Mülheim. Hunderte Jugendliche in Mülheim suchen noch einen Ausbildungsplatz. Leider haben viele Firmen wegen der Corona-Krise gerade ganz andere Sorgen.
Die Chefin eines Mülheimer Hotels klingt am Telefon gedämpft. Auf die Frage, ob sie im August Platz für neue Azubis hat, sagt sie: „Sonst bilden wir immer aus, aber in diesem Jahr sind wir raus. Wegen Corona.“ Der Name ihres Hauses soll nicht genannt werden. Dabei ist dies kein Einzelfall.
Die Corona-Krise löst massenhaft Kurzarbeit aus, lässt die Arbeitslosenzahlen in die Höhe schnellen, bringt viele Firmen in Existenznöte. Auch den Ausbildungsmarkt wird es treffen - wie schlimm, weiß allerdings noch niemand.
Vor allem im Einzelhandel werden noch Azubis gesucht
Nach aktuellen Zahlen der Arbeitsagentur sind momentan - Ende April - noch 372 junge Leute in Mülheim ohne Ausbildungsplatz, Studium oder andere Anschlusslösung. Im Vorjahr gab es 115 unversorgte Bewerber mehr. Auf der anderen Seite stehen derzeit 673 unbesetzte Ausbildungsstellen, drei weniger als im April 2019. Vor allem im Einzelhandel, im kaufmännischen Bereich und im medizinischen Sektor wird noch Nachwuchs gesucht.
„Aktuell ist die Anzahl der freien Ausbildungsstellen nur leicht gesunken“, stellt Jürgen Koch fest, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Oberhausen/Mülheim. Doch er befürchtet, dass die Probleme erst noch kommen: „Es kann gut sein, dass wir bis September noch etliche Stornierungen bekommen“, meint Koch. Viele Betriebe seien aufgrund der Corona-Krise damit beschäftigt, ihre finanzielle Existenz zu sichern. „Viele werden sagen, wir setzen in diesem Jahr mit der Ausbildung lieber aus.“
Handwerksbetriebe: Ausbildung nicht aus den Augen verlieren
Im Bereich des Handwerks könnte es vor allem die Friseure treffen, deren Salons wochenlang geschlossen waren, glaubt Barbara Yeboah, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft. „Dort sind die Umsätze völlig eingebrochen - und Ausbildung kostet Geld.“ Bislang habe sie bei der Anzahl der gemeldeten Lehrstellen aber noch keinen Einbruch festgestellt. Yeboah hofft, dass es trotz der Corona-Krise so bleibt, „dass die Handwerksbetriebe die Ausbildung nicht aus den Augen verlieren“.
Viele Jugendliche ziehen sich zurück
Im Mülheimer U25-Haus, das junge Leute auf dem Weg in eine Ausbildung unterstützt, spürt man die Auswirkungen der Corona-Flaute bereits deutlich. „Wir merken, dass Ausbildungsstellen nicht mehr in Hülle und Fülle gemeldet werden“, sagt Anke Schürmann-Rupp, Leiterin der Sozialagentur Mülheim, zu der das U25-Haus gehört. Auch die Jugendlichen ziehen sich auffällig zurück. Aktuell betreut das U25-Team nur 50 Bewerber, die ausbildungsfähig und -willig sind, einen klaren Berufswunsch haben. Vor einem Jahr waren es 97 junge Leute. Fast doppelt so viele.
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Das ist fatal, gerade um diese Zeit im Jahr. „Oft wissen die Schulabgänger bis zuletzt nicht, was sie machen möchten“, berichtet Schürmann-Rupp. „In diesen Wochen passiert immer noch ganz viel. Durch die Schulschließungen wird aber die extrem wichtige Arbeit der Übergangsberater erschwert. Denn der persönliche Kontakt fällt weg.“
Ab sofort wieder Beratungsgespräche im U25-Haus - aber nur mit Termin
Ihre Mitarbeiter im U25-Haus halten den Kontakt zu Bewerbern in Corona-Zeiten per Telefon, E-Mail oder klassisch per Post. Im Laufe dieser Woche wird es im Jobcenter und im U25-Haus auch wieder persönliche Beratungsgespräche geben, allerdings nur nach Terminvergabe.
Berufsberatung live auf Youtube
Die Agentur für Arbeit hat ein neues digitales Angebot für Schulabgänger gestartet - speziell für die Corona-Zeit.
Jugendliche können Fragen an Berufsberater schicken, diese werden dann live auf Youtube beantwortet. Das Angebot findet man auf Youtube unter #Zukunftklarmachen.
Die nächste Livetermine sind am Donnerstag, 7. Mai, um 16 Uhr, und am 14. Mai um 17 Uhr.
Auch die Berater der Arbeitsagentur haben es momentan schwer, an künftige Azubis heranzukommen, „da wir die jungen Leute in den Schulen nicht erreichen können“, so Jürgen Koch. Veranstaltungen wie Ausbildungsmessen sind ersatzlos gestrichen. Kontakte zu den Berufsberatern laufen auf digitalem Wege oder telefonisch.
Besonders drastisch ist die Krise im Gastgewerbe, wo etliche Betriebe seit Mitte März kaum noch Einnahmen haben. „Viele werden sicher Ausbildungsstellen streichen“, vermutet Jörg Thon, Restaurantbetreiber und Vorsitzender des Dachverbandes Dehoga in Mülheim. Er persönlich plant ab Spätsommer mit zwei neuen Azubis. „Corona ist irgendwann zu Ende“, sagt der Gastronom, „und dann sind wir auf unsere jungen Leute angewiesen.“