Der Bürgerliche Aufbruch Mülheim sammelte Unterschriften für eine Polizeiwache in Styrum. Händler und Bürger sehen Negativentwicklung im Viertel.
Jetzt nieselt es wieder. Alexander Kocks, Ramona Baßfeld und Martin Fritz flüchten unter den kleinen grünblauen Schirm des Bürgerlichen Aufbruchs BAMH. Auf einem Platz an der Oberhausener Straße in Styrum werben die drei Lokalpolitiker um Unterschriften. Für eine Polizeiwache im Stadtteil, die nicht nur hier für gefühlte Sicherheit sorgen soll.
„Von hier aus wäre die Polizei auch schnell in Dümpten, Speldorf oder Heißen“, argumentiert Kocks. Über die A 40 sind die nördlichen Stadtteile gut verbunden, ein Standortvorteil. Aber auch ein Argument? 52 Unterschriften kommen an diesem frühen, etwas verregneten Samstagmittag zusammen, „dafür, dass wetterbedingt wenig los war, ganz gut“, wird Kocks es später bewerten.
Ton bleibt sachlich
Doch es geht für den BAMH um mehr. Um mehr sogar als die anstehende Kommunalwahl, in der die Wählergemeinschaft und ihr OB-Kandidat Fritz als bürgernaher Kümmerer auftreten wollen. Der BAMH ist selbst im Aufbruch.
Die rote Karte für ihren ehemaligen Leitwolf Jochen Hartmann im vergangenen Mai hat nicht nur den Spielerwechsel angekündigt, sondern auch die Taktik verändert. Hartmann, der seine politische Laufbahn in der CDU und AfD antrat, sei wegen seiner stark rechten Meinungen innerhalb seiner Partei nicht mehr tragbar gewesen, heißt es aus Kreisen der Wählergemeinschaft, die sich davon distanzieren will: „Die ,Verschissmus-Sache’ war ja noch harmlos.“ So bleiben die Töne am Stand der BAMH für eine Polizeiwache oft sachlich, obwohl sich das Thema Sicherheit in einem Stadtteil mit starker Migrationsgeschichte für reichlich Polarisierung anböte.
Die AfD fuhr hier 2014 eines ihrer höchsten Ergebnisse ein: 5,9 Prozent. In den vergangenen Jahren habe sich die Situation verschärft: Schlägereien, Einbrüche, Überfälle – „viele haben mir gesagt: ,Mach was’“, sagt Kocks, der hier für BAMH antritt und seit zehn Jahren im Stadtteil wohnt.
Er wolle keine Verhältnisse wie in Altenessen, wägt der Politikneuling ab, das sei aber nicht ausländerfeindlich gemeint. Die Nähe zur Autobahn mache den Stadtteil auch anfällig für Kriminelle von außerhalb. Die Polizeiwache könnte mit ihrer Präsenz „abschrecken, kriminell zu werden“. In der Vergangenheit habe Mülheim sein Polizeipräsidium und so an Sicherheit verloren, ergänzt BAMH-OB-Kandidat Martin Fritz, mehr Streifenfahrten im Kiez wären daher für ihn nur die „kleine Lösung“.
Unterstützung habe BAMH für ihren Polizeiwachen-Antrag erhalten – auf Facebook. Die Idee kommt bei Nachfragen in den Geschäften allerdings durchweg gut an. „Das wäre notwendig – ehrlich“, sagt Gök Serdar, der gerade Arbeitspause macht. „Im Viertel läuft einiges, das nicht in Ordnung ist.“ Im Park an der Feldmannstiftung werde gedealt, die Tanke und auch der Tabakladen seien neulich überfallen worden.
Alteingesessene beschreiben Styrum als „heißes Pflaster“
Als „heißes Pflaster“ beschreiben manche alteingesessene Styrumer sogar das Viertel. Das habe sich in den vergangenen Jahren verschärft, seit der Flüchtlingskrise. „Vorher hieß es: ,Unter Dieben beklaut man sich nicht’“, meint eine Frau im halben Scherz. Auch die Schlägereien im Umfeld der Spielhalle und der Bude hätten zugenommen.
Anke Urry vom Sonnenstudio sieht die Sache differenziert: „Ich habe mich in Styrum immer wohlgefühlt.“ Man habe hier um 22 Uhr abschließen und ohne Angst nach Hause gehen können, denn die Nachbarn aus den türkischen Geschäften hatten immer mit ein Auge auf die anderen Läden. „Man kennt sich untereinander.“ Dennoch begrüßt Urry die Idee einer Wache. Denn auch sie nimmt Veränderungen wahr: einen Brennpunkt an der Spielhalle, Schlägereien, Überfälle. „Klar, wir meckern manchmal auch über die Polizei“, aber es sei gut, dass es sie gebe.
Christina Miconi, Jolanta Nalewaja, Christine Großjohann aus dem Friseursalon Iwanowsky finden: „Eine Polizeiwache wäre angebracht und würde abschrecken. Aber wir fühlen uns hier wohl, denn Styrum hat mehr zu bieten als andere Stadtteile: den Nachbarschaftsverein, die Feldmannstiftung. Auch anderswo, zum Beispiel Speldorf, gibt es Unruhe. Den Ärger machen nicht nur ,Ausländer’, Deutsche sind auch dabei.“
Brigitte Grawert (66): „Ich bin für eine Wache. Es passiert zu viel. Ich wohne seit 1987 in Styrum und hatte nie Angst durch den Park zu gehen. Aber inzwischen höre ich von Freunden, dass sich manche auch für kurze Wege lieber ein Taxi nehmen.“