Mülheim. . Im Mülheimer Großrohr-Werk von Europipe droht schon ab Februar umfangreiche Kurzarbeit, bei Salzgitter Mannesmann Grobblech ab April.

Den Mülheimer Werken von Salzgitter Mannesmann Grobblech (MGB) und Europipe steht ein schwieriges Jahr 2019 bevor. Es fehlen Aufträge. Rote Zahlen sind programmiert, ebenso ausgedehnte Kurzarbeit. Das bestätigten im Gespräch mit dieser Zeitung Mannesmann-Chef Dr. Clemens Stewing und ein Sprecher des Salzgitter-Konzerns.

Schlichtweg fehlten Europipe nach den Großprojekten „North Stream II“ und „Eugal“ Anschlussaufträge, spricht Stewing von einer „Vergabeflaute“, die auch das Mülheimer Grobblech-Werk als Zulieferbetrieb hart trifft. Stewing rechnet nicht mehr damit, dass sich der Wind im ersten Halbjahr 2019 dreht. Es gebe zwar eine Reihe „sehr interessanter Projekte“ für die Großrohrproduktion, doch allen sei eines gemein: Sie seien nicht reif für eine Vergabe.

Pipeline-Geschäft ist auch ein politisches

Verantwortet den Geschäftsbereich Mannesmann der Salzgitter AG: Dr. Clemens Stewing
Verantwortet den Geschäftsbereich Mannesmann der Salzgitter AG: Dr. Clemens Stewing © Ute Gabriel

Das Pipeline-Geschäft ist in großem Maße auch ein politisches, dazu wird häufig lange an der Finanzierung der Milliarden-Projekte gestrickt. Beispiel: die Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Indien-Pipeline (Tapi). Schon 1990 begannen die Planungen für die gut 1800 Kilometer lange Erdgasleitung. Doch es geht nur schleppend voran. Europipe wäre ein klassischer Adressat für einen ausstehenden Auftrag im Volumen von 1,3 Millionen Tonnen, weil das Werk in der Lage ist, in kurzer Zeit große Rohrmengen in hochwertiger Güte zu liefern.

Ob hier, ob in Osteuropa, im Mittelmeerraum oder auf der arabischen Halbinsel: Projekte stehen an, Aufträge lassen auf sich warten. Zehn bis 15 Projekte hat Europipe laut Stewing im Visier, „aber überall stehen Fragenzeichen dran. Wir leiden nicht unter Perspektivlosigkeit“, sagt er. Doch stehe schon fest, dass dem Werksstandort Mülheim mit seinen rund 550 Mitarbeitern „ziemlich umfänglich“ Auslastungsprobleme bevorstünden. Wahrscheinlich werde es ab Februar Kurzarbeit geben, so Stewing. Schon jetzt fährt das Werk nur noch mit einer statt zwei Schichten. Mitarbeiter sind gehalten, die Guthaben ihrer prall gefüllten Arbeitszeitkonten aufzubrauchen.

Gespräche über die Konditionen der Kurzarbeit

Laut Stewing laufen zurzeit Gespräche mit der Arbeitnehmer-Seite über die Konditionen der Kurzarbeit – etwa dazu, in welchem Maß das Kurzarbeitergeld von der Arbeitsagentur innerbetrieblich aufgestockt wird. Betriebsbedingte Kündigungen schließt Stewing aus, dem abgearbeiteten Flexibilisierungsprogramm sei Dank. Die Stammbelegschaft nutzt ihre prall gefüllten Arbeitszeitkonten, die in der Spitze bis zu 180 Leiharbeitnehmer mussten das Werk allesamt schon verlassen.

Im Schwesterwerk von MGB (550 Mitarbeiter) ist die Perspektive ähnlich mau. Laut Stewing gehe die Arbeitsdirektorin von einem „Stotterbetrieb“ bis März aus, heißt: Mal läuft die Produktion, mal werden die Mitarbeiter nach Hause geschickt. Mit Urlaubstagen, dem Abfeiern von Überstunden oder Qualifizierungsmaßnahmen zum flexibleren Einsatz der Beschäftigten in den verschiedenen Produktionsbereichen komme man noch gut über das erste Quartal, heißt es. Danach droht auch MGB Kurzarbeit. Doch sei es „nicht sinnvoll und nur begrenzt machbar, Wärmöfen rauf- und runterzufahren“, so Bernhard Kleinermann als Sprecher der Konzernmutter, der Salzgitter AG.

Auftragsschwankungen bei Europipe

Seit Längerem strebt MGB an, unabhängiger von den Auftragsschwankungen bei Europipe zu werden. „Grundsätzlich muss und wird die Tendenz auch bei MGB in Richtung größerer Flexibilität gehen, um auch kleinere Aufträgen wirtschaftlich produzieren zu können“, sagt Kleinermann.

Die Ausrichtung auf externe Aufträge mache große Fortschritte, doch sei eines auch klar: „Der Grobblechmarkt ist umkämpft und wartet nicht gerade auf mehr Stahl. Die MGB hat zwar Wettbewerbsvorteile in punkto Geometrie (Breite) und Qualität, aber der Markt muss entwickelt werden.“ MGB werde „noch lange Zeit“ abhängig bleiben von der Auslastung bei Europipe, prognostiziert Mannesmann-Chef Stewing.

>> PIPECOATINGS VORERST NOCH AUSGELASTET

Immerhin bleibt dem Pipecoatings-Werk auf dem Mannesmann-Areal, wo Rohre beschichtet werden, vorerst Kurzarbeit erspart. Es sei gut mit Fremdaufträgen belegt, bis April sei dort volle Auslastung gegeben, so Mannesmann-Chef Dr. Clemens Stewing.

Der Geschäftsbereich Mannesmann trägt laut Stewing 2018 zum „guten Ergebnis“ der Salzgitter AG bei. Europipe habe wesentlich dazu beigetragen.