Mülheim. Als die Amerikaner vor 75 Jahren in Mülheim-Saarn einmarschierten, durchsuchten sie Keller und Schulen. Sie machten Fotos in Naziuniformen.
Viele unserer Leserinnen und Leser haben sich an die Zeit vor 75 Jahren erinnert, als die Amerikaner in Mülheim einmarschierten. Sie brachten nach fünf Jahren sinnlosen Kriegs und vieler Entbehrungen endlich den ersehnten Frieden. Die meisten haben gute Erinnerungen an die GIs. Einige schildern, dass die Besatzungstruppen auch hart vorgingen, wenn die Menschen nicht nach ihren Kommandos „tanzten“. „Es waren nicht nur Schokolade und Kaugummi. Wir mussten den Soldaten auch die Schuhe blank wienern. Und wenn das nicht gut genug war, sind sie extra wieder durch den Schlamm gelaufen, um uns mit weiterem Schuhputzen zu schikanieren“, schreibt eine Mülheimer Leserin.
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Gleich zwei Leser haben angerufen und ihre Erlebnisse aus Saarn geschildert. Fotos aus der Zeit des Kriegsendes haben sie nicht. Es war verboten, Aufnahmen zu machen. Nur die Amerikaner durften fotografieren. Trotzdem haben einige Mülheimer, wie Willi Neuhoff oder Fritz Zorn, heimlich Bilder gemacht.
Zeitzeuge aus Mülheim: „Ich habe zum ersten Mal einen Schwarzen gesehen“
„Die Amerikaner kamen über die Düsseldorfer Straße. Zuerst kam ein Jeep mit einer aufgebauten Maschinenpistole. Das war das erste Mal, dass ich einen Schwarzen gesehen habe“, schildert Manfred Reck. „Ich war damals fünf Jahre jung, stand auf dem Klostermarkt und habe geschrien: ,Die drehen uns die Hälse um!‘ So tief hatten die Erwachsenen uns schon die Abneigung eingebläut.“
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Die Familie Warth holte ihn vom Platz in ihr Geschäft. „Es war noch bis Anfang der 1970er Jahre am Klostermarkt. Die Soldaten bogen mit mehreren Mannschaftswagen nach links ab und durchsuchten die Klostermarktschule nach versteckten Wehrmachtssoldaten. Dort fanden sie keine“, erinnert sich der Saarner.
Mülheimer tranken mit Amerikanern auf dem Kassenberg Wein
Weiter fuhren die Amerikaner in die Landsberger Straße. Dort gab es einen Bunker. Der wurde erst in den 1980er Jahren abgerissen, für die Erweiterung des katholischen Jugendheims. „Dort wurden die US-Soldaten sofort fündig. Sie trieben die Wehrmachtssoldaten vor sich her. Diese warfen alles ab: Pistolentaschen, Patronen. Wir Kinder sammelten die Sachen samt Munition ein. Die Amerikaner störte das nicht.“
Die Familie Allekotte, die mit der Recks befreundet war, „rief bei uns an, dass sie mit den Amerikanern auf dem Kassenberg Wein getrunken hätten. Das seien alles sehr nette Soldaten. Wir bräuchten keine Angst zu haben“, erinnert sich Manfred Reck.
Beweisfotos für die Familie zu Hause
Er wohnte damals mit seiner Familie im Haus Kölner Straße 13. Kurz nach dem Einmarsch seien Amerikaner in das Nachbarhaus, beim Bauunternehmer Ordnung, an der Kölner Straße einquartiert worden. Die schauten immer aus dem Fenster. „Wir Kinder haben nach Schokolade gefragt. Meistens haben sie uns welche zugeworfen.“
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Als die Amerikaner das Haus der Familie Meisenburg (Düsseldorfer Straße) durchsuchten, fanden sie Hakenkreuzfahnen und mehrere Naziuniformen. „Damit ließen sie sich auf der großen Wiese vor dem Kellermannshof ablichten. Heute steht dort das Autohaus Wolff. Einer nach dem anderen zog die braunen Uniformen für den Fotografen an. Das waren wohl die Beweisfotos, dass sie in Deutschland waren“, vermutet Manfred Reck.
"Amerikaner waren freundliche Leute"
„Ich habe gute Erinnerungen an die Amerikaner. Es waren freundliche Leute. Die Erwachsenen waren froh, dass der schlimme Krieg endlich vorbei war. Wir Kinder waren unbeschwerter, haben erst später begriffen, was vorher alles Schreckliches passiert war“, endet Reck.
Karl Schulze wohnte 1945 ebenfalls in Saarn. Auch von der Mendener Brücke sind die Amerikaner vorgerückt und weiter vom Klostermarkt in die Landsberger Straße. „Wir Kinder haben damals von ihnen Waldmeisterdrops, Schokolade und einen Fußball bekommen und haben damit auf der Straße gespielt.“
Tiefflieger schossen auf alles
Das nächste Ziel der GIs sei Dicken am Damm gewesen. „Dort lag der Volkssturm. In den Wochen davor haben Tiefflieger auf alles geschossen, was sie in den Wiesen zwischen Auberg und Ruhr bewegte“, erinnert sich Karl Schulze. Danach fuhr die Eisenbahn dort nicht mehr.
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Am 6. April 1945 wurde Karl Schulze sieben Jahre jung. Eine Geburtstagsfeier für Kinder gab es im Krieg nicht. „Am 9. April kamen am Mittag die Amerikaner. Danach wurde es in der Gegend sofort ruhiger. Zwei Monate später übernahmen die Engländer das Kommando in ihrer Besatzungszone.“
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