Mülheim. Schwieriges Pflaster: der Spielplatz an der Charlottenstraße in Mülheim. Kinder sieht man kaum, Suchtkranke schon. Sind neue Anwohner die Lösung?
Die Diskussion um den immer wieder vermüllten und offenbar auch von Suchtkranken heimgesuchten Spielplatz an der Charlottenstraße reißt nicht ab. Viele Menschen in der Stadt zerbrechen sich den Kopf, wie aus dem Sorgenkind ein Ort für sorgenfreie Kinder werden kann.
Laut Axel Booß, dem Leiter der städtischen Bauaufsicht, schien vor rund anderthalb Jahren eine Lösung nah: Die Stadt hatte dem Eigentümer des großen, an den Spielplatz grenzenden Grundstücks entlang der Parallelstraße eine Bauvoranfrage positiv beschieden. Man hoffte auf zügige Wohnbebauung, „durch die neue Nachbarschaft wäre soziale Kontrolle gegeben“, glaubt Booß. „Doch bislang ist leider nichts geschehen.“
9.30 Uhr, leicht bewölkt, ein Donnerstagmorgen in den Schulferien, tobende Jungen und Mächen aber sind Fehlanzeige auf der Spielfläche. Dafür liegen gleich hinter dem Eingang zertretene Safttüten, ein halber Eierkarton, eine Bierflasche in tausend Einzelteilen.
Dieser Ort ist dreckig, fast schon eklig
Der Müll neben dem Einkaufswagen, den jemand hier einfach geparkt hat, quillt aus dem Eimer. Ein orangefarbener Plastikbeutel voll Unrat fault vor sich hin. Mit jedem weiteren Schritt Richtung angrenzendem Bolzplatz erkennt der Besucher: Dieser Ort ist dreckig, fast schon eklig, alles andere als einladend. In manchen Ecken stinkt es.
Und Spielen lässt’s sich hier auch schlecht: Der Kletterturm ist eingerüstet, von der Schaukel steht nur noch der Rahmen. Zumindest dieser Missstand dürfte bald behoben sein. Laut Sylvia Waage, Leiterin des Grünflächenamtes, werden die Geräte aktuell überarbeitet. Die Kettenglieder der Schaukel und des Klettergerüsts – ein so genanntes Halli-Galli-Karussell – seien verschlissen; „sie könnten reißen“. Man habe handeln müssen, damit sich keine Kinder verletzen, die Verkehrssicherungspflicht gewahrt ist.
Leonhard-Stinnes-Stiftung könnte helfen
„Wir hoffen, dass die Schaukel in den nächsten Tagen wieder eingehängt werden kann.“ Die Finanzierung der Reparatur des Halli-Galli-Karussells hingegen sei noch nicht geklärt, man setze auf Gelder der Leonhard-Stinnes-Stiftung. „Die haben uns bis jetzt immer gerettet“, so Waage.
Unterstützung erfährt die Stadt durch Spielplatzpaten und auch durch die Mülheimer Entsorgungsgesellschaft (MEG), die dort seit einiger Zeit dreimal wöchentlich sauber macht. Selbst das reicht nicht, Sylvia Waage ist mitunter frustriert: „Wir wollen den Spielplatz so gut wie möglich in Schuss halten. Doch wir kriegen da einfach keinen Grund rein.“ So oder so könne man nur immer wieder an die Besucher appellieren, ihren Müll mitzunehmen.
Durch mehrere bewachsene Hügel schlecht einsehbar
Der Abfall ist nicht das einzige, was Muqadus Shah (36) davon abhält, den Spielplatz mit ihren vier Kindern zu besuchen. „Hier sitzen immer so viele Erwachsene rum und die gucken böse.“ Man könne Kinder nicht allein lassen an diesem Ort, der durch mehrere bewachsene Hügel auch schlecht einsehbar ist. „Das ist schade, wir wohnen nur 50 Meter entfernt.“
Anwohnerin Patricia Koenig teilt die Einschätzung. „Es sind viele, die sich hier nicht mehr hintrauen.“ Die 55-Jährige, die die Entwicklung des Spielplatzes seit Jahrzehnten beobachtet – „früher war hier alles picobello“ –, berichtet von „Horden von Männern“, die sich „besaufen“, und von Frauen, die alles zumüllen. „Ich schicke der Stadt immer Fotos, wenn’s hier wieder aussieht wie nach einem Bombenanschlag.“
84-Jährige berichtet von „akutem Drogenhandel“
Ihre Mutter, Herta Koenig (84), berichtet von „akutem Drogenhandel“. Auf dem Spielplatz werde „verkauft und gekifft“. Sie verfolge live aus dem Wohnzimmer, was vor der Tür abgeht.
Augenzeuge unschöner Szenen wird regelmäßig auch Torsten Zimmermann (58), der als Briefträger an der Charlottenstraße und drum herum arbeitet. „In dieser Ecke gibt’s alles. Drogenabhängige und Alkoholiker, die sich einen schönen Tag machen.“ Mit der Hygiene sei es nicht weit her; „hier wird einfach alles hingeschmissen“.
Polizei läuft regelmäßig Streife und kontrolliert den Brennpunkt
Dass die Eppinghofer Grünfläche Brennpunkt ist und sich viele Menschen dort extrem unwohl fühlen, weiß die Polizei seit langem, sagt Sprecherin Judith Herold. „Die Kollegen haben das auf dem Schirm, sind da sehr oft unterwegs, kontrollieren im Umfeld regelmäßig Leute und Fahrzeuge.“ Mal seien Streifen in Uniform im Einsatz, mal in Zivil. Herold setzt trotzdem auch auf Beobachtungen von Besuchern: „Wer ein mulmiges Gefühl hat, sollte sich an Stadt und Polizei wenden.“
In der Verwaltung hofft man derweil weiter darauf, dass sich etwas tut an der Parallelstraße. Zwei Baukörper habe der Eigentümer auf dem besagten Grundstück zwischen Eppinghofer Straße und Charlottenstraße eigentlich angedacht, berichtet Axel Booß. Die Grundrisse seien „clever geplant“, das Ganze „ziemlich pfiffig“ angelegt, so dass zum Beispiel auch der Lärm vom nahen Straßen- und Zugverkehr zu bewältigen sei. „Wir wünschen uns die Realisierung sehr, können das aber nicht beeinflussen.“ Für Booß jedenfalls ist klar: Kommt die angedachte Bebauung, verschwinden die Probleme des Spielplatzes. Die Nachbarschaft werde genau hinschauen – ein Umstand, der sicher auch der Drogenszene nicht gefallen werde.
Ideen, wie sich der Spielplatz auf Vordermann bringen ließe, gibt es viele
Ideen, wie sich der Spielplatz an der Charlottenstraße auf Vordermann bringen ließe, gibt es viele. Für Bezirksbürgermeister Peter Pickert (SPD) ist vor allem der Weg, der diagonal durch die „eigentlich schöne“ Anlage führt und gern als Abkürzung Richtung Hauptbahnhof genommen wird, Wurzel allen Übels.
Grundsätzlich sei ein Spielplatz an dieser Stelle in Eppinghofen „nötiger denn je“. Es gebe im Umfeld unzählige Familien mit Kindern, die ihn gern nutzen würden. Aber da sei nun mal dieser „elendige Dreck“ und jener „leidige“ Durchgang. „Nur wenn dieser gesperrt wird, lässt sich die schwierige Situation vor Ort lösen“, glaubt Pickert. Dann nämlich könnten erwachsenen Menschen, die dort eigentlich nichts verloren haben, Hausverbote erteilt werden – „und den Drogenabhängigen wären die Fluchtwege genommen“.
Vorschlag eins: Den Durchgang über den Spielplatz sperren
Pickert schlägt vor, am Zugang von der Parallelstraße einen massiven Bauzaun aufzustellen – „das ist kurzfristig möglich und preiswert“. Sylvia Waage, Leiterin des Grünflächenamtes, ist von der Anregung wenig überzeugt: „Wir hatten dort ja schon mal einen fest verankerten Zaun und das hat nichts gebracht.“ Vandalen hätten die Absperrung mehrfach rausgerissen und zerstört. Eine Mauer könne schon eher Abhilfe schaffen; „doch die kostet richtig Geld und das haben wir nicht“.
Stadträtin Brigitte Erd (Grüne) ist unweit des Spielplatzes zu Hause und eine der Wenigen, für die die Situation vor Ort „gar nicht so kritisch“ ist. Dass sich in der Grünanlage viele Menschen unterschiedlicher Kulturen träfen, die sonst wenig Raum für sich hätten, könne sie durchaus „akzeptieren und tolerieren“. Und Dealer habe sie an dieser Stelle bislang nicht wahrgenommen. Sie lege da wohl „andere Maßstäbe“ an – und doch müsse im Sinne der Kinder etwas passieren.
Vorschlag zwei: Den Spielplatz auf die Fläche nahe der Parallelstraße verlegen
Erd, die ihre Vorstellung kürzlich im Planungsausschuss vorgestellt hat, hält einen Grundstückstausch für ideal. Werde der Streifen entlang der Parallelstraße nämlich tatsächlich bebaut, würde das „die Aufenthaltsqualität auf dem Spielplatz stark beeinträchtigen“. Auf einer von drei Seiten bebauten Fläche fühle man sich „wie in einer Sackgasse gefangen“. Sie plädiere daher dafür, die vom Eigentümer an der Parallelstraße geplante Bebauung auf der jetzigen Spielplatzfläche zu realisieren – und den Kindern auf der Fläche Richtung Straße ein neues Zuhause zu geben. „Damit wäre eine bessere soziale Kontrolle definitiv gegeben“, sagt Erd.