Mülheim. Eine gewitzte Dame hat der Polizei in Mülheim binnen neun Monaten zum dritten Mal geholfen, Trickbetrüger zu fassen. Sie erzählt, wie das war.
So leicht ist sie nicht zu beeindrucken: Auch richtige Polizisten können es bei Frau M. (Name der Redaktion bekannt) schon mal schwer haben. Zehn Minuten habe er gebraucht, erzählt Polizeisprecher Peter Elke von seinem ersten Telefonat, um die Seniorin von seiner Echtheit zu überzeugen. Elke muss lachen. Falsche Polizisten dagegen erkennt die echte Oma schnell. Mit der Unterstützung der 76-Jährigen hat die echte Polizei drei Trickbetrüger hinter Gitter bringen können. Es war schon das dritte Mal binnen neun Monaten, dass die Seniorin mit Hilfe ihrer Familie die entscheidende Vorarbeit für die Ermittler leistete. „Miss Marple von Mülheim“ - so nennen sie die 76-Jährige inzwischen bei der Polizei.
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Optisch hat Frau M. mit der von Margaret Rutherford in den alten Schwarz-Weiß-Filmen verkörperten Krimi-Figur wenig gemein. Zierlich ist die Frau aus Mülheim, ein wenig schüchtern. Aber listig ist sie, und das wäre dann doch eine Gemeinsamkeit mit der Agatha-Christie-„Ermittlerin“. So erzählt die 76-Jährige, wie das gewesen ist am vorvergangenen Donnerstag, als in den Mittagsstunden das Telefon klingelt und sich ein Unbekannter mit „Hier ist die Polizei“ meldet: Sie sei sofort stutzig geworden, sagt M.: „Ich hatte das ja schon zweimal hinter mir.“ Der Anrufer berichtet von Straftaten in der Nachbarschaft, fragt nach Wertsachen im Haus, die nun gesichert werden sollten. „Ich habe ja gar nichts“, sagt M. im Gespräch mit der Redaktion, „nur eine kleine Rente.“ In einer Schneiderei hat sie früher gearbeitet. Dem falschen Polizisten aber flunkert sie vor, 50.000 Euro zu haben, versteckt im Schlafzimmer.
Mutmaßliche Trickbetrüger sitzen in Untersuchungshaft
Es wird ein langes Telefonat mit dem falschen Polizisten, mehr als zwei Stunden dauert es, erinnert sich M.: „Der hat mich ganz lange hingehalten. Ich durfte nicht auflegen.“ Die redeten so lange, bis der „Abholer“ komme, erklärt Polizeisprecher Elke. M. lässt sich ein auf das Gespräch, erzählt von ihrem vor Jahren verstorbenen Mann und von ihren angeblich woanders lebenden Töchtern, zu denen sie angeblich keinen Kontakt mehr habe. „Ich habe alles Mögliche erzählt“, sagt sie Tage später.
Während des Telefonats zieht sie ihren mit im Haus lebenden Enkel Jannis hinzu. Der alarmiert über sein Handy die echte Polizei, die nun mithören kann, ohne dass der Betrüger das mitbekommt. Tatsächlich hält die Seniorin nun den Anrufer hin, während sich die Beamten sortieren und Jannis über sein Mobiltelefon coachen.
Das Geld solle sie in einen Schuhkarton packen und auf einen Tisch im Garten stellen, fordert der Anrufer. Doch statt Scheinen packt M. ein altes T-Shirt und ein Paar Strümpfe hinein. Als der Abholer kommt, geht alles ganz schnell: Jannis beobachtet aus dem Garten, wie sich ein Mann den Karton schnappt und nicht mal reinsieht. Frau M. ist im Haus. Der Abholer läuft die Straße herunter, öffnet den Karton, wirft die Strümpfe noch in einen Vorgarten, dann greifen Zivilkräfte zu. Auf der Mannesmannallee in Mülheim kann die Polizei noch zwei mutmaßliche Komplizen festnehmen. Die drei 30, 32 und 38 Jahre alten kroatischen Staatsbürger sitzen inzwischen in Untersuchungshaft. Nachdem die Polizei den Fall publik gemacht hat, steht das Telefon bei der 76-Jährigen nicht still. „Warst du das wieder?“, so hätten ihre Bekannten reagiert, erzählt M.
Seniorin schaut gerne „Vorsicht, Falle!“ und „Aktenzeichen XY“
Wieder. Wie im September des vergangenen Jahres, als die Seniorin zum Schein auf die Forderungen einer angeblichen Tochter einging. Oder im März dieses Jahres, als sich eine vermeintliche Nichte am Telefon meldete, die M. gar nicht hat. In beiden Fällen klickten kurz darauf die Handschellen. Beim zweiten Mal half die Tochter bei der „Überführung“. „Alleine“, sagt M., „könnte ich das nicht machen.“
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Polizeisprecher Elke hat die Seniorin und ihren Enkel in der vergangenen Woche im Streifenwagen zur Mülheimer Wache gebracht. Dort gibt es für die beiden Hobby-Detektive Präsente, Blumen und warme Worte von Leiter Alexander Prim, der seinen „sehr, sehr großen Dank“ ausspricht: „Sie leben das vor, dass wir gemeinsam dafür da sind, dass es in Mülheim sicher ist.“ Die Seniorin ist sichtlich gerührt. Jannis winkt nun die Aussicht auf einen Praktikumsplatz bei der Polizei. Es wäre ein Job, den sich der 17-Jährige vorstellen könnte.
Falsche Polizisten machen in Essen große Beute
Selten enden solche Fälle so glücklich wie dieser. Am gleichen Tag, an dem die Trickbetrüger bei Frau M. in Mülheim scheiterten, machten Kriminelle in Essen große Beute. Falsche Polizisten nahmen zwei betagteren Männern in Rüttenscheid und Bredeney 50.000 beziehungsweise 200.000 Euro ab. Von den Tätern fehlt jede Spur.
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Die 76-Jährige glaubt, dass sie darauf nicht reinfallen könne: „Sollen die mal bei mir anrufen...“ „Vorsicht, Falle!“ und „Aktenzeichen XY“ schaut sie gerne im Fernsehen und, ja, auch die alten Miss-Marple-Filme „gucke ich immer“. Nach dem Anruf der falschen Nichte im März habe sie gedacht, dass das nicht wieder passiere, sagt die Seniorin. Der Polizei helfen würde sie aber auch noch ein viertes Mal. „Wenn noch mal einer anruft, dann kann ich das wieder machen. Auflegen kann ich immer noch.“