Mülheim. Videochat statt Unterricht, Abschluss-Prüfungen verschoben, Sorge um die Noten - Lehrer, Schüler und Eltern müssen derzeit mit Unsicherheit leben
Jetzt soll das Abi also doch um drei Wochen verschoben werden. Nach der langen Debatte schmeckt das nicht jedem Abiturienten: „Hätten wir wie geplant geschrieben, dann hätte ich es schneller hinter mir“, sagt die 17-jährige Hannah. Schließlich haben sie und ihre Mitschüler dank Corona viel Zeit zum Lernen. Aber die neue Lösung sei auch in Ordnung.
Wie soll man die Schulleistungen benoten?
Die Ereignisse überschlagen sich auch an Mülheims weiterführenden Schulen – Lehrer drehen zuhause Lehrvideos, tüfteln an überlasteten Videochats, Klausuren fallen flach. Doch wie soll man Ende Juni die Schulleistungen benoten? Zur Zeit fährt der Schulbetrieb nur auf Sicht, denn für mehr reichen derzeit die Antworten aus dem Düsseldorfer Schulministerium nicht. Es heißt:
„Es wird darauf hingewiesen, dass es sich beim Ruhen des Unterrichts aus Infektionsschutzgründen nicht um Ferien handelt, die der Erholung dienen. Gemäß § 42 Absatz 3 Satz 1 SchulG haben Schülerinnen und Schüler die Pflicht, daran mitzuarbeiten, dass die Aufgabe der Schule erfüllt und das Bildungsziel erreicht werden kann. Die Aufgabenerledigung kann daher erwartet werden.“
Schüler wühlen sich durch Wochenarbeitsprogramm
So kämpfen sich Lehrer tapfer auf ihren Privatrechnern durch die Lehr-Plattform Moodle, kreieren Lernvideos im eigenen Büro, versuchen Video-Chatprogramme ans Laufen zu bringen, drücken ihre privaten Internetleitungen an die Belastungsgrenze. Und so wühlen sich Schüler teils durch 50-seitige Wochenarbeitsdokumente, füllen Lückentexte aus, charakterisieren Figuren in Molières „Der eingebildete Kranke“, sammeln Gründe für und gegen die Energiewende und so weiter.
Diese Art Fernschule läuft ganz gut, bestätigen die Leitungen etwa an der Willy-Brand-Gesamtschule, der Luisenschule und dem Gymnasium Heißen. Anfangs habe die Umstellung zwar für Unruhe bei Schülern und Eltern gesorgt, „ich war aber überrascht, wie schnell es funktioniert hat – und wie schnell mir die Schüler gefehlt haben“, räumt die Heißener Leiterin Sigrun Leistritz ein.
Schulleiterinnen: Fernschule läuft recht gut
Doch wenn es um die Benotung geht, tickt die Zeit für die weiterführenden Schulen, besonders für alle, die einen Abschluss brauchen: Klausuren – neben der mündlichen Note eine Grundlage für die Abschlussnoten – setzen Unterricht voraus. Die derzeitigen „Haus-Aufgaben“ dürfen aber nicht notenrelevant sein, sagt Karin Rinn, Leiterin der Willy-Brandt-Gesamtschule. Neuer Stoff müsse also in der Klasse wiederholt werden. Wenn der Schulbetrieb ab dem 20. April wieder los ginge – kein Problem. Und wenn nicht?
„Man muss es abwarten“, hat Rinn durchaus Verständnis für das schrittweise Vorgehen der Landesregierung. „Ich fühle mich aus Düsseldorf grundsätzlich ausreichend informiert“, das Coronavirus habe schließlich eine Ausnahmesituation an den Schulen geschaffen. „Im Zweifel für den ‘Angeklagten’“, rechnet die Heißener Leiterin Sigrun Leistritz mit milden (Noten)-‘Urteilen’.
„Abitur-relevanter Stoff war längst durch“
Das Abi allerdings hätte nicht verschoben werden müssen, meint Heike Quednau, die die Luisenschule leitet, „der Abi-relevante Stoff ist längst durch“. Das können Lucy und Hannah, die derzeit ihr Abi unter G8-Bedingungen an der Luisenschule machen, unterstreichen: „Meine Erfahrung ist, dass sich viele Lehrer sehr bemühen, uns durch alle möglichen Mittel Hilfestellung zu geben und alle Fragen zu beantworten“, meint Hannah. Die verlängerte Frist sei nicht schlecht, finden zumindest diese zwei Abiturientinnen, man hätte aber auch darauf verzichten können. „Wir haben ja schon die letzten zwei Jahre aufs Abi hingearbeitet“, fühlt sich Lucy „eigentlich gut vorbereitet“.