Mülheim. Die Festival-Beiträge für die Stücke 2020 stehen fest. Acht Texte von deutschsprachigen Autoren wählte die Fachjury aus.
Die Stücke, die bei den 45. Mülheimer Theatertagen (16. Mai bis 6. Juni) ins Rennen gehen, stehen jetzt fest. Nominiert wurden von der Auswahljury folgende neue deutschsprachige Texte:
Überraschung: Jelinek-Stück nicht dabei
„Liebe/Eine argumentative Übung“ von Sivan Ben Yishai (Inszenierung: Nationaltheater Mannheim), „Bookpink“ von Caren Jeß (Schauspielhaus Graz), „Ode“ von Thomas Melle (Deutsches Theater Berlin), „Die Verlorenen“ von Ewald Palmetshofer (Residenztheater München), „Das Deutschland“ von Bonn Park (ETA Hoffmann Theater Bamberg), „In my room“ von Falk Richter (Maxim Gorki Theater Berlin), „IKI.Radikalmensch“ von Kevin Rittberger (Theater Osnabrück) und „Der Fiskus“ von Felicia Zeller (Staatstheater Braunschweig).
Für viele eine Überraschung: „Schwarzwasser“, das neue Stück von Elfriede Jelinek zu Rechtspopulismus und Ibiza-Affäre, das erst kürzlich am Wiener Akademietheater uraufgeführt und gefeiert wurde, ist nicht dabei. „Wir haben es bei den Stücken 2020 mit einem besonders starken Jahrgang zu tun. Die Auswahl fiel nicht leicht“, erklärt Christine Dössel, Kulturredakteurin (Süddeutsche Zeitung) und Sprecherin des Auswahlgremiums. Den Vorrang habe man nach langem Abwägen neuen, jungen Stimmen gegeben.
110 Texte gelesen und beurteilt
110 uraufgeführte Texte standen diesmal insgesamt zur Debatte, 15 waren bis zum Schluss noch in der Diskussion. „Wir hätten von der Qualität her tatsächlich noch vier, fünf Stücke mehr einladen können. Zum Beispiel von Sibylle Berg, Wolfram Lotz oder Philipp Löhle. Mehr als acht Beiträge sind aber leider nicht möglich. Normalerweise sind es sogar nur sieben, wir konnten den achten noch herausschlagen“, so Dössel schmunzelnd.
Zuvor hatte sie „Entwarnung“ gegeben. Entgegen so mancher Klage sei das Drama nicht vom Aussterben bedroht, sondern es zeige sich in beachtlicher Vitalität und Diversität. „Und die Sprache ist reicher denn je“, findet die Journalistin. Die deutschsprachigen Dramatiker seien rege und nah am Puls der Zeit. In den Stücken, die im letzten Jahr geschrieben und auf die Bühne gebracht wurden, gehe es um Inhalte, die aktuell im Zentrum des Interesses stehen: Klimawandel und Umweltkatastrophen, Künstliche Intelligenz, die Me-too-Debatte, Fremdes und Deutsches, die Demokratiekrise, die Arm-Reich-Schere und Politskandale.
Richtige Worte finden für das, was uns umgibt
Unter den diesjährigen Autoren gibt es mit Sivan Ben Yishai, Carmen Jess und Bonn Park drei Mülheim-Debütanten, alle anderen Nominierten haben schon mehrfach teilgenommen am Wettbewerb um den mit 15.000 Euro dotierten Dramatikerpreis. Drei Frauen und fünf Männer gehen diesmal an den Start, sie sind zwischen 30 und 50 Jahre alt. Die Regisseure, die die Stücke auf die Bühne gebracht haben, sind zumeist jung und das erste Mal in Mülheim dabei.
„Die Mülheimer Theatertage sind das wichtigste Festival für deutschsprachige Stücke. Sie zeigen den Stellenwert von Dramatikern und ihren Texten. Wo Sprache immer mehr zu verrohen droht, gilt es, richtige Worte zu finden für das, was uns umgibt“, erklärte Bettina Milz, Referatsleiterin für Theater im Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW, das im letzten Jahr den Zuschuss zu den Stücken erhöht hat (plus 100.000 Euro). Milz lobte, dass das Rahmenprogramm immer umfangreicher werde und dass das Preisgeld für die Kinderstücke dem der Erwachsenenstücke angeglichen wurde. Erfreulich sei auch, dass die Stadt Mülheim das Festival immer geschützt habe.
Festival startet am 16. Mai
Das Theater- und Konzertbüro der Stadt Mülheim beginnt jetzt mit der Organisation des Festivalablaufes. Es startet am 16. Mai, am 6. Juni wird der Sieger bekannt gegeben.
Die Stücke gibt es bereits seit 1976. Ein umfangreiches Rahmenprogramm wird auch diesmal geboten – Projekte mit Studierenden, Kooperationen mit Unis, Stücke-Werkstätten, Kooperationen mit Schulen, Blogger, Übersetzerwerkstätten, usw.
Spielstätten sind die Stadthalle, das Theater an der Ruhr, der Ringlokschuppen. Der Kartenvorverkauf startet voraussichtlich am 20. März, der Vorverkauf für die Kinderstücke am 9. März. Info: www.stuecke.de
Kinderstücke werden immer bedeutender
Bekannt gegeben wurde am Dienstag auch, welche Autoren mit ihren Stücken am Wettbewerb der Kinderstücke 2020 teilnehmen. Neu ist bei der 11. Auflage, dass das Preisgeld für den Sieger jetzt auch 15.000 Euro beträgt. Fünf Stückeschreiber sind nominiert worden. Insgesamt 30 waren von der Jury begutachtet worden, acht kamen in die engere Wahl.
„Die große Zahl zeigt die zunehmende Bedeutung des Kindertheaters in der Theaterlandschaft“, erklärte Thomas Irmer, Theaterwissenschaftler, Publizist und Sprecher des Auswahlgremiums. Das erhöhte Preisgeld schaffe einen Anreiz, etwas für Kinder zu schreiben, das in Qualität und Eigenart den Vergleich mit den Erwachsenenstücken nicht scheuen müsse.
Kinderstücke für Sechs- bis Zehnjährige
Letzteres sei für die diesjährigen Nominierten der Fall: Anah Filou mit „Am Hafen mit Vogel“ (Hessisches Landestheater Marburg), Finn-Ole Heinrich/Dita Zipfel mit „Zonka und Schlurch“ (Junge WLB Esslingen), Tina Müller mit „Schokolade“ (Theater Fallalpha, Zürich), Jens Raschke mit „Wer nicht träumt, ist selbst ein Traum“ (Theater an der Rott, Eggenfelden) und Holger Schober mit „Familie auf Bestellung“ (Junges Nationaltheater Mannheim)
Die Kinderstücke, die in Mülheim gezeigt werden, sind für Sechs- bis Zehnjährige gedacht. Sie reichen von der Adaption mehr oder weniger bekannter Vorlagen über Projektentwicklungen bis zu nachempfundenen Fabeln. Die Themen spiegeln die Welt der Kinder und der größeren Welt um sie herum. Es geht um die erste Flugreise, den letzten Roboter, Verteilung und Gerechtigkeit, Nähe und Einsamkeit und die (Patchwork-)familie.