Mülheim. Die Mülheimer Verbraucherberatung warnt vor Firmen, die am Telefon Kanalprüfungen anbieten: Das angeblich kostenlose Sonderangebot ist gar keins.
Offenbar sind auch in Mülheim verstärkt Firmen unterwegs, die an der Haustür unseriöse Angebote für eine Kanalreinigung und eine spätere überteuerte Sanierung machen. Die Mülheimer Verbraucherberatung warnt dringend davor, sich von scheinbar kostenlosen Kanalüberprüfungen locken zu lassen.
Die Verbraucherberatung Mülheim an der Leineweberstraße wurde hellhörig, als in der vergangenen Woche gleich drei Bürger an einem Tag in der Sache Rat suchten. „Das war ein Grund für uns, mal nachzuhaken“, so Verbraucherberaterin Ariane Jessen. „Was bei uns ankommt, ist ja nur die Spitze des Eisbergs.“ Kanalsanierungsfirmen bieten, so die Verbraucherschützer, derzeit im Stadtgebiet Mülheim und auch in der Umgebung unaufgefordert am Telefon Kanalprüfungen an, die angeblich kostenlos sind. Doch Jessen warnt: Die Firma werde die tatsächlichen Kosten für eine solche Kanalsichtung im Sanierungsangebot unterbringen wollen. Beim Vor-Ort-Termin werden dann angeblich nötige, aber teure Sanierungen der Abwasserleitungen angeboten.
Mülheimerin fühlte sich von der Firma am Telefon „bequatscht“
So geschehen bei einer Hauseigentümerin in Saarn, die sich am Telefon zu einer Untersuchung ihres Kanals überreden ließ, obschon sie diese Dienstleistung bereits im Vorjahr bei einer anderen Firma hatte machen lassen. Doch da es kostenlos sein sollte, dachte sie sich, dass es nichts schaden könne.
Entweder rieten die Firmen den Verbrauchern am Telefon, die Kanalüberprüfung „sollte mal gemacht werden“, weiß Ariane Jessen. Oder, falls der Bürger dies längst schon habe machen lassen, werde eine erneute Überprüfung „aus Garantiegründen“ angeboten. Die Saarnerin ließ sich darauf ein, wie sie heute bedauert. „Die haben mich mit der kostenlosen Überprüfung und zehn Jahren Garantie bequatscht. Sonst hätte ich die gar nicht ins Haus gelassen.“ Mitarbeiter solcher Firmen, weiß die Verbraucherschützerin Ariane Jessen, seien gut geschult und am Telefon sehr geschickt, ähnlich wie Verkäufer auf Kaffeefahrten.
Vorfall aus Mülheim wurde der Polizei mitgeteilt
„Am Ende sollte die Kanalprüfung 885 Euro kosten“, sagte die Frau, die lieber anonym bleiben möchte, dieser Zeitung. „Und die Sanierung sollte insgesamt sogar 12.000 Euro kosten. Der ganze Kanal wäre angeblich kaputt.“ Die Saarnerin zweifelt daran, dass die Mitarbeiter der Firma, die sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in den Keller begleitet hat, ihr später wirklich Bilder ihres Haus-Kanals gezeigt haben. „Das war der Kanal von irgendjemandem, aber nicht von mir.“ Den Sachverhalt hat die Saarnerin der Polizei gemeldet. Die habe Ermittlungen aufgenommen, bestätigte eine Polizeisprecherin auf Anfrage.
Auskunft, Rat und Hilfe
Die Verbraucherzentrale Mülheim ist coronabedingt derzeit nur telefonisch zu erreichen: 0208 - 6960-5301, (Fax: -5307). Mo. und Do. von 9 bis 14 Uhr sowie 15 bis 18 Uhr. Di. und Fr. 9 bis 14 Uhr. Per E-Mail: muelheim@verbraucherzentrale.nrw.
Eine gesetzlich geforderte Zustands- und Funktionsprüfung des privaten Abwasserkanals dürfe nur von einem anerkannten Sachkundigen durchgeführt werden, so die Verbraucherzentrale NRW. Bei einer zehn Meter langen Abwasserleitung koste das zwischen 300 und 500 Euro. Sollten tatsächlich Schäden vorhanden sein, so gebe es Sanierungsfristen bis zu zehn Jahren – je nach Schwere des Schadens.
Das Projekt Klimafolgen und Grundstücksentwässerung der Verbraucherzentrale NRW berät kostenlos zur Sanierung von Abwasserleitungen unter 0211/3809 300 oder unter abwasser@verbraucherzentrale.nrw.
Die Mülheimer Stadtentwässerung (SEM) informiert unter 0208/4501-466. Einzelheiten zur Dichtheitsprüfung gibt auf der Internetseite der Stadt Mülheim: https://www.muelheim-ruhr.de/cms/dichtheitspruefung_von_privaten_abwasserleitungen.html
Weil die Mülheimerin bei der Kanalfirma unterschrieben hat, kümmert sich jetzt die Verbraucherberatung um die Angelegenheit. Christiane Lersch, Leiterin der Verbraucherberatungsstelle Mülheim, rät: „Vor einer Auftragserteilung sollten immer mehrere schriftliche Angebote eingeholt und Leistung sowie Preise in Ruhe miteinander verglichen werden. Ist ein Auftrag unüberlegt unterschrieben worden, gibt es immer noch ein Widerrufsrecht, von dem man zeitnah Gebrauch machen sollte.“
An der Rechtslage zur Dichtheitsprüfung hat sich nichts geändert
Nicht nur die Verbraucherberatung wundert sich, dass so genannte „Kanalhaie“ derzeit in Mülheim unterwegs sind. Denn an der bestehenden Rechtslage zur Prüfpflicht (Dichtheitsprüfung) habe sich nichts geändert. „Derzeit ist keine aktuelle Änderung der bestehenden Rechtslage geplant“, sagt auch Stadtsprecher Volker Wiebels auf Anfrage. Prüfpflichten und -fristen für private Abwasserleitungen bestehen derzeit nur in Wasserschutzgebieten.