Mülheim. Die Skulpturen und Gemälde des Duisburger Künstlers Martin Sieverding faszinieren wie archäologische Fundstücke. Warum er das Abstrakte schätzt.

Hauchdünn wie eine Haut spannt sich die kalkweiße Faser des japanischen Maulbeerbaums über Stöcke zu einer Fläche. Verletzlich, porös, zerstört. Wabenstrukturen drücken sich durch, Risse lassen dahinterliegende Farben und Formen erscheinen. Die Vergänglichkeit und Transparenz faszinieren den Duisburger Künstler Martin Sieverding: „Die Sterblichkeit ist die einzige Gewissheit im positiven Sinn: Mit diesem Wissen kann man adäquat leben.“

Ausstellung „Transfigures“ von Martin Sieverding zeigt Vergängliches

In der Ruhr Gallery zeigt Sieverdings Ausstellung „Transfigures“ nun Skulpturen, Gemälde und auch Fotografien, die abstrakt sind, und von Übergängen, hinterlassenen Spuren, Brüchen und dahinterliegenden Strukturen zeugen.

Die Schönheit des Vergänglichen: Martin Sieverding lässt abstrakte Bilder wie archäologische Fundstücke erscheinen.
Die Schönheit des Vergänglichen: Martin Sieverding lässt abstrakte Bilder wie archäologische Fundstücke erscheinen. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Wie eine Geschichte oder ein archäologischer Fund erzählt jedes Werk davon, was es vielleicht einmal gewesen ist: Schicht für überlagerte Schicht durchdringt der Betrachter Sieverdings plastische Gemälde, sieht dick aufgetragene Farblinien wie eine vertrocknete Erdkruste aufbrechen. Gleich daneben kräuseln sich Öl-Kleckse wie quirliges Wasser. Zusammen wirkt es gewaltig wie eine archaische Landschaft.

Glatt durch eingebundenes Holz, durch dickes Eisen, durch die Bildleinwand treibt Sieverding seinen forschenden Blick immer weiter, in manchen Fällen sogar durch bis auf die dahinter liegende Wand, an der das Werk hängt. Es wundert somit kaum, dass einige Gemälde wie ein Fensterkreuz erscheinen: Transparenz. Und dass der Künstler einmal Architektur studierte, erkennt man an manchen Ecken noch.

Auch das Abstrakte kann Geschichten erzählen

Doch das kontrolliert Technische und Figürliche einer Architektur hat Sieverding gegen eine abstrakte Formsprache eingetauscht, in der das Intuitive, der Zufall von Verläufen und Farbreaktionen eine Rolle spielt: „Das Figürliche hat mich immer wieder zu den Klischees gebracht. Ich habe später entdeckt, dass auch das Abstrakte Geschichten erzählen kann“, meint der Künstler, der übrigens klassische Gitarre spielt. Und so kommt es nicht von ungefähr, dass manche Bilder diese Musikalität und Bewegung zeigen.

Mit seinen beeindruckenden, teils riesigen Skulpturen prägte Sieverding die renommierten Duisburger Akzente 2017 und 2019. Auch sie künden von Umbrüchen und Utopien, und sie fordern ein, umwandert und erforscht zu werden.

Vernissage am Sonntag

Die Vernissage zur Ausstellung „Transfigures“ ist am Sonntag, 15. September, von 16 bis 20 Uhr in der Ruhr Galerie an der Ruhrstraße 3. Das Grußwort wird Gerd Bracht sprechen.

Die Ausstellung geht bis zum 30.9. und ist zu sehen: Mo-Fr. 10.30 - 12.30 Uhr sowie Sa u. So. von 12 bis 17 Uhr. Termine sind auch nach Vereinbarung möglich: 01573 629 54 89.

Infos über Martin Sieverding: www.martin-sieverding.com

Manche von ihnen zeigt auch die neue Mülheimer Ausstellung „Transfigures“ und verbindet sie mit Exponaten, die während eines Aufenthalts im Juli 2017 in der Ruhr Galerie entstanden sind. Die Villa an der Ruhrstraße zeigt sich abermals nicht nur als abwechslungsreicher Ausstellungsort, sondern ebenso als Produktionsstätte für Künstler.