Mülheim. . Vier Ratsmitglieder haben sich zum neuen „Bündnis für Mülheim“ zusammengeschlossen. Damit haben sie deutlich mehr Mitsprache im Rat als vorher.

Der Mülheimer Rat hat seit Freitagnachmittag eine neue Fraktion. Das „Bündnis für Mülheim“ (BfM) wird mit vier Sitzen fünftgrößte Kraft im Stadtparlament. Das entsprechende Anmeldeschreiben erreichte kurz nach 16 Uhr das Büro von Oberbürgermeister Ulrich Scholten. Zur neuen BfM zusammengeschlossen haben sich vier der fünf Einzelkämpfer, „damit unsere Arbeit für die Bürger, die uns gewählt haben, mehr Gewicht bekommt. Vor allem haben wir als Fraktion jetzt auch Stimmrecht in den Ausschüssen“, erklärte Hasan Tuncer, der gewählte Fraktionsvorsitzende des BfM gegenüber diese Zeitung.

Die Ratsarbeit wird besser auf die Mitglieder verteilt

Zum am Donnerstag geschmiedeten „Bündnis für Mülheim“ gehören Birgit Felderhoff und Andreas Marquardt (Die Linke), Hasan Tuncer (Bündnis für Bildung) und Lutz Zimmermann (Mülheim 5vor12). „Wir haben damit jetzt mehr Stimmen als die FDP und die MBI“, sagte Tuncer.

Als neues Bündnis könne die Ratsarbeit besser auf die Mitglieder verteilt werden, „weil nicht mehr jeder alles machen muss, Wir können jetzt Arbeitsschwerpunkte bilden und Sachkundig Bürger in die Ausschüsse schicken“. Daher müssen dort die Sitze neu verteilt werden. FDP und MBI haben jeweils nur drei Ratssitze. Cevat Bicici vertritt allein Wir aus Mülheim.

Das Quartett ist seit einem Jahr zusammengewachsen

Die Zusammenarbeit der „Hinterbänkler“ funktioniere bereits seit dem letzten Jahr gut als sogenannte „Fraktion der Fraktionslosen“. „Aber es fehlt uns der Status, der uns jetzt mehr Einfluss ermöglicht“, erklärt Hasan Tuncer. Nach gemeinsamen Beratungen zum städtischen Haushalt hatte das Quartett erstmals sein Abstimmungsverhalten koordiniert.

Lutz Zimmermann vertrat die Gruppe im Arbeitskreis Haushalt bei Kämmerer Frank Mendack, wo nur Fraktionsvertreter vorgesehen waren. Auch beim Friedhofskonzept und den Nahverkehrssparplänen stimmten sich die vier auf eine gemeinsame Linie ab. „So sind wir über einen längeren Zeitraum zusammengewachsen. Die Gründung der neuen Fraktion war darum jetzt konsequent“, sagt ihr Vorsitzender Tuncer.

Die neue Sitzverteilung im Rat

Nach der Kommunalwahl 2014 hat der Rat 55 Sitze, die sich auf den Oberbürgermeister und 54 Stadtverordnete verteilen. Davon entfallen 19 Sitze auf die SPD-Fraktion, 12 CDU-Fraktion, 6 Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, 6 BAMH-Fraktion, 4 BfM-Fraktion, 3 FDP-Fraktion, 3 MBI-Frakti­on und 1 auf von Wir aus Mülheim.

Die Vertreter von Die Linke, Bündnis für Bildung und Mülheim 5vor12 sind in der neuen Fraktion aufgegangen, nicht mehr im Rat vertreten. Nach der Gemeindeordnung darf jeder vom Volk gewählte Ratsvertreter sein Mandat behalten. Er kann die Partei verlassen, fraktionslos sein oder in eine neue Fraktion eintreten.

Die unterschiedliche Behandlung Mülheimer Ratsmitglieder wollte das Quartett nicht länger hinnehmen. Jetzt haben sie nach der Gemeindeordnung Zugriffsmöglichkeiten auf alle Protokolle und Vorgänge, die den Rat betreffen. Auch im Ältestenrat wird die neue Fraktion nun vertreten sein und mitentscheiden können. Dort werden die Sitzungen des Rates vorbereitet. „Dort wurde auch die Zeit für die Etat-Reden festgelegt, ohne dass ich von meiner zeitlichen Beschränkung erfuhr. Mir wurde mitten in der Rede einfach das Wort entzogen“, regt sich Lutz Zimmermann heute noch auf.

Von wichtigen Informationen nicht mehr ausgeschlossen

Im Arbeitskreis Haushalt habe Kämmerer Frank Mendack namentlich gekennzeichnete, vertrauliche Listen an die Mitglieder ausgegeben, die nicht weitergeleitet werden durften. Darum erhielten nicht alle Ratsmitglieder Kenntnis von der desaströsen Haushaltssituation, was Andreas Marquardt wortreich im Stadtparlament kritisierte.

Mit dem neuen Fraktionsstatus wird das Quartett nun fast gleichberechtigt mit den anderen Fraktionen agieren können und entsprechende Anträge stellen.

Sichere geglaubte Mehrheiten können kippen

Auf Weisung des Oberbürgermeisters werden die Mitarbeiter des Amtes für Rats- und Bezirksangelegeheiten nun die Sitzverteilung in den Ratsausschüssen und zugehörigen Gremien neu regeln müssen. Die neue Fraktion wird dazu auch Sachkundige Bürger benennen, die sie dort vertreten können. „In den letzten Monaten haben wir immer besser unsere Zusammenarbeit abgestimmt. Diese neue Stärke wollen wir als Fraktion nun weiter für die Bürger nutzen“, sagt Hasan Tuncer.

Früher dienten die „Hinterbänkler“ auch einzeln als Mehrheitsbeschaffer für Ratsbeschlüsse. Das neue Fraktionsquartett kann dagegen eher sicher geglaubte Mehrheiten kippen, sollten als Reaktion auf die neue Fraktionsgründung im Rat nicht auch neue Koalitionen entstehen.

Was das Bündnis für Mülheim in den kommenden Monaten erreichen will, welche Ziele sie hat, will das Quartett in den nächsten Tagen mitteilen. Fest steht bereits. „Zur Kommunalwahl im Herbst 2020 werden wir als Bündnis antreten, um für Mülheim mehr zu erreichen.“