob er am 13. September als unabhängiger OB-Kandidat auch gegen seine SPD antritt. Die Frist, um eine Kandidatur anzumelden, endet am 27. Juli, 18 Uhr. Bisher sind neun OB-Kandidaturen bekannt: Monika Griefahn (SPD), Marc Buchholz (CDU), Wilhelm Steitz (Grüne), Martin Fritz (BAMH), Amrei Debatin (FDP), Alexander von Wrese (AfD), Andy Brings (Die Partei), Jürgen Abeln und Jochen Hartmann (beide parteilos). Hartmann als Ex-Fraktionschef des BAMH hat im Übrigen zuletzt mitgeteilt, dass er die nötigen 162 Unterstützer-Unterschriften für seine Kandidatur beisammen habe. Als amtierender OB müsste Scholten diese Unterschriften nicht vorweisen.
Vorwurf Nummer zwei, mit dem sich nun die Staatsanwaltschaft auseinandersetzen muss: Der OB soll, obwohl seine Dienstzeit offiziell erst Ende Oktober ausläuft, bereits Anfang Februar seinen Dienstwagen zurückgegeben haben. Später ist mutmaßlich ein Schaden am Fahrzeug aufgefallen, den der OB aber nicht angezeigt haben soll. Die Stadtverwaltung spricht auf Nachfrage von 10.000 Euro Schaden.
Schaden am Dienstwagen: Gutachter soll Scholten als Verursacher sehen
Zu hören ist, dass der OB im Nachhinein angegeben haben soll, es müsse ihm jemand unbemerkt reingefahren sein. Die Stadt soll daraufhin für eine mögliche Strafanzeige gegen Unbekannt und die Schadenregulierung via Versicherung einen Gutachter eingeschaltet haben, um die Reparaturkosten zu ermitteln. Der Gutachter soll jedoch für eine Überraschung gesorgt haben. Sein mutmaßliches Prüfergebnis: Der Fahrer des Dienstwagens soll selbst den Unfallschaden verursacht haben. Auch zu diesem Fall ist nicht bekannt, ob die beim Kämmerer angesiedelte Stelle der Dienstwagen-Verwaltung versucht hat, die Angelegenheit ohne größeres Aufsehen mit Scholten zu regeln.
Klar ist aber: Die Stadt hat die Vorgänge an die Bezirksregierung als Dienstaufsicht für den OB gemeldet. Diese hat nun Strafanzeige gegen Scholten erstattet. Die Bezirksregierung selbst will sich erst am Montag dazu äußern. Für die Stadtverwaltung geben sich Stadtdirektor Frank Steinfort und Frank Mendack zugeknöpft. Als Dienstaufsicht sei die Bezirksregierung zuständig. Die Stadtspitze ließ lediglich wissen, dass die Verwaltung derzeit prüfe, ob sie wegen des Schadens am Dienstwagen Ansprüche gegen den OB geltend machen wird oder eine Regulierung über den kommunalen Schadensausgleich infrage kommt.
„Das ist wohl das Abschiedsgeschenk des Kämmerers für Scholten“
„Ob und gegebenenfalls wem aufgrund dieser Sachverhalte ein strafrechtlich relevantes Verhalten vorgeworfen werden kann, wird derzeit im Rahmen eines Vorermittlungsverfahrens geprüft“, äußerte sich am vergangenen Freitag eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Nur wenn sich ein Anfangsverdacht ergebe, werde gegen Scholten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Die Strafanzeige macht derweil längst im politischen Raum die Runde. „Das ist wohl das Abschiedsgeschenk des Kämmerers für Scholten“, sagt da einer. Kämmerer Mendack hatte 2018 zusammen mit dem ebenfalls auf SPD-Ticket fahrenden, damaligen Sozialdezernenten Ulrich Ernst sowie der SPD-Fraktionsspitze um Dieter Spliethoff und Claus Schindler an der Partei vorbei versucht, OB Scholten zum freiwilligen Rückzug aus dem Amt zu bewegen, weil das Quartett diesem aus vielerlei Gründen die Eignung fürs Amt absprach. Als Scholten sich darauf nicht einließ, informierten Mendack und Co. die Politik über Scholtens mutmaßlich zahlreichen Verfehlungen rund um seine Bewirtungen.
Scholten selbst will zunächst keine Stellung beziehen
Damit war die OB-Affäre in der Öffentlichkeit. Die Staatsanwaltschaft ermittelte schon damals wegen des Verdachts der Untreue, stellte das Verfahren aber Ende August 2019 ein, weil sich ein hinreichender Tatverdacht gegen Scholten nicht erhärten ließ.
Am Sonntagmorgen reagierte auch der OB auf die Bitte dieser Redaktion, Stellung zu nehmen. Per Whatsapp teilte er mit, dass er „zu dem Vorgang derzeit keine Angaben machen kann“. Er werde „in allen etwaig juristisch relevanten Themen wie bisher anwaltlich beraten und gegebenenfalls vertreten“.