Mülheim. Drei Mal wurde die Leitungsstelle für das Gesundheitsamt Mülheim ausgeschrieben. Immer mit Verlängerung, aber ohne Erfolg. Wo liegt das Problem?

Das Gesundheitsamt ist seit Ausbruch der Corona-Pandemie extrem belastet und oft im Gespräch. Vielfältige zusätzliche Aufgaben stehen an – Diagnosezentrum, Infektionsschutz, Nachverfolgung von Kontaktpersonen, mobiles Abstrichteam. Ein Thema ist demgegenüber in den Hintergrund gerückt: Die Stadt sucht seit fast einem Jahr vergeblich einen neuen Leiter oder eine Leiterin. Ausdrücklich mit ärztlichem Hintergrund.

Anfang Februar 2020 wurde Dr. Georg Ohde in den Ruhestand verabschiedet – er hatte die Amtsleitung mehr als drei Jahrzehnte inne. Bereits am 3. Juli 2019 sei die Stelle zum ersten Mal ausgeschrieben worden, intern wie extern, berichtet der zuständige Dezernent, Marc Buchholz, auf Anfrage. Zwei weitere Runden folgten. Immer noch ist kein Nachfolger in Sicht.

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Nach drei Bewerbungsrunden kein Nachfolger in Sicht

Kürzlich, als der Ausschuss für Gesundheit und Soziales tagte, kam diese Frage wieder auf. Maßgeblich war es Rodium Bakum, SPD-Vorsitzender und selber Arzt, der nachhakte. Buchholz hatte zuvor verkündet, dass Thomas Hecker, zuvor Stellvertreter, das Mülheimer Gesundheitsamt weiterhin und zunächst bis zum Jahresende kommissarisch führen werde. Bakum fragte daraufhin, warum die Stelle überhaupt ausgeschrieben wurde, wenn es bei der vorläufigen Lösung bleiben solle. Buchholz erklärte: „Ich habe vollstes Vertrauen in die Amtsleitung und sehe derzeit keine Veranlassung, daran etwas zu ändern.“ Ärztliches Personal sei schwierig zu finden, das zeigten auch die Erfahrungen aus anderen Städten.

Dezernent: Vollstes Vertrauen in die kommissarische Amtsleitung

Die Hintergründe erläuterte Buchholz jetzt im Gespräch mit dieser Redaktion: Auf die erste, bewusst frühzeitige Ausschreibung habe es eine externe und eine interne Bewerbung gegeben. „Beide verfügten nicht über die Qualifikationen ärztliche Approbation und Weiterbildung im Öffentlichen Gesundheitswesen.“ Auch mehrjährige Leitungserfahrung muss Der- oder Diejenige mitbringen.

Eine zweite Ausschreibung am 9. August 2019 habe gar keine Bewerbung nach sich gezogen, drei kamen, als sie verlängert wurde. Ein Bewerber wurde zum Gespräch geladen, habe aber mit Blick auf Führungskompetenz nicht überzeugen können, so Buchholz. Auch die dritte Ausschreibung im November/Dezember - eine einzige Bewerbung - führte nicht zur Stellenbesetzung. Der kommissarische Leiter Thomas Hecker wolle das Amt nicht dauerhaft führen, habe sich demnach nicht beworben, lässt Buchholz durchblicken. Gleiches gilt für Dr. Damir Puac, der auch nur zeitweise die Position des Stellvertreters erfüllen möchte.

Rund 75 Beschäftigte

Insgesamt rund 75 Beschäftigte hat das Mülheimer Gesundheitsamt, davon sind elf Ärztinnen und Ärzte verschiedener Fachrichtungen (u.a. Pädiatrie, Umweltmedizin, Zahnmedizin).

Außer der Amtsleitung gibt es momentan nach Auskunft der Stadt kaum Vakanzen. Nur eine halbe Stelle in der Verwaltung sei unbesetzt.

Vor knapp vier Jahren hatte der damalige Leiter des Gesundheitsamtes, Dr. Georg Ohde, Alarm geschlagen, weil zwei Kinderärzte fehlten. Er sah die Schuleingangsuntersuchungen gefährdet, hatte aber auch eine plausible Begründung für das mangelnde Interesse: Im Krankenhaus würden Mediziner monatlich 800 bis 1000 Euro mehr verdienen als in städtischen Diensten, rechnete Ohde damals vor.

Jahresgehalt von maximal 92.414 Euro offenbar nicht attraktiv genug

Inzwischen sind diese Vakanzen zwar besetzt, doch das grundlegende Problem dürfte weiterhin bestehen. Die Leitungsstelle des Mülheimer Gesundheitsamtes ist eingruppiert nach 15 Ü TVöD-VKA, das entspricht aktuell einem Jahresgehalt zwischen 71.325 und 92.414 Euro, „je nach einschlägiger Berufserfahrung“. Offenbar ist diese Summe vielen nicht attraktiv genug. Möglichkeiten zur Aufstockung habe die Stadt nicht, heißt es. Aber das Problem liegt auf der Hand: „Wenn ich sehe, was ein erfahrener Facharzt woanders verdienen kann…“, so Buchholz. „Da braucht es für den öffentlichen Dienst schon eine besondere Motivation.“

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An Motivation fehlt es offenkundig nicht im Team des Mülheimer Gesundheitsamtes. Nicht nur der Dezernent bescheinigt den Mitarbeitern in der Corona-Krise eine tolle Leistung. Dies gilt insbesondere auch für ein weiteres Mitglied des aktuellen Führungstrios: Dr. Frank Pisani, Abteilungsleiter für den Infektionsschutz. Was Pisani nicht vorweisen kann, ist eine ärztliche Approbation. Er hat seinen Doktortitel als Mikrobiologe erworben.

Erneute Ausschreibung erst nach der Kommunalwahl

Um auf die vakante Amtsleiterstelle zurückzukommen: Frühestens im Herbst, also nach der Kommunalwahl, soll es eine erneute Ausschreibung geben, kündigt Dezernent Marc Buchholz an: „Wenn wir tatsächlich keinen geeigneten Bewerber finden, dann müssen wir neu überlegen.“

Inzwischen ist Buchholz offiziell als OB-Kandidat der CDU nominiert. In seiner Bewerbungsrede vor Parteimitgliedern hat er Veränderungen im Gesundheitsamt in Aussicht gestellt: Mit Hilfe der versprochenen Bundesunterstützung wolle er als Oberbürgermeister „dieses wichtige Amt neu ausrichten“, kündigte Buchholz an. Künftig solle es „Hygiene- und Gesundheitsamt“ heißen und den zusätzlichen Schwerpunkt nicht nur im Namen tragen. Dass sich dadurch auch für die Leitungsposition neue Möglichkeiten ergeben, liegt nahe.