Mülheim. Wegen anhaltender Auslastungsprobleme planen Mülheims Stahlbetriebe Europipe und MGB, umfangreich Stellen abzubauen. Ein Überblick zur Lage.

Die anhaltend schwierige Auftragssituation bei den stahlverarbeitenden Betrieben Europipe und Salzgitter Mannesmann Grobblech (MGB) lässt die Sorge um einen Stellenabbau steigen.

Aus der Europipe-Belegschaft war dieser Tage zu hören, dass die Geschäftsführung am vorvergangenen Freitag bei einer Mitgliederversammlung gar skizziert haben soll, dass möglichst zeitnah 170 bis 200 und damit mehr als ein Drittel der Arbeitsplätze abgebaut werden sollen. Auf mehrere Anfragen dieser Redaktion gab es dazu weder ein Dementi noch eine Bestätigung aus dem Unternehmen.

Europipe hält „organisatorische Anpassungen“ für nötig

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mannesmannröhren-werken steht lange durststrecke bevorAuch ging ein Europipe-Sprecher nicht darauf ein, dass der Betrieb laut Informationen dieser Zeitung aktuell komplett auf „Kurzarbeit null“ gesetzt ist. Nur Altersteilzeitler und die Instandhaltung seien noch im Job, berichten Mitarbeiter. Der Unternehmenssprecher blieb vage: Der Markt für geschweißte Großrohre aus Stahl sei 2019 eingebrochen und habe im Laufe des Jahres Kurzarbeit für die 550 Beschäftigten unvermeidbar gemacht, hieß es nur.

Was einen möglichen Stellenabbau betrifft, blieb der Sprecher auch zurückhaltend: „In einem zunehmend schwierigem Marktumfeld werden bei Europipe organisatorische Anpassungen erforderlich. Es ist angedacht, die die Belegschaft betreffenden Maßnahmen sozialverträglich zu gestalten und damit das Unternehmen für zukünftige Anforderungen solide und flexibel aufzustellen, um auch auf wieder bessere Marktsituationen reagieren zu können.“ Sprich: als Lieferant für kommende Großprojekte handlungsfähig zu bleiben.

Betriebsrat: Ein Riesenschlag für die Belegschaft

Ein Bild aus der Produktion im Mülheimer Werk von Europipe: Mit einer Ultraschallanlage wird die Qualität eines Großrohres überprüft.
Ein Bild aus der Produktion im Mülheimer Werk von Europipe: Mit einer Ultraschallanlage wird die Qualität eines Großrohres überprüft. © Achim Winkler

Die örtliche IG Metall äußerte sich trotz mehrerer Anfragen nicht, lediglich der Betriebsrat reagierte nach einigen Tagen auf eine Anfrage dieser Redaktion. Betriebsratschef Frank Schulz sagte, das sei, zumal in der Vorweihnachtszeit, „ein Riesenschlag für die Belegschaft“. Die Geschäftsführung habe nur Zahlen präsentiert, aber kein Zukunftskonzept. Auf einer solchen Basis mache es keinen Sinn, noch in diesem Jahr in Gespräche mit der Unternehmensleitung einzutreten.

Der Betriebsrat will sich laut Schulz wie 2014, als es Pläne für einen Abbau von mehr als 200 Stellen gab, einen Unternehmensberater an die Seite holen und mit ihm und der IG Metall ein Gegenkonzept zum Stellenabbau entwerfen. 2014 war es auf diese Weise gelungen, betriebsbedingte Kündigungen abzuwenden. Ein Großauftrag für eine Gaspipeline half damals auch in höchster Not. Im Januar will der Betriebsrat in Verhandlungen einsteigen.

Europipe sieht viele externe Gründe für die schwierige Lage

hier gibt es mehr artikel, bilder und videos aus mülheimDer Röhrenhersteller selbst verwies global auf die Schwierigkeiten am Markt, um den geplanten Stellenabbau zu begründen. Erschwerend habe die Klimadiskussion große Unsicherheit ausgelöst. Sie habe zu Zurückhaltung bei Investitionen im Energiesektor geführt. So erwarte Europipe in 2020 nur „eine mäßige Erholung des Geschäftes“.

Insgesamt befinde sich die Stahlindustrie in einer schwierigen Lage, hieß es seitens Europipe. „Der Absatz wird durch internationale Handelskonflikte, zunehmenden Protektionismus und inzwischen stark zurückhaltende Nachfrage gedrückt.“ Während sich die lokale Industrie engagiere, die steigenden Auflagen der Energiepolitik und hoch gesteckten Klimaziele zu erfüllen, könnten die damit verbunden Kosten nicht an die Abnehmer weitergegeben werden. Das auch, weil unverändert Billigprodukte aus Drittländern und ohne entsprechenden Ausgleich in die EU eingeführt würden.

MGB: Geschäftsführung will Anfang 2020 auf Arbeitnehmervertretung zugehen

Kurzarbeit in Mülheim auf Höchststand

Die Krise manch eines Mülheimer Großunternehmens lässt sich in der Kurzarbeiter-Statistik ablesen. Der Arbeitsagentur liegen aktuell Anzeigen für Kurzarbeit aus acht Mülheimer Betrieben vor. 1331 Beschäftigte sind davon betroffen. „Ein Höchststand der vergangenen Jahre“, sagt Agentur-Geschäftsführer Jürgen Koch.

Kurzarbeit ist wieder ein größeres Thema in der heimischen Wirtschaft. Eine vierstellige Zahl an Kurzarbeitern gab es zuletzt im Februar 2016. Eine Phase mit lang anhaltend vierstelligen Kurzarbeit-Zahlen ist für die Jahre 2009 und 2010 registriert.

Als Zulieferer für Europipe ist auch Salzgitter Mannesmann Grobblech betroffen. „Im Dezember verfahren wir Kurzarbeit im Blechwalzwerk, für den Januar haben wir voraussichtlich ausreichend Beschäftigung, darüber hinaus können wir aber aktuell keine Aussagen treffen“, sagte ein Sprecher der Salzgitter AG zur Lage vor Ort.

„Wir beabsichtigen den Betriebspunkt der MGB herabzusetzen, um uns der schwierigen Auftragslage anpassen zu können“, umschrieb der Sprecher, dass Stellenabbau Thema werden wird. Konkrete Entscheidungen seien dazu noch nicht gefallen. Doch man werde dazu Anfang 2020 in Gespräche mit der Arbeitnehmervertretung einsteigen.