Mülheim. Viele öffentliche Gebäude in Mülheim sind marode. Seit Jahren stauen sich die Sanierungen. Ein Blick hinter die Kulissen der schlimmsten Fälle.

Sie sind ein Bei-Effekt des Bürgerentscheids zum Erhalt der VHS in der Müga: die Diskussionen, das Entsetzen über die maroden Gebäude der Stadt. Das Friedrich-Wennmann-Bad, die Gesamtschule Saarn, die Grundschule an der Trooststraße, die Martin-von-Tours-Schule: All diese zum Teil baufälligen, zum Teil unzumutbaren Einrichtungen stehen für viele Mülheimer für das Versagen der Verwaltung, für den klammen Haushalt. Wir geben einen Einblick in die Mängel dieser Häuser.

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Während die einen ihre Volkshochschule an der Bergstraße erhalten wollen, geht es den anderen um die Sanierung ihres Toilettenhäuschens, um das Schließen von Dächern, damit kein Regen mehr durch sie dringt, oder die letzte Möglichkeit, in Mülheim regelmäßig schwimmen gehen zu können. Der Gang durch den Keller des Heißener Schwimmbads zeigt, wie sehr diese Möglichkeit in Gefahr ist.

Mülheimer Friedrich-Wennmann-Bad: „Ich glaube nicht, dass es noch hält“

Seit Jahren plant die Stadt einen Neubau des Bades, 16 Millionen Euro soll er kosten – getan hat sich noch nichts. „Ich denke, dass ich in zehn Jahren in diesem Bad in Rente gehe“, sagt Betriebsleiter Olaf Adametz, und Immobilien-Service-Chef Frank Buchwald kontert: „Ich glaube nicht, dass es so lange hält.“

Leckage-Stelle im aufgerissenen Beton: Der Riss unter dem Schwimmbecken wurde notdürftig mit Kunststoff verfüllt und abgedichtet.
Leckage-Stelle im aufgerissenen Beton: Der Riss unter dem Schwimmbecken wurde notdürftig mit Kunststoff verfüllt und abgedichtet. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Man ist kreativ geworden im Friedrich-Wennmann-Bad – und ohne manchen Einfallsreichtum wäre das Bad vermutlich längst geschlossen. Im Keller, unter dem 25-Meter-Becken, das weit über 700.000 Liter trägt, zeigt Frank Buchwald sein Lieblings-Provisorium: eine Kautschuk-Füllung. Ein Riss hatte sich gebildet in der Gummidichtung der Schmalwasserrinne. Das Wasser spritzte aus der Wand im Keller, „wie ein offener Wasserhahn“; die Reparatur hätte 100.000 Euro gekostet. Weil die Dichtung flexibel ist, ist es schwierig, sie zu schließen. „Wir haben mit einer Schraube Gummi in das Loch gedreht“, sagt Buchwald und lacht. Bislang hält das durch eine rostige Stange gedrehte Provisorium.

Mobiles Heizwerk steht auf dem Parkplatz

Überhaupt wird so einiges mit Notbehelfen gehalten, gestemmt, gestützt, ersetzt. Weil beide Heizungen ausgefallen sind, weil es für die alten Modelle auch keine Ersatzteile mehr gibt, läuft die Beheizung des Schwimmbads über ein mobiles Heizwerk, das draußen vor der Tür steht. Zwei Schläuche führen vom Parkplatz durch Gitter ins Untergeschoss. Kommendes Jahr soll ein Blockheizkraftwerk wenige Meter entfernt entstehen, das Friedrich-Wennmann-Bad wird daran angeschlossen.

Prioritätenliste der Stadt

Die Prioritätenliste der Stadt ist aktuell in den Fokus geraten, weil einige Sanierungsmaßnahmen verschoben werden sollten, um die Finanzierung der VHS-Sanierung zu sichern. Das allerdings hat der Rat abgelehnt.

Sollte sich an der Entscheidung nichts ändern, wird die Prioritätenliste mit dem aktuellen Stand umgesetzt. Demnach soll die Mensa der Gesamtschule Saarn zum Schuljahr 2023/2024 eingeweiht werden. Die Sanierungsmaßnahmen in der Martin-von-Tours-Schule sowie der Grundschule an der Trooststraße sollen 2022 abgeschlossen sein.

Noch mehr könnte sich die Situation zuspitzen, sollte die Lüftungsanlage ausfallen. Ebenfalls alt – das Sensoren-System läuft über einen Intel 286er-Prozessor aus den 80er Jahren – fänden sich auch hier keine Ersatzteile mehr. Bräche das System zusammen, wäre das Schwimmbad nicht mehr nutzbar.

Stahlträger rosten und brechen durch

Besonders sichtbar wird der Verfall des Bades beim Blick auf die Stahlträger unterhalb der Schiene, über die das Dach läuft. Dieses befahrbare Dach, ohnehin ein Sorgenkind des Schwimmbades, ist eine komplizierte Konstruktion, die sich im Sommer für den Freibadbetrieb öffnen lässt. Im Mai war ein Rostschaden an der Fassade festgestellt worden, das Bad musste wochenlang geschlossen bleiben.

Frank Buchwald (l.), Leiter des städtischen Immobilienservice, und Badbetriebsleiter Olaf Adametz halten ein Stück abgebröckelten Stahl in der Hand.
Frank Buchwald (l.), Leiter des städtischen Immobilienservice, und Badbetriebsleiter Olaf Adametz halten ein Stück abgebröckelten Stahl in der Hand. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Im Keller, unterhalb der Schiene, ruckelt Frank Buchwald leicht an einem der Stahlträger und hält ein 20 Zentimeter großes Stück rostigen, bröckeligen Stahl in der Hand. Statt Stahl stützten nun zusätzliche Holzbalken die Decke. „Das hat im Bergbau auch funktioniert.“

Jährlich „sechsstellige Beträge“ investiert die Stadt in das Friedrich-Wennmann-Bad. Es sind immer nur Lückenstopfer und Notlösungen, um den Betrieb irgendwie aufrecht zu erhalten. Ende 2024 soll das neue Schwimmbad in Heißen eröffnen – doch schon mehrfach wurde dieser Termin nach hinten geschoben.