Mülheim. Nach 31 Jahren ist der totale Räumungsverkauf verkündet: Mit „Jürgens Damenmoden“ geht eine Innenstadt-Größe. Aber es gibt eine gute Nachricht.
Die Verluste an inhabergeführtem Einzelhandel in Mülheims Innenstadt waren in den vergangenen Jahren riesig. Nun kündigt mit „Jürgens Damenmode“ eine weitere Innenstadt-Größe ihren Abschied zum Jahresende an. Doch die Geschichte hat ein Happy-End.
Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe – seit einigen Tagen schon klebt das Schild unübersehbar am Schaufensterglas des Ladenlokals am Löhberg. „Jürgens Damenmoden“, einer der wenigen verbliebenen Modeläden aus dem Premiumsegment in Mülheims Innenstadt, hat den Total-Ausverkauf gestartet.
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Nach 31 Jahren am Löhberg ist Schluss
Alles muss raus. Nach 31 Jahren am Löhberg ist Schluss. Jürgen Bosch, der dem Laden seinen Namen gab, muss aber keine Träne verdrücken. „Vom ersten bis zum letzten Tag waren wir sehr profitabel“, sagt er, der nun auch 72 Jahre alt ist. Was ihm und seiner Frau Felicitas wichtig war: Niemand soll ins Bodenlose fallen, wenn Bosch offiziell am 31. Dezember, für das Kundengeschäft wohl aber früher, sein Ladenlokal ein letztes Mal abschließt.
„Aus einigen Bewerbern haben wir einen Nachfolger gefunden, der unsere drei Mitarbeiterinnen übernimmt und zu 100 Prozent einen nahtlosen Übergang garantiert“, sagt Bosch. Der neue Eigentümer, der seinen Namen noch nicht genannt haben will, sei „ein Profi“, betreibe insgesamt fünf Geschäfte, eines davon im gleichen Genre wie „Jürgens Damenmoden“.
Für Anfang Februar ist Neueröffnung geplant
Den Kunden wird versprochen, dass die aktuellen Marken im Programm bleiben. Anfang Februar, nach etwas „Feinschliff“ im Ladenlokal, soll es die Wiedereröffnung unter neuem Namen geben. „Perfekt“ sei das, „ein tolles Gefühl“, sagt Felicitas Bosch (65), die zuvor einen eigenen Laden in Bochum hatte und seit zehn Jahren das Mülheimer Geschäft mit ihrem Mann betreibt.
Bei all den Sorgen um Mülheims Innenstadt, die auch ihn umtreiben, blickt Bosch doch sehr zufrieden zurück auf 31 Jahre Selbstständigkeit. Jetzt freuen sich die Eheleute „auf den dritten Lebensabschnitt“. Auf die Zeit, gemeinsam golfen zu gehen, Kultur zu erleben, Städte in Europa zu bereisen. . .
„Wir haben hier unsere eigene Musik gespielt“
„Jürgens Damenmoden“ sind in einer Zeit groß geworden, als die Innenstadt noch florierte. Bosch, der zuvor in leitender Funktion im Zentraleinkauf des Modehauses Boecker tätig war, hatte lange suchen müssen, bis er ein ideales Ladenlokal am Markt fand, der sich vor Mietinteressenten kaum retten konnte. „Die Innenstadt hatte keine Leerstände, war prosperierend“, zählt Bosch auf: Kaufhof, C&A, das große Modehaus M&B. . .
„Wir haben hier gute Geschäfte gemacht, viele Kollegen haben den Fehler gemacht und sich am Trading Down beteiligt“, resümiert Bosch die drei Jahrzehnte am Löhberg. Dem Frequenzrückgang sei man dadurch begegnet, „dass wir noch hochwertigere Produkte angeboten haben“. Seine Marken führe „Jürgens Damenmoden“ exklusiv in Mülheim. Statt von der Lauf- lebe man von einer Stammkundschaft. Und die komme von weit her. „Wir haben hier unsere eigene Musik gespielt, uns nicht runterreißen lassen“, sagt Bosch.
Ministerpräsident Rüttgers war auch mal zu Gast
Die eigene Musik machen, das passt doch ganz gut. Vielen Mülheimern werden die großen Modeschauen in Erinnerung sein, die Bosch einst vor jeweils 700 Zuschauern in der Stadthalle aufgezogen hat. Solche Events gab es bis zu diesem Jahr im kleineren Ambiente immer auch zweimal jährlich am Löhberg. Stilvoll, mit Catering und Champagner. „Sekt“, sagt Bosch und lacht: „Sekt gibt’s beim Frisör.“
Bosch: Heifeskamp hat der Innenstadt geschadet
Würden Sie sich heute noch mal selbstständig machen? „Ich würde mich sicher wieder gerne mit Mode beschäftigen“, sagt Jürgen Bosch. „Aber nicht in der Vertriebsform des klassischen Einzelhandels, weil ich für den als Start-up keine ideale Zukunft sehe.“
Was hat der Mülheimer Innenstadt am meisten geschadet? „Kontraproduktiv war die Entwicklung am Heifeskamp. Die Politik, die das zugelassen hat, muss sich nicht wundern, dass die Frequenz in der Innenstadt so ist, wie sie ist.“
Die hohe Politik hatte der Modeladen auch im Haus. NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers war mal da, auch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle. Wen Bosch vermisst hat, ist die örtliche Politik. Mehr Aktivitäten für den örtlichen Handel hätte er sich gewünscht, auch von den Oberbürgermeistern der vergangenen 30 Jahre. Die Themen damals wie heute: eine bessere Verkehrsführung, günstigeres Parken für eine Innenstadt, die unter der Konkurrenz der Einkaufscenter und Einkaufslagen der größeren Nachbarstädte leide.
Aber Bosch ist am Ende seiner Selbstständigkeit milde gestimmt: „Ich bin nicht pleite, ich habe keinen Anlass zu schimpfen oder gefrustet zu sein. Wir gehen erhobenen Hauptes.“