Mülheim. Das Radfahren auf dem Mülheimer Leinpfad zwischen Mendener Brücke ist verboten. Viele Radfahrer ignorieren das. Jetzt gab es 52 Verwarnungen.
67 Frauen und Männer sind am Donnerstagvormittag innerhalb einer guten Stunde über den Leinpfad gefahren – obwohl das Radfahren dort eindeutig verboten ist. Auf ihr Fehlverhalten angesprochen, treten die meisten wortlos weiter in die Pedale oder zeigen den Vogel.
Ein Ehepaar empört sich gar: „Warum sollen wir über laute Straßen fahren, wo Autofahrer uns schneiden. Der Weg am Wasser ist breit genug. Sollen doch die Fußgänger zur Seite springen.“ Einige Meter weiter ist eine Seniorin noch völlig aufgeregt. „Da hat mich gerade einer mit seinem Ellenbogen gerammt und ist einfach weitergefahren. Er hat mein Rufen ignoriert.“ Beobachtungen, Zufallsszenen oder tägliche Rücksichtslosigkeit? Am Nachmittag kontrollierte das Ordnungsamt auf dem Leinpfad und sprach 52 Verwarnungen aus, inklusive 25 Euro Busgeld. Ein Lagebericht.
Höfliche Radfahrer bedanken sich
Wer über den Kahlenbergweg durch die Ruhrauen geht, dem kommen ständig Radfahrer entgegen. Am linken Ruhrufer wird der Weg zur Kahlenbergbrücke schmaler. Dort nutzen Radler häufiger die Klingel. Nur die höflichen bedanken sich beim Überholen für das Ausweichen bei den Fußgängern.
Den Anstieg zur Wehrbrücke nehmen die meisten Radler mit Schwung und fahren flott über den engen Weg zwischen den Geländern. Weil der Weg dort nicht breit genug ist, ist Radfahren dort verboten, obwohl die Strecke als Radweg ausgewiesen ist. Ein Sonderfall. Nur etwa 20 Prozent steigen in einer knappen Stunde Beobachtungszeit ab und schieben ihren Drahtesel. „Machen Sie doch mal Platz“, ruft eine Pedalritterin, als eine Fußgängerin sich zu den Enten über das Geländer lehnt.
Schilder zeigen eindeutig Radfahrverbot
Hinter der Kahlenbergbrücke zweigt nach rechts die Florabrücke zur Dohne ab. Bleib links auf dem Gehweg“, ruft ein Mann seiner vorausfahrenden Partnerin zu. „Das geht nicht“, sagt sie. „Das ist egal, ein paar Meter weiter kommt die Abfahrt zum Leinpfad“, weiß er. Zwischen den Häusern Dohne 78 und 76. Eine weitere Zufahrt liegt neben dem ehemaligen Wasserwerk.
Ein Radler mit kräftigen Armen packt an der Flora sein Zweirad und trägt es die Treppe herunter. Unten steigt er wieder in den Sattel und fährt weiter Richtung Mendener Brücke. Erlaubt ist das nicht, wie Schilder eindeutig zeigen.
Gefährliche Begegnungen mit Beschimpfungen
Unten auf dem Pfad zwischen Böschungsmauer und Schleusenkanal bahnen sich Radler in Schlangenlinien zwischen den Fußgängern ihren Weg. Viele Fußgänger regen sich auf über die schelle Fahrweise. „Die brausen hier lang, als wollten sie das Zeitfahren der Tour de France gewinnen“, schimpft ein Rentner und zieht seine Frau schützend zur Seite. Eine Fünfergruppe braucht nur vier Sekunden für die Begegnung. Wenige Meter weiter hört man sie wild klingeln.
100 Meter vor dem Thyssenteich schreckt eine Mutter zusammen.
Ein Radler überholt sie mit ihrem Kinderwagen ohne Vorwarnung. Wenige Minuten später radelt ihr ein Senior entgegen und fordert: „Machen sie Platz, sie sehen doch, dass es hier eng ist.“ Die Mutter steht schon mit dem Rücken zum Zaun und umklammert den Kinderwagen. Nachfolgende Fußgänger schütteln wortlos die Köpfe.
Ausweichroute über Dohneinsel und Ruhraue
Am Nachmittag sind Einsatzkräfte des Ordnungsamtes auf dem Leinpfad unterwegs. Ihre Kontrollen hatten sie vorher angekündigt. Zwischen 14 und 16 Uhr sprechen sie 52 Verwarnungen aus. Die Hälfte der Radler ist einsichtig, einige fragen auch nach einer legalen Ausweichstrecke. „Auf der anderen Ruhrseite über die Dohneinsel“, lautet die Antwort.
Die andere Hälfte der Radler ist sauer, zückt nur widerwillig das Portemonnaie, um die fälligen 25 Euro Verwarnungsgeld zu berappen. Andere müssen ihre Personalien bekannt geben und bekommen den Bußgeldbescheid demnächst mit der Post.
Kontrolleure hatten keine Schutzmasken
Nahe der Mendener Brücke stand gleich ein „Quartett in Blau“ und kontrollierte. „Weil uns Fußgänger gewarnt hatten, sind wir abgestiegen und wollten umkehren. Die kamen uns gleich hinterhergelaufen und haben uns leicht beschimpft“, schildert eine Essener Radlerin am späten Nachmittag dieser Zeitung. „Die Herren kamen uns sehr nah, hatten auch keinen Mund- und Nasenschutz. Das finde ich nicht korrekt. Ich könnte nun mit Coronaviren infiziert sein.“
„Bei den Fußgängern ist die Reaktion auch geteilt“, erklärt Stadtsprecher Volker Wiebels nach dem Einsatz des Ordnungsamtes auf dem Leinpfad. „Die eine Hälfte fühlt sich von Radfahrern belästigt und will strikte Fahrverbote auf allen Wegen an der Ruhr. Die anderen sagen: ,Lass die doch fahren, das geht schon gut.’“