Mülheim. Mülheims angezählter OB Ulrich Scholten ist seit Oktober krankgeschrieben. Jetzt sorgt er mit einem Engagement fern des Rathauses für Empörung.

Wie aus dem Nichts ist Oberbürgermeister Ulrich Scholten wieder Gesprächsthema in Rathaus-Zirkeln. Der Grund ist nicht etwa, dass der seit Oktober 2019 krankgeschriebene, affären-behaftete Mülheimer OB ins Rathaus zurückgekehrt wäre. Nein: Während Scholten seinen Job als erster Bürger der Stadt im Wesentlichen weiter ruhen lässt, hat er – als Privatmann – an einer Aufsichtsratssitzung des Mülheimer Wohnungsbaus (MWB) teilgenommen.

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Die Scholten-Gegner sind auf der Palme. Selbst in der schweren Corona-Zeit war der OB abgetaucht, erst spät und nur ein einziges Mal hatte er sich in der aktuellen Krise mit einer Videobotschaft an die Bürger gewandt. Vollkommen abgetaucht sei er, heißt es von manch einer Führungskraft im Rathaus. Mülheim plätschere weiterhin völlig strategie- und führungslos durch die letzten Monate vor der Kommunalwahl.

Aufsichtsratstätigkeit hatte Scholten Rüge eingebracht

Während er nach Herz-OP und Reha weiterhin, aktuell bis Mitte Juni, krankgeschrieben ist, hat Scholten am Dienstag aber die MWB-Aufsichtsratssitzung besucht. Dass er damit in ein dickes Fettnäpfchen treten würde, hätte Scholten bewusst sein müssen. Denn allein seine Aufsichtsratstätigkeit beim MWB hatte ihm im August eine Rüge des Stadtrates eingebracht. Auch seine Dienstaufsicht, die Bezirksregierung, war hellhörig geworden und bat Scholten zum Rapport.

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Scholten hatte seinerzeit entgegen der rechtlichen Bestimmungen weder dem Stadtrat noch der Dienstaufsicht seine private Nebentätigkeit im MWB-Aufsichtsrat angezeigt. Noch dazu hatte sein Engagement bei der Genossenschaft ein Geschmäckle. MWB ist mit der Sparkasse zusammen Investor beim herausragenden Stadtentwicklungsprojekt zur Bebauung des ehemaligen Lindgens-Areals am Kassenberg. Nachdem der Streit zwischen Investoren und Planungsdezernent Peter Vermeulen um den Denkmalwert einzelner alter Fabrikgebäude im Sommer 2017 eskaliert war, erklärte Scholten die Projektkoordination zu seiner Chefsache. Da war er schon MWB-Aufsichtsrat – ohne dies auf offiziellem Wege angezeigt zu haben.

Ulrich Scholten: „Es geht nicht um Geld“

Nun hat Scholten seinen Gegnern mit der Teilnahme an der aktuellen Aufsichtsratssitzung wieder Futter geliefert. Nicht im Rathaus, nicht präsent in der schweren Krisenzeit, aber in den Aufsichtsrat gehen und Aufwandsentschädigung kassieren – diese Kritik geht rum.

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„Es geht nicht um Geld“, auch sei es nur eine kurze Aufsichtsratssitzung gewesen, „es war meine Entscheidung“, rechtfertigte OB Scholten auf Anfrage dieser Redaktion seine Teilnahme. Er sagte, er habe schon vor etwa einem Jahr aus eigenem Antrieb mit der Bezirksregierung vereinbart, keine Aufwandsentschädigungen vom MWB mehr kassieren. Die Bezirksregierung bestätigte das am Freitag. So sei Scholtens Nebentätigkeit beim MWB nach Beamtenrecht auch nicht mehr genehmigungspflichtig. Die erforderlichen Anzeigen nach dem Korruptionsbekämpfungsgesetz habe Scholten zwischenzeitlich gemacht.

Scholten hält unabhängige OB-Kandidatur für sich weiter offen

Dienstaufsicht sieht Scholtens Handeln nicht kritisch

Die Bezirksregierung Düsseldorf als Dienstaufsicht des OB sieht Scholtens private Teilnahme an der MWB-Aufsichtsratssitzung nicht kritisch.

„Für Oberbürgermeister gelten grundsätzlich die allgemeinen beamtenrechtlichen Regelungen. Das bedeutet, dass Beamte auch während einer Dienstunfähigkeit durch Krankheit tätig werden dürfen, wenn die durchgeführte Tätigkeit der schnellstmöglichen Genesung nicht entgegen steht. Dies beurteilt sich individuell in Abhängigkeit von Art und Schwere der Erkrankung“, so eine Sprecherin der Behörde.

Scholten vermag für sich noch nicht sagen, wann und ob er überhaupt vor dem Ende seiner Dienstzeit Ende Oktober ins Rathaus zurückkehren wird. Er sei aber „immer mal wieder im Rathaus“ – zuletzt, um Angelegenheiten der Stiftungen von Stinnes und Augenheilanstalt zu klären. Stadtsprecher Volker Wiebels bestätigte dies. Scholten sei trotz Krankschreibung immer wieder auch für kurze Zeiten im Dienst, um sich etwa in wichtigen Dingen mit seinem Stellvertreter, Stadtdirektor Frank Steinfort, abzustimmen. Längere Sitzungen etwa im Verwaltungsvorstand müsse der OB aber krankheitsbedingt auslassen. Die Leitung des aktuellen Corona-Krisenstabs obliege ohnehin dem Stadtdirektor.

Scholten sagt, dass seine Kraft aktuell nicht reiche für das volle Dienstgeschäft. Seine Reha sei erst seit drei Wochen beendet, ambulant laufe sie weiter. „Ich liege nicht ständig zu Hause im Bett, aber wie es weitergeht, kann ich nicht sagen.“ Eine weitere Frage bleibt offen: ob Scholten im September eine unabhängige OB-Kandidatur auch gegen seine eigene SPD anstrebt, die ihn nicht mehr nominieren wollte. Scholten: „Wir haben ja noch ein paar Wochen Zeit, in denen ich mir darüber Gedanken machen kann.“