Mülheim. Der erste Tag der Öffnung hat für Mülheims Restaurants noch keinen Befreiungsschlag gebracht. Einige können nur 30 Prozent ihrer Tische nutzen.
Der erste Tag der Öffnung ist für einige Mülheimer Gastronomien noch nicht der ersehnte Befreiungsschlag geworden. Die Gäste sind nur zögerlich an die Theken und Tische gekommen.
Rafael Dreyer, Chef im Manducare am Ruhrufer, hat mit einem zaghaften Anfang schon gerechnet: „Die Öffnung ist eigentlich noch zu früh. Es rechnet sich außerdem kaum. Wir machen aber auf, um zu sagen: Wir sind wieder da.“
Mülheims Gastronomie: Der große Run bleibt aus
Denn wer nicht wieder öffnet, ist vielleicht auch nach der Krise „vom Tisch“ – das treibt die Gastronomen an. So wie der Uerige Treff, der nach 16 Jahren in der Altstadt den Schlussstrich gezogen hat. Chef Uwe Mühlenfeld wird seinen Laden hier nicht weiterführen. Eine Nachfolge ist unklar.
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Gespräche und Stichproben in Gastronomien vor Ort bestätigen Dreyers Eindruck. Gut sieben Gäste sind gegen 19 Uhr in seinem Burgerladen, in der Mausefalle am Kirchenhügel ist es nicht viel anders: Hier sind es elf. Im Franky’s Wasserbahnhof zählt man zwei Reservierungen und vier bis zum Wochenende. Geschäftsführer Richard Reichenbach hofft deshalb auf noch mehr Laufkundschaft auf der Schleuseninsel. „Wir haben endlich wieder auf, aber ich glaube, dass der große Run ausbleiben wird.“
Coronaschutzverordnung: Notwendig, aber ungemütlich
Das liegt nicht nur an der Vorsicht der Gäste, sondern auch an den Vorgaben der neusten Coronaschutzverordnung, die notwendig sind, aber wenig Gemütlichkeit erzeugen: Hände beim Eintritt desinfizieren, keine Platzwahl – man wird abgeholt, am Tisch muss man seinen Namen angeben, eventuell auch die Adresse und Telefonnummer. Das dient der Nachverfolgung erläutert Hendrik Peek, Chef der Mausefalle.
Außerdem muss man per Unterschrift versichern, dass man nicht an den Covid-19-typischen Symptomen leidet wie Fieber, Husten, Atemnot und auch nicht unter Quarantäne steht. Manche schreckt es schon ab, ihre Daten weiterzugeben, andere haben Verständnis.
Corona: 17 Vorschriften für Gastronomen
Peek zeigt außerdem den Anhang zur Schutzverordnung für Gastronomen mit 17 Vorschriften. Kein Besteck offen an den Tischen, Kontaktflächen, Gewürzspender und Tischdecken sind nach jedem Gast zu reinigen – inklusive Speisekarte. Im Manducare verzichtet man deshalb auf das Laminieren der Karte und nimmt Einwegkarten – schweren Herzens, sagt Dreyer, denn das Manducare hat sich der Nachhaltigkeit verpflichtet.
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Anfänglich galt auch eine Maskenpflicht für Gäste im Lokal, solange man nicht an seinem Tisch sitzt. Doch das ist offenbar im Laufe des Montags aufgehoben worden. Und natürlich sind die Abstände einzuhalten. So ist prinzipiell jedes Fleckchen am Boden und Wänden mit Hinweisen beklebt: Linien markieren die Fläche, die Gäste entlang laufen dürfen, Pfeile zeigen ihnen den Weg zur Toilette, andere Pfeile wiederum den Weg zurück, um 1,5 Meter Distanz auch einhalten zu können. Und natürlich sind Eingang und Ausgang voneinander getrennt.
Die einen können damit nur schlecht leben: Gut 50 Prozent der Plätze hat etwa das Manducare so verloren. Die anderen noch schlechter, weil sie nur noch ein Drittel ihrer Tische anbieten können. Hendrik Peek müsste seine Besucher schon im Entengang durch die Mausefalle trapsen lassen, um mehr Tische aufmachen zu können.
Hoffen auf ein Gastronomie-Hilfspaket
Appell der Dehoga
Die Hotel- und Gastro-Gewerkschaft Dehoga appelliert indes an ihre Mitglieder, „im eigenen Interesse die Hygieneregeln strikt umzusetzen und die Gäste zu zwingen, diese einzuhalten!“ Auch wenn man der Verband manche Regel „nicht gut findet“.
Ziel müsse es sein, „die Betriebe, die bereits jetzt öffnen dürfen, dauerhaft geöffnet zu halten und für die Betriebe, die im Moment noch geschlossen sind, baldmöglichst die Öffnung zu erreichen – möglichst für alle am Ende ohne Einschränkungen.“
Die Sorge um einen zweiten Shutdown sitzt tief: „Wir wissen, dass die letzten acht Wochen für die meisten von Ihnen die wirtschaftlich härtesten Ihrer Selbstständigkeit waren, und jetzt die kommende Zeit ähnlich schwierig wird, vielleicht bei manchen mit ungewissem Ausgang. Wenn es uns aber nicht gelingt, unseren Beitrag dazu zu leisten, dass die Infektionszahlen niedrig bleiben, droht ein weiterer und vielleicht sogar längerer Shutdown. Wir alle wissen, was das heißt!“
Auf Mitleid wolle er nicht machen, meint Peek, aber er müsste wegen der bisherigen Verluste schon jetzt jedes Wochenende ein volles Haus fahren, um die Beschränkungen kompensieren zu können. Im Franky’s sieht Reichenbach das nicht anders: „Jede Branche hat derzeit Probleme, auch wir hoffen auf ein Gastronomie-Hilfspaket.“ Sieben Prozent Mehrwertsteuer – statt wie bisher 19 – auf Speisen und Getränke über drei Jahre.
Und die Gäste? Die, die kommen, freuen sich über die Öffnung. So wie Pia und Christian Scholz am Montagabend. „Wir haben heute unseren ersten Hochzeitstag“, strahlen beide. Ein Glücksfall, dass ausgerechnet heute die Lokale öffnen. Die Vorschriften haben sie nicht abgeschreckt. Man müsse sich eben darauf einlassen. Auch unsicher fühlen beide sich nicht: „Ich habe Vertrauen, dass die Vorschriften eingehalten werden und uns schützen“, meint Pia Scholz.