Mülheim. Mülheims Wirtschaft ächzt unter der Corona-Krise. Der Unternehmerverband sieht eine dramatische Situation. Hoffnungen gibt es im Einzelhandel.

Die Corona-Krise belastet die Unternehmen schwer. Nach einer aktuellen Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) befürchtet nahezu jedes dritte Unternehmen in der Region Mülheim, Essen, Oberhausen für das Jahr 2020 einen Umsatzrückgang von mindestens 25 Prozent.

Die IHK hatte eine Blitzumfrage in der heimischen Wirtschaft unternommen. Demnach rechnen gerade einmal zehn Prozent der Befragten mit stabilen bis steigenden Umsätzen. Dem gegenüber stünden weitaus mehr Unternehmen, die großen Sorgen hätten. Bei mehr als jedem fünften Betrieb sei die Geschäftsentwicklung „bereits jetzt existenzbedrohend“, stellt die IHK fest.

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Unternehmerverband stellt Betriebsruhe in den Sommerferien infrage

Der heimische Unternehmerverband fordert bereits, dass in der Metall- und Elektroindustrie die traditionelle Betriebsruhe in den Sommerferien ausfällt, sollte es die Nachfrage hergeben. „Die Wirtschaft braucht dieses und kommendes Jahr jede Chance, um wieder in Fahrt zu kommen“, so Hauptgeschäftsführer Wolfgang Schmitz mit Verweis auf Deutschland-Zahlen des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall.

Demnach sind 83 Prozent der Betriebe in ihrer Produktion eingeschränkt, fast ein Drittel sogar (sehr) stark. Ursachen seien die fehlende Nachfrage, der Ausfall von Arbeitskräften wegen Krankheit oder Kinderbetreuung oder ausbleibende Lieferungen mit Vormaterialien.

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„Bereits heute nutzen 42,7 Prozent der deutschen Unternehmen das Instrument der Kurzarbeit“, so Schmitz zur Metall- und Elektroindustrie. Viele würden noch hinzukommen, so dass schon in wenigen Wochen mehr als jeder zweite Beschäftigte der Branche in Kurzarbeit sein könnte. „Die Lage ist dramatisch“, sagt Schmitz. Mittels Kurzarbeitergeld und anderer Hilfen könnten die Firmen zwar ihre Liquidität sichern, doch das sei nur auf kurze Sicht schmerzlindernd.

IG Metall erwartet Dramatik erst in zweiter Jahreshälfte

Der 1. Bevollmächtigte der IG Metall, Jörg Schlüter, berichtet ebenfalls über flächendeckende Schwierigkeiten in Mülheims Unternehmen. Ihm sei aber kein Unternehmen bekannt, das aktuell komplett den Betrieb eingestellt oder in größerem Ausmaß Kündigungen ausgesprochen habe. Die Gewerkschaft habe mit zahlreichen Betrieben Vereinbarungen zur Kurzarbeit getroffen, auch zu Aufstockungen seien viele Unternehmen bereit gewesen.

Auftragsbestände sorgten aktuell noch dafür, dass zahlreiche Firmen noch nicht auf Kurzarbeit umsatteln mussten. Der Energy-Bereich bei Siemens etwa sei gut im Geschäft. Licht am Ende des Tunnels gebe es auch für Automobilzulieferer wie das Saarner Werk von Presta Steer Tec, da die Autoproduktion langsam wieder anlaufe.

Die Gewerkschaft hofft, dass über das Instrument der Kurzarbeit die Beschäftigten in Arbeit gehalten werden können. Dramatik erwartet Schlüter erst für die zweite Jahreshälfte, wenn sich die Situation für Betriebe nicht maßgeblich bessert. Er rechnet dann mit „vielen Insolvenzen“.

IHK: Einzelhandel und Gastgewerbe besonders betroffen

Besonders betroffen von der Krise sind laut IHK der Einzelhandel und das Gastgewerbe. „Die beschlossenen Lockerungen sind ein gutes Signal für die Wirtschaft. Es fehlen aber noch Lösungen für größere Einzelhandelsbetriebe; dort könnte man mit wirksamen Schutz- und Hygienemaßnahmen einen eingeschränkten Betrieb ermöglichen“, so Gerald Püchel, Hauptgeschäftsführer der IHK im Einklang mit Marc Heistermann, dem Geschäftsführer beim Einzelhandelsverband Ruhr.

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Sowohl IHK als auch Handelsverband kritisierten die vom Land gezogene Grenze, dass Einzelhändler mit einer Verkaufsfläche von mehr als 800 Quadratmetern nicht öffnen dürfen. „Das ist kaum jemandem zu erklären“, sagt Heistermann. Auf größerer Fläche ließen sich Hygienemaßnahmen mitunter gar besser organisieren als auf kleiner Fläche. Zumindest das Kleinersetzen ist betroffenen Händlern am Mittwoch erlaubt worden. Das helfe auch den kleinen Geschäften ringsum, so Heistermann. Es bringe Frequenz.

Einzelhandelsverband appelliert: Solidarität zeigen, lokal einkaufen!

Beim Einzelhandelsverband sind die Rückmeldungen zur Ladenöffnung am Montag ansonsten positiv. Im Mittel sei das Geschäft wieder „sehr gut“ angelaufen, „erstaunlicherweise“, wie Heistermann anfügt. Denn die jüngsten Meldungen zu Zustellproblemen bei der Post wegen stark angewachsenem Online-Handel hätten dem stationären Handel schon Sorgen gemacht. Heistermanns Appell an die Mülheimer: Solidarität mit dem örtlichen Handel zeigen, dort einkaufen gehen!

Von Geschäftsaufgaben wegen der Corona-Krise ist Heistermann nichts bekannt, auch Verdi-Geschäftsführerin Henrike Eickholt kann für ihre Dienstleistungsgewerkschaft nicht feststellen, dass es etwa Kündigungen in Masse gibt. Eickholt treibt die Situation der Geringverdiener um.

Die Corona-Krise treffe insbesondere diese Menschen. Etwa geringfügige Beschäftigte, denen ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld verwehrt bleibe. Betroffen seien überwiegend Frauen. Kein Einzelfall auch in Mülheim, so Eickholt: Arbeitgeber schicken ihre geringfügig Beschäftigten nach Hause, ohne ihnen noch etwas Geld zu zahlen, erwarteten aber, dass sie nach der Krise wieder Gewehr bei Fuß stünden.