Mülheim. Sie sind engagiert, wollen mitreden. Doch junge Mülheimer im Jugendstadtrat sind von der „großen Politik“ frustriert. Wie sie das ändern wollen.

Der Jugendstadtrat wird seine Arbeit um ein weiteres Jahr verlängern. In ihrer jüngsten Sitzung stimmten die Mitglieder dem Antrag zu, die für März geplante Neuwahl zu verschieben. Offizieller Grund: Geringe Beteiligung – das Gremium sei „nicht optimal ausgerichtet, um seine Aufgaben effektiv wahrzunehmen“. Doch es gibt einen weiteren: Der demokratische Nachwuchs wird allzu oft politisch übergangen.

Beteiligung des Jugendparlaments ist in der Hauptsatzung festgelegt

Klara aus der Fünten ist die Vorsitzende des Mülheimer Jugendstadtrates.
Klara aus der Fünten ist die Vorsitzende des Mülheimer Jugendstadtrates. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Und das hat letztlich, nach zwei Jahren Engagement, die Motivation der 18 Mitglieder gedrückt, die tatsächlich ehrenamtlich – also ohne eine Aufwandsentschädigung – die Parlamentsbank drücken. Immer wieder blieb jene Instanz, die 2006 mit viel Elan und Hoffnung durch Beschluss des Rates ins Leben gerufen worden war, bei politischen Entscheidungen außen vor.

Dabei ist sogar in der Hauptsatzung der Stadt Mülheim verankert, dass der Jugendstadtrat „zur Mitwirkung der Jugendlichen an den kommunalen Willensbildungsprozessen gebildet“ wird. Er „vertritt die Interessen der Jugendlichen in Mülheim an der Ruhr. Er erhält die Möglichkeiten, sich an allen wichtigen Angelegenheiten, welche die Interessen der Jugendlichen betreffen, zu beteiligen, und entsprechende Empfehlungen an den Rat der Stadt, seine Ausschüsse und Bezirksvertretungen zu richten.“

Junge Parlamentarier sehen sich zu oft außen vor gelassen

Soweit die Theorie. Die Praxis zeichnet allerdings ein ganz anderes Bild: „Der Jugendstadtrat wird von der Verwaltung und der ,großen Politik’ oft nicht einbezogen“, bestätigen seine Vorsitzende Klara aus der Fünten (18), aber auch viele junge Parlamentarierinnen, die am Dienstagabend im Ratssaal tagen.

Die Kritik hat es in sich: So soll der Jugendstadtrat nicht in die Beratungsfolgen von Anträgen eingegliedert oder nur nachträglich in Kenntnis gesetzt werden. So feiern die engagierten Jugendlichen schon Selbstverständlichkeiten wie das Rederecht in bestimmten Gremien als Errungenschaft – welches sie sich durch Nachdruck erkämpft haben.

Eine weitere Hürde: Immer wieder werden politische Gremien parallel zu Tagungen des Jugendstadtrats geplant. Dass der Grüne Carsten Voß zur Dienstagssitzung vorbeischauen kann, liegt allein daran, dass an diesem Tag ein anderes Gremium verschoben wurde, „sonst hätte ich es wieder nicht besuchen können“, bestätigt er. Und doch ist Voß als Vertreter der ,großen Politik’ allein im Saal. Fehlt das Interesse der Erwachsenen?

Jugendparlament will bessere Strukturen für mehr Beteiligung erarbeiten

Viele Jugendliche zumindest fühlen sich nicht ernst genommen: „Wir dürfen Parlament spielen“, deutet Thyra Carolina Tennig (17) an. Man dürfe sich bei ,Voll die Ruhr’ engagieren. Aber wenn es darauf ankomme, laufe man gegen Wände. Wenn dazu noch das Abi und G8 privat Druck machen, stellt sich für nicht Wenige die Sinnfrage, wie viel Zeit sie in die Politik investieren sollen: „Ich bin aber in den Jugendstadtrat gegangen, weil ich etwas in der Stadt verändern will“, bekräftigt die 17-Jährige.

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Von fehlender Motivation ist auch bei ihren Kolleginnen Hannah Lena Hartmann (18) und Lea Franz (21) nichts zu spüren. Franz stellte deshalb auch den Antrag, die Amtszeit des aktuellen Parlaments zu verlängern: „Wir kennen die Probleme und sind eingearbeitet. Es wäre unfair für ein neues Parlament, wenn wir ihm diese Dinge ungelöst überlassen würden“, meint Franz. Die Mitglieder wollen das Jahr für Gespräche mit den Jugendparlamenten in anderen Städten nutzen und mit Verwaltung und Politik eine neue Struktur erarbeiten, die eine Beteiligung der Jugendlichen auf sichere Beine stellt.