Mülheim. Zahlreiche Sanierungsmaßnahmen in Mülheim stagnieren. Grund sind fehlende Bauunternehmen. Oft gibt es kaum Bewerbungen auf Ausschreibungen.
Die Konjunktur ist gut, die Zinsen sind niedrig: Sowohl Industrie als auch Privatleute nutzen die günstige Wirtschaftslage, um zu investieren; sie bauen und sanieren. Unter diesem Aufschwung leiden allerdings die Kommunen. In Mülheim verzögern sich wegen fehlender Auftragnehmer mehrere dringend notwendige Sanierungsmaßnahmen um mindestens ein halbes Jahr.
„Vor fünf Jahren haben wir zum Beispiel im Rohbau noch 20 bis 30 Angebote auf eine Ausschreibung bekommen“, sagt Frank Buchwald, Leiter des städtischen Immobilienservices. „Heute bekommen wir manchmal gar keine oder nur sehr wenige unwirtschaftliche.“ Eines der Probleme: Haben Baufirmen die Wahl, nehmen sie bevorzugt den Auftrag eines Unternehmens oder einer Privatperson an als den einer Kommune. Denn die wiederum muss das günstigste Angebot annehmen – für die Baufirmen ist das weniger rentabel.
Buchwald: Fristen, um Fördergelder abzurufen, sind zu kurz
Vorlage für die Sanierung des VHS
Auch im Immobilien-Service mangelt es an Arbeitskräften. Dieses Jahr seien fünf Bauingenieure in Rente gegangen, fünf weitere sind in Elternzeit.
Und: „Wenn Sie einen Auftrag nicht platziert haben, wird der Umsatz geringer“, sagt Buchwald. Bei mehrfachen Ausschreibungen aufgrund von fehlenden Bewerbern, werden Arbeiten doppelt und dreifach gemacht.
Derzeit arbeitet der Immobilien-Service an einer Vorlage für die Sanierung der VHS, die zunächst in den Finanzausschuss und dann in den Rat geht. Dort muss der Planungsbeschluss gefasst und die Finanzierung sichergestellt werden.
Neben der guten Konjunktur tragen auch die zahlreichen Fördermittel zum überlasteten Markt bei. Und da sieht Buchwald die nächste Problematik: „Die Fristen, um die Fördergelder abzurufen, sind zu kurz.“ Teils könnten Gelder nicht abgerufen werden, weil die Stadt die Aufträge nicht an die Firmen bekommt.
Die Fördergeber seien gut beraten, wenn sie die Fristen verlängerten. „Aber da geht es um Legislaturperioden.“ Landes- und Bundesregierung wollten die Förderungen eben in ihrer gewählten Amtszeit vergeben – nicht für die mögliche Folgeregierung. „Wir als Kommune bleiben da auf der Strecke.“
Stagnierende Maßnahmen an Schulen und Kunstmuseum
Für Mülheim bedeutet diese Marktüberlastung konkret, dass zum Beispiel die Sanierung und der Ausbau des Schulgebäudes der Brüder-Grimm-Schule in Styrum stagnieren. „Es wurden keine oder keine wirtschaftlichen Angebote eingereicht, die weitere Vergabeverfahren bzw. Verhandlungsverfahren notwendig machten und somit zur Bauverzögerung führen“, heißt es in einer Übersicht zum Stand Oktober der Baumaßnahmen in Mülheim.
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Nicht besser sieht es an der Gemeinschaftsgrundschule Heinrichstraße aus. Für das Vergabeverfahren sei laut Stadtverwaltung kein einziges Angebot abgegeben worden, in einem zweiten Versuch kein wirtschaftliches. Nun folgt ein Verhandlungsverfahren – und eine Verzögerung der Maßnahme. Bei der Willy-Brandt-Schule, der Gesamtschule Saarn und dem Kunstmuseum sind es gescheiterte Vergaben von Schlüsselgewerken, die zu Verzögerungen führen. Auch am Schulzentrum Broich ist der Zeitplan in Gefahr.
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Auch andere Städte klagen über stagnierende Baumaßnahmen
Ohnehin sind die Planungs- und Bauzeiten enorm lang. Bei Aufträgen über 200.000 Euro im Ingenieursbereich und über fünf Millionen Euro im Baubereich muss die Stadt europaweit ausschreiben. Dann beginnt es schon mit den Planern, die fehlen, und geht weiter mit dem Rohbau, den Ausbaugewerken, den Elektro- und Heizungsinstallationen, die keiner machen will. Dass dies keine reine Mülheimer Problematik ist, habe Buchwald kürzlich beim Städtetag erlebt. Zahlreiche Kommunen klagen über stagnierende Baumaßnahmen mangels Bewerbern.
Weil die Nachfrage immens ist, erhöhen sich die Preise. Von fünf bis sieben Prozent Preissteigerung pro Jahr spricht Frank Buchwald. Über die Bauzeit summiert sich das auf 15 bis 20 Prozent. Im Modulbau, einem weiteren Feld, in dem kaum Aufträge zu verteilen sind, gebe es gar Erhöhungen von 40 Prozent. „Da können wir froh sein, wenn die Fördergelder ausreichen, um die Mehrkosten aufzufangen.“