Mülheim. Hasan Tuncer tritt aus zeitlichen Gründen kürzer. Doch das Bündnis der vier Mülheimer Ratsmitglieder startet neuen Anlauf zum Fraktionsstatus.

Seit Juni sind vier Ratsmitglieder aus unterschiedlichen Richtungen gemeinsam auf dem Weg: Unter dem Namen „Bündnis für Mülheim“ haben sie sich zu einer Fraktion zusammengeschlossen. Aber noch bevor diese offiziellen Status hat, ändert sich wieder Wesentliches: Hasan Tuncer gibt aus beruflichen Gründen den Fraktionsvorsitz ab, und künftig will man als „Bündnis für Bildung“ gemeinsam antreten.

Vier der fünf fraktionslosen Einzelkämpfer haben sich im Frühsommer zusammengetan: Hasan Tuncer (Bündnis für Bildung), Birgit Felderhoff und Andreas Marquardt (Die Linke) sowie Lutz Zimmermann (Mülheim 5 vor 12). Schon vorher hatte das Quartett sein Abstimmungsverhalten koordiniert, etwa bei den Haushaltsberatungen, beim Friedhofskonzept und beim Thema ÖPNV.

Mülheimer Politiker-Quartett arbeitet seit Juni offiziell zusammen

Dennoch hat die bunte Verbindung in der politischen Szene für Erstaunen und Skepsis gesorgt, vor allem deshalb, weil mit Zimmermann ein ehemaliges AfD-Mitglied dabei ist. Die jüngsten Veränderungen rühren aber nicht daher, dass jemand ausgestiegen wäre. Vielmehr hat sich Hasan Tuncer (29), der ursprünglich den Anstoß zur Fraktionsgründung gab, im Juli mit einem ambulanten Pflegedienst beruflich selbstständig gemacht. „Ganz einfach Zeitmangel“ nennt Tuncer nun als Begründung für seinen Rücktritt als Vorsitzender. Seine politische Arbeit als Bündnismitglied und Ratsherr will er aber fortsetzen.

Tuncer ist durch Gründung seines Pflegedienstes zeitlich stark belastet

Einstimmig zum Nachfolger als Fraktionschef gewählt wurde der 72-jährige Lutz Zimmermann. Auch an der Arbeitsteilung soll sich nichts ändern: Zimmermann hat den inhaltlichen Schwerpunkt Finanzen, Tuncer ist stark engagiert im Bildungsbereich, Birgit Felderhoff kümmert sich um das Soziale, Andreas Marquardt um den Nahverkehr.

Alle vier sitzen in verschiedenen Fachausschüssen, aber nur Marquardt und Felderhoff sind dort als Gremiumsmitglieder vertreten, beide noch für Die Linke. Zimmermann und Tuncer dagegen werden lediglich als beratende Mitglieder geführt. Offiziell seien sie immer noch nicht als Fraktion mit vollwertigem Status anerkannt, erklären die vier.

Voraussetzungen für den Fraktionsstatus

Die Geschäftsordnung des Mülheimer Rates (§ 35) definiert Fraktionen als „freiwillige Vereinigungen von mindestens drei Stadtverordneten, die sich auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung zu möglichst gleich gerichtetem Wirken zusammengeschlossen haben“.

Die Bildung einer Fraktion muss dem Oberbürgermeister unaufgefordert schriftlich angezeigt werden, ebenso ein Wechsel im Fraktionsvorsitz.

Wie Rechtsdezernent Dr. Frank Steinfort erläutert, gibt es „kein Genehmigungsverfahren für Fraktionen. Faktisch findet aber eine gewisse Anerkennung dadurch statt, dass Zahlungen an Fraktionen durch die Stadt veranlasst werden müssen.“

Stadtdirektor und Rechtsdezernent Dr. Frank Steinfort bestätigt das auf Anfrage und verweist auf einschlägige Gerichtsentscheidungen. Voraussetzung für eine Ratsfraktion sei danach „eine gewisse Dauer und äußere Erkennbarkeit der Zusammenarbeit“, etwa ein gemeinsames Statut über die politischen Ziele oder gemeinsame Anträge unter einem Namen.

Fraktionsgemeinschaft wird aufgelöst und gleich eine neue gegründet

Nun starten die vier Ratsmitglieder einen weiteren Anlauf: „Wir stellen alles auf Null und lösen die Fraktionsgemeinschaft Bündnis für Mülheim wieder auf“, erklärt Zimmermann. Dafür werde eine neue Fraktion gegründet, unter dem bereits vorhandenen Namen Bündnis für Bildung (BfB). Dieses ist vor Jahren aus dem Kampf um den Schulstandort an der Bruchstraße hervorgegangen und hat Hasan Tuncer seinen Sitz im Stadtrat eingebracht.

Aus dem Kampf für den Schulstandort Bruchstraße, zu dem im Frühjahr 2012 ein Bürgerbegehren durchgeführt wurde, erwuchs das Bündnis für Bildung (BfB).
Aus dem Kampf für den Schulstandort Bruchstraße, zu dem im Frühjahr 2012 ein Bürgerbegehren durchgeführt wurde, erwuchs das Bündnis für Bildung (BfB). © Andreas Köhring/ WAZ FotoPool

Den Sinn ihres jüngsten Schachzugs, den sie auch dem OB bereits mitgeteilt hätten, erläutert Zimmermann so: „Das BfB hat bereits einen Vertreter im Rat, muss also vor der nächsten Kommunalwahl keine Unterschriften von Unterstützern mehr sammeln.“ Und wenn die anderen drei unter demselben Namen einsteigen, gelte das für alle.

Ziel: Ohne Unterschriftensammlung bei der Kommunalwahl antreten

Juristisch hätten sie das Vorgehen prüfen lassen und hoffen nun, spätestens zur Ratssitzung am 5. Dezember offiziell als Fraktion auftreten zu können. Der Rechtsdezernent dagegen möchte sich auf eine zeitliche Perspektive nicht festlegen: Da die Fraktion nun neu als „Bündnis für Bildung“ antritt, müssten die genannten Kriterien erneut erfüllt sein - eben auch eine gewisse Dauer der Zusammenarbeit.