Mülheim. Verbraucherschützer gehen von gefälschter E-Mail-Adresse aus. Zwei Mahnungen bekam Mülheimer (86) zugesandt für Kleidung, die er nie bestellt hat.
Edgar H. hat noch nie etwas im Internet eingekauft, bekam aber unlängst kurz hintereinander zwei Mahnungen zugestellt: Mit über 460 Euro sollte er bei zwei gleich Bekleidungsanbietern in der Kreide stehen. Nach dem ersten Schreck wandte sich der Witwer hilfesuchend erst an seine Nachbarin und auf deren Rat dann an die Mülheimer Verbraucherzentrale. Dort hat man aktuell acht Fälle von mutmaßlichem „Identitätsdiebstahl“ auf dem Tisch, die Opfer sind zumeist Senioren. Edgar H. ist 86 Jahre alt.
Acht Betroffene haben sich bei der Verbraucherberatung gemeldet
Die Bekleidung, die der rüstige Mülheimer online bestellt haben sollte, sind wohl eher für eine jüngere Zielgruppe: Teure Marken-Sneaker und Hemden in XXL, viel zu groß für den normalgewichtigen Mülheimer. Christiane Lersch, Leiterin der Mülheimer Verbraucherberatungsstelle, vermutet „dass hier persönliche Daten missbräuchlich genutzt worden sind“ und sieht einen Zusammenhang zwischen den acht Betroffenen, die die Verbraucherberatung derzeit rechtlich unterstützt: Bis auf eine Ausnahme sind alle betroffenen Männer schon betagt, haben keine Erfahrung mit dem Internet, keine E-Mail-Adresse und stehen mit ihrer Adresse im Telefonbuch. „Wir haben hier“, sagt sie, „mit Herrn H. eine echte Person mit einer echten Adresse.“
Sie nimmt an, dass der (oder die) Täter eine kostenlose E-Mail-Adresse auf den Namen des Seniors angelegt hat, und darüber per Rechnung bestellt hat. Über die E-Mail-Adresse war dann vom Täter gut zu verfolgen, wann und wo die Sendung angeliefert wird. Der Täter musste sich dann nur noch rechtzeitig bereit halten, den Paketboten abfangen und sich die Sendung aushändigen lassen. Das wurde offenbar gleich zweimal gemacht: „Ein paar Tage später kam schon die zweite Mahnung", berichtet Edgar H..
Bei der Polizei ist das Betrugsdezernat für die Fälle zuständig
Edgar H. hat auf Anraten von Christiane Lersch Anzeige bei der Polizei erstattet. Dort ist das Betrugsdezernat zuständig, und solche Fälle wie aus Mülheim gibt es häufiger, bestätigt Polizeisprecher Christoph Wickhorst. „Diese Masche ist nicht neu“, sagt er. „Die meisten Leute merken das aber erst, wenn eine Mahnung kommt oder die Kreditkartenabrechnung.“ Die Täter seien trickreich beim Abfangen der Pakete. Manchmal würden auch falsch angegebene Adressen genutzt. „Es gibt Täter, die ein Klingelschild mit ihrem Namen überkleben, kurz bevor der Paketbote kommt“, sagt Wickhorst. Das genüge dann oft, um das Paket auszuhändigen. Jeder Fall sollte angezeigt werden, rät die Polizei. Es würden aber durchaus nicht nur ältere Mitbürger zum Opfer: „Es gibt diese Fälle in allen Altersstufen“, sagt der Polizeisprecher.
Eine ungewöhnliche Häufung
Für Verbraucherberaterin Christiane Lersch sind Fälle, bei denen Missbrauch mit den persönlichen Daten im Internet getrieben wird, nicht neu. Acht Fälle auf einmal seien aber für die Verbraucherberatung eine ungewöhnliche Häufung. Sie schätzt, dass es viel mehr Fälle in Mülheim gibt; etliche Verbraucher würden sich wohl selbst um einen Rechtsbeistand kümmern.
Die Verbraucherberatung in Mülheim an der Leineweberstraße 54, 0208 - 69 605 301, hat zu folgenden Zeiten geöffnet: Montag, 9 bis 10 und 15 bis 18 Uhr, Dienstag 9 bis 14 Uhr, Donnerstag 9 bis 14 und 15 bis 18 Uhr, Freitag 9 bis 14 Uhr. Mittwochs geschlossen.
Der Verbraucherberaterin Christiane Lersch ist aufgefallen, dass sich bei den angemahnten Beträgen der acht aktuellen Mülheimer Fälle stets um Summen um die 300 Euro handelt, einmal waren es 155, einmal 600 Euro. „Maximal werden drei Teile bestellt“, so Lersch, die den Schriftwechsel mit den Bezahldiensten der Online-Shops, die nicht nur von Herrn H. ausstehendes Geld anmahnen, führt und die Situation erklärt. „Es ist ganz wichtig, dass betroffene Verbraucher zu uns kommen, und nicht einfach bezahlen“, betont sie. Mutmaßlich täten das etliche, um dem Ärger zu entgehen.
Wenn sich ein Inkassobüro meldet, sind viele bereit, lieber zu zahlen
Auch Polizeisprecher Christoph Wickhorst geht von einer kleinen Dunkelziffer aus von jenen, die lieber bezahlen als anzeigen, wenn es sich nur um einen geringeren Betrag handelt. „Vor allem, wenn sich ein Inkassobüro meldet, sind viele Verbraucher eher bereit, zu zahlen“, weiß Christiane Lersch. Das sei aber der normale Vorgang: „Die Gegenseite weiß ja nicht, dass es sich um einen Betrug handelt.“ Auch wenn sich Verbraucher sicher sind, niemals etwas online bestellt zu haben, sollten sie eine Mahnung keinesfalls aussitzen, rät Christiane Lersch, sondern etwas unternehmen. „Das endet böse, denn dann könnte der Mahnbescheid kommen.“ In einem solchen Fall müsse man unbedingt innerhalb von 14 Tagen widersprechen, wenn man einem Vollstreckungsbescheid abwenden wolle.