Mülheim. Mülheimer Jahresausstellung fasst zusammen, was die Galerie als Mülheimer Hort der Kunstproduktion bietet: Zehn Künstler mit großer Bandbreite.

Wo bleiben all die guten Vorsätze und kreativen Geistesblitze, die man übers Jahr gesammelt hat? Künstler Klaus Wiesel gibt sie in die „Ideenwolke“ – ein Sammelsurium aus 800 quadratisch-praktisch-guten Zetteln, die für die kommende Jahresausstellung in der Ruhr Gallery ein wandgroßes Augenmosaik formen. Zum Beispiel: Beethovens Neunte „als verquarzten Sound aus einem alten Radio – und doch göttlich“.

Ideenwolke, und nicht etwa im hippen Neudeutsch „Cloud“ haben Wiesel und weitere neun Künstler ihre Ausstellung an der Ruhrstraße 3 bewusst getauft. Denn hier wird allenfalls Kunst in die erste Etage ,hochgeladen’, ansonsten aber bleibt man analog und nicht-virtuell. Und vor allem so vielfältig, wie man es von einer Jahresausstellung, aber auch von einer Galerie erwarten kann, die sich als Ort der Kunstpräsentation, mehr aber noch als Ort der Kunstproduktion mit der Bandbreite abstrakter und figürlicher Arbeiten von Malerei bis Bildhauerei und Fotografie auseinander gesetzt hat.

Archaische Figuren und explosive Farbwolken

Das Gesicht als „Ausdruck der inneren Landschaft“: Lukas Benedikt Schmidt hat seine Madonna an den Marien-Darstellungen in der Renaissance orientiert.
Das Gesicht als „Ausdruck der inneren Landschaft“: Lukas Benedikt Schmidt hat seine Madonna an den Marien-Darstellungen in der Renaissance orientiert. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz


Dort findet man etwa Martin Sieverdings „Transfiguren“ – archaische Skulpturen, aber auch Malereien, die wie archäologische Fundstücke aus Schichten und Brüchen bestehen, die auf Tieferliegendes hin deuten. Wer sehen will, woran der Duisburger Künstler ganz frisch gearbeitet hat, muss hier vorbeischauen.

Aus der Farbe heraus entwickelt Heidi Becker ihre Bilder: Entstanden sind teils sphärische, teils explosive Farb- und Lichtwolken, die auch in der Ausdruckskraft das große Vorbild William Turner erkennen lassen. Reduziert hingegen sind die Zeichnungen von Brigitte Zipp: Archaische Figuren, Fabelwesen, die die Künstlerin etwa den Inuit und anderen Kulturen entliehen hat. Inspiriert hat Zipp ein Besuch des Völkerkundemuseums in Hamburg. „Mich spricht darin etwas an, das tief im Inneren liegt.“

„Kunst – das ist für mich die Freiheit“

Die Suche Tannhausers nach seiner Venus hat Manfred Dahmen zu seiner neusten Serie inspiriert. Eine Suche, die Wagners Opernhelden in den tiefsten Wald bis in den Venusberg führt. Mutig griff Dahmen dabei breitflächig ins tiefste Schwarz, nur um – ganz im Sinne der Volksballade – dahinter ein hoffnungsvolles Grün auftauchen zu lassen. Inspiriert zur Kunst hat den gelernten Metzger Beuys und Pollock: „Beide gingen mir nicht mehr aus dem Kopf: Kunst – das ist für mich die Freiheit“, schwärmt Dahmen.

Jüngster im Boot der Jahresausstellung ist Lukas Benedikt Schmidt (28). Sein Porträt lehnt sich an die Tradition der Marien-Darstellung in der Renaissance an. Hier aber ist das Gesicht der Madonna in ein schreiendes Rot getaucht, ihre Augen zeigen ein leeres Weiß – warum? Schmidt muss überlegen: „Mich interessiert nicht die äußere Darstellung, sondern die Abbildung der inneren Landschaft. Meine Entscheidungen sind aber nicht immer rational, sie zeigen ein Gefühl zur Figur.“


Die Vernissage „Ideenwolke“ mit weiteren Werken von Hans Arts, Aliv Franz, Janina Funken, Cornelia Wissel startet am Sonntag, 19. Januar um 16 Uhr in der Ruhr Gallery, Ruhrstraße 3. Eintritt frei. Weitere Öffnungszeiten unter galerie-an-der-ruhr.de.