Mülheim. Sieben Millionen Euro sollen laut Etatbeschluss von 2018 in Mülheims Nahverkehr eingespart werden. Doch eine Lösung zeichnet sich nicht ab.
Die Debatte darüber, wie in Mülheims ÖPNV-Betrieb bis zum Jahr 2023 strukturell sieben Millionen Euro einzusparen sind, soll nicht den Kommunalwahlkampf belasten. Stadtverwaltung und Ruhrbahn treten auf die Bremse.
Ohne Debatte blieb zuletzt schon, als Verkehrsdezernent Peter Vermeulen seinen Zeitplan zur Bearbeitung von allerlei Prüfaufträgen präsentierte, die die Etat-Koalition aus SPD, CDU und Grünen erteilt hatten. Vermeulen verkündete den Zeitplan via Mitteilung der Verwaltung. So war eine Diskussion ausgeschlossen.
Etat-Koalition will sieben Prüfaufträge abgearbeitet sehen
Vermeulen rechtfertigte sein Handeln zwar damit, dass die Vorbereitungszeit dafür, die Angelegenheit zu einem ordentlichen Tagesordnungspunkt zu machen, zu kurz gewesen sei nach dem Etatbeschluss von Anfang November. Doch die Opposition ist schon auf den Bäumen.
Sieben Prüfaufträge hatte die Kenia-Koalition erteilt, vier davon sollen erst im dritten Quartal abgearbeitet sein. So etwa die Prüfung, ob die U18 künftig bis zur Hochschule Ruhr-West in Broich rollen und dort ein barrierefreier Umstieg auf die Straßenbahnlinie 901 möglich werden könnte.
Fahrgastzahlen zu allen Linien sollen im zweiten Quartal 2020 vorliegen
Eben eine solche Bearbeitungszeit erfordere auch die Bearbeitung der Fragen, ob die Linie 901 ihren Endhaltepunkt künftig an der Hochschule haben könnte (statt am Hauptbahnhof), ob das Angebot in der Nacht sich auf zwei Linien (Ost-West und Nord-Süd) beschränken ließe oder ob mit den Hochschulen in Duisburg und Mülheim eine gemeinsame Hochschullinie mit Anbindung an die Hauptbahnhöfe geschaffen werden könnte.
Rot-Schwarz-Grün will darüber hinaus zur weiteren Angebotsplanung linienscharf neue Fahrgastzahlen präsentiert bekommen. Dem will die Ruhrbahn im zweiten Quartal 2020 nachkommen. Auch für das zweite Quartal 2020 angekündigt ist ein Papier, das aufzeigen soll, welche Haltestellen sich im Stadtgebiet zu Stationen mit weitergehenden Mobilitätsangeboten (Mieträder, Car-Sharing, Park & Ride etc.) umbauen ließen.
Widerstand gegen eine Schließung des U-Bahnhofes Schloß Broich
Bereits im ersten Quartal 2020 wollen Ruhrbahn und Stadtverwaltung derweil offenlegen, ob sich der U-Bahnhof Schloß Broich sinnvollerweise schließen ließe. Hiergegen hatte sich jüngst mit dem SPD-Ortsverein Broich gar eine Organisation aus dem Etatbündnis gewandt. Man werde gegen eine Schließung der Haltestelle kämpfen, hatte der Ortsvereinsvorsitzende Cem Aydemir erklärt. Die Haltestelle sei mit ihrer Nähe zum Schloss, zur Müga, zur Stadthalle und zu Franky’s Ruhrkristall „eine der wichtigsten Straßenbahn-Haltestellen“ in Mülheim, zudem ein wichtiger Knoten- und Verknüpfungspunkt für Schüler.
MBI-Kritik an der Haushaltsbefragung
Bekanntlich hat die Stadtverwaltung jüngst 10.000 zufällig ausgewählte Mülheimer Haushalte zur Teilnahme an einer Mobilitätsbefragung aufgefordert. Das stößt ungeachtet dessen, dass einige Fragebögen Bürger sehr kurzfristig oder gar zu spät erreicht haben sollen, auf Kritik der MBI.
„Das Ganze ist eine Geldverschwendung ohne erkennbaren Nutzen“, so MBI-Fraktionssprecher Lothar Reinhard. Eine solche repräsentative Umfrage habe es schon in der Vergangenheit gegeben, ohne dass daraus ein zukunftsträchtiges ÖPNV-Konzept erwachsen sei.
Die Fraktion des Bürgerlichen Aufbruchs fordert derweil mit einem Antrag für die Ratssitzung am Donnerstag, dass sämtliche Prüfaufträge zum ÖPNV schon im ersten Halbjahr 2020 abgearbeitet sind und die Verwaltung dem Stadtrat spätestens Ende Juni einen Entwurf für einen neuen Nahverkehrsplan vorlegt.
BAMH: Ohne Konkretisierung keine qualifizierte Etat-Planung für 2021 möglich
Außerdem fordert der BAMH in jeder Sitzung des Mobilitätsausschusses einen Zwischenbericht zur ÖPNV-Planung ein. Bleibe die Verwaltung bei ihrem Zeitplan, so Fraktionschef Jochen Hartmann, sei eine qualifizierte Haushaltsplanung für 2021 nicht möglich. 2021 sollen laut Etat-Beschluss bereits zwei Millionen in Mülheims ÖPNV eingespart sein, 2022 fünf Millionen und 2023 schließlich sieben Millionen Euro.
Auch die MBI kritisierten zuletzt mehrfach das Vorgehen von SPD, CDU und Grünen in der seit Ende 2018 offenen Sieben-Millionen-Euro-Frage. Bislang liege „nichts Substanzielles außer unkonkreten Absichtserklärungen“ vor. So sei „nicht in Ansätzen erkennbar, wie genau das Einsparziel beim ÖPNV erreicht werden könnte“.
MBI: Das Einsparziel ist illusorisch
Die MBI halten das Einsparziel für „illusorisch und in Zeiten von Klimakrise und überfälliger Verkehrswende gänzlich aus der Zeit geraten“. Kritik hatten sie jüngst auch an der Finanzaufsicht der Bezirksregierung geübt. Sie müsse die substanzlose Haushaltsplanung endlich sanktionieren und die Genehmigung der Haushalte 2019 und 2020 (weiter) verweigern.