Mülheim. Verdi hat tausende Bürgeranträge gegen die Mülheimer Sparpläne im Nahverkehr eingereicht. Der Mobilitätsausschuss stimmte aber nicht dazu ab.
Die Gewerkschaft Verdi hat tausende Bürgeranträge gegen die Sparpläne in Mülheims Nahverkehr in die Politik gespielt. Am Ende gab der Mobilitätsausschuss des Stadtrates aber kein Votum dazu ab. Insbesondere ein Gast der Debatte auf der Zuschauerbühne wollte dies gar nicht akzeptieren.
Mit einer Postkartenaktion hatte sich Verdi im Bündnis mit einigen Ratsgruppierungen in den vergangenen Monaten gegen den Haushaltsbeschluss gewendet, in den kommenden Jahren im Mülheimer ÖPNV-Betrieb sukzessive eine Einsparung von sieben Millionen Euro zu erzielen. Stein des Anstoßes war insbesondere das von Stadtverwaltung und Ruhrbahn vorgelegte Konzept zu einem „Netz 23“, das massive Einschnitte im Angebot, insbesondere im Straßenbahnverkehr vorsah.
Mobilitätsausschuss gibt kein Votum ab
Mit der Postkartenaktion ließen Verdi, die Ratsfraktion MBI und weitere linke Ratsgruppen die Bürger auf die Barrikaden gehen. Mit jenen Postkarten richteten Bürger in der Folge massenhaft Bürgeranträge gemäß Gemeindeordnung an Oberbürgermeister Ulrich Scholten. Mit der Forderung, den Kürzungsbeschluss von Dezember 2018 über insgesamt sieben Millionen Euro zurückzunehmen und stattdessen den Nahverkehr vor Ort auszubauen.
Schon, dass die Stadt „nur“ 3264 jener Postkarten erhalten haben will, stieß in der Sitzung den Gegnern der Kürzungspläne sauer auf. „Es waren mehr als 6000, 7000 Karten“, zweifelte Ratsherr Cevat Bicici (Wir aus Mülheim) die genannte Zahl an. Er verwies darauf, dass die Etat-Koalition aus SPD, CDU und Grünen zwar das „Netz 23“ abgelehnt habe, das Sparziel von sieben Millionen Euro aber auch im neuen Etat-Entwurf für 2020 fest verankert sei. Bicici warnte vor massiven Kürzungen im ÖPNV: „Was einmal rausgestrichen wird, kommt nicht mehr zurück.“
Zahl der Postkarten umstritten
Zur Bürgereingabe sprach schließlich auch Verdi-Sekretär Rainer Sauer den Gästen auf den voll besetzten Zuschauerrängen im Ratssaal aus der Seele. Statt zu sparen, solle Mülheim einen „effizienten ÖPNV als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge“ bieten. Das sei auch angesichts des Klimawandels angesagt. „Wer bei Bus und Bahn sparen will, handelt nicht gerade ideenreich und nach vorne gerichtet“, so Sauer.
Sauer untermauerte noch einmal seine Fundamentalkritik an Mülheims Nahverkehrspolitik. Die jahrelangen Kürzungsdiskussionen führten „immer wieder dazu, dass das Fahrpersonal dafür herhalten muss, wenn Politik und Verwaltung auf dem Nahverkehr herumtrampeln“. Eine Angebotsausweitung sei angesagt, verwies der Verdi-Mann auf eine Umfrage, nach der fast drei Viertel der Bundesbürger bereit sein sollen, bei einem verlässlichen und preisgünstigen Nahverkehr auf ihr Auto zu verzichten.
Verdi: Angebotsausweitung ist angesagt
Die Etat-Koalitionäre verwiesen darauf, dass noch nichts entschieden sei – außer, dass das „Netz 23“ nicht kommen werde. Man werde interfraktionell nach einer Lösung suchen, wie das Sparziel von sieben Millionen Euro zu erzielen sei, so SPD-Ratsherr Daniel Mühlenfeld, ohne schon ins Detail zu gehen. Man habe allerdings „eine Reihe an Alternativen“ aufgezeigt, etwa jene, mehr in der Ruhrbahn-Verwaltung einzusparen denn im Fahrten-Angebot.
Auftrag: Betrieb durchleuchten
Verkehrsdezernent Peter Vermeulen kündigte für einen neuen Entwurf des Nahverkehrsplans „einen breiten Beteiligungsprozess“ an. Er erinnerte aber noch einmal daran, dass der Zuschussbedarf für den Mülheimer ÖPNV mit mehr als 30 Millionen Euro unverhältnismäßig hoch sei.
„Wir werden die Frage bewegen müssen, warum das so ist“, sagte Vermeulen. Es gebe den entsprechenden Auftrag an die Ruhrbahn, „ihren Betrieb zu durchleuchten“. Es gehe darum, Mülheims Nahverkehr am Bedarf auszurichten, nicht leere Fahrzeuge verkehren zu lassen.
„Wir wollen keinen Einbruch bei den Fahrgastzahlen“, so Vermeulen. „Wir wollen den ÖPNV in seiner Nutzung und Auslastung ausbauen.“ Das müsse aber nicht bedeuten, mehr Geld in die Hand zu nehmen.
Brigitte Erd (Grüne) mahnte an, „weder pathetisch noch dramatisierend“ an die Hausaufgabe dranzugehen. Kritik äußerte sie an jenen Ratsgruppen, die aktuell Stimmung gegen den Etatbeschluss machten, „am Ende aber selbst keinen anderen Lösungsvorschlag“ zur Deckung der Haushaltslücke einbrächten. Ramona Baßfeld (BAMH) konterte. Sehr wohl habe man alternative Vorschläge gemacht, erinnerte sie an die Anträge ihrer Fraktion, beim Theater an der Ruhr Millionen einzusparen.
Weder pathetisch noch dramatisierend agieren
Zur Verwunderung vieler Zuschauer ließ Ausschussvorsitzender Claus Schindler (SPD) nicht über die Bürgeranträge abstimmen. Schindler begründete dies damit, dass der Ausschuss den Etatbeschluss nicht zurücknehmen könne, zuständig sei der Stadtrat. Im Publikum zeigte sich MBI-Fraktionschef Lothar Reinhard mehrfach lautstark unzufrieden mit dieser Einschätzung, forderte zumindest eine Empfehlung des Gremiums an den Rat, wie er mit den Tausenden Bürgeranträgen umgehen soll.