Mülheim. Bei der Abschiebung einer libanesischen Familie eskaliert die Situation am Donnerstagmorgen in Mülheim. Ein SEK griff am Frohnhauser Weg ein.
Die geplante Abschiebung einer libanesischen Familie durch die Ausländerbehörde sorgte in den frühen Morgenstunden am Donnerstag in Heißen für einen größeren Polizeieinsatz. Die Mutter und ein Sohn der Familie wehrten sich massiv gegen die Maßnahme, die gegen 5.45 Uhr begann, und bedrohten Mitarbeiter der Ausländerbehörde und sich selbst. Die Stadt muss pro Jahr im Schnitt 70 bis 80 Personen abschieben. Dass eine Abschiebung so dramatisch endet wie die am Donnerstagmorgen, als erst ein SEK-Einsatz die Situation klären konnte, gilt als absolute Ausnahme in Mülheim.
Geplant war eine Überstellung nach Spanien nach dem Dublin-Abkommen
Die geplante Abschiebung der vierköpfigen Familie – eine Mutter (39) und ihre drei Söhne, 10, 16 und 19 Jahre alt – sollte um 6 Uhr stattfinden. In einem solchen Fall sind die entsprechenden Flüge schon gebucht. Vier Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde Essen und eine Mitarbeiterin aus dem Mülheimer Ausländeramt suchten die vier Libanesen in der städtischen Unterkunft am Frohnhauser Weg auf. Die Situation eskalierte, nachdem sich die Mutter und der 16-Jährige Sohn in ein Zimmer in der Wohnung im Obergeschoss zurückzogen hatten.
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Die Mutter hatte nach Polizeiangaben ein Messer, hielt es sich an den Hals und drohte, sich selbst etwas anzutun. Der 16-Jährige drohte offenbar zudem, aus dem Fenster zu springen. Das Haus wurde von der Polizei geräumt und einige Straßen rund um den Frohnhauser Weg waren komplett gesperrt. Mehrere Streifenwagen und Einsatzkräfte der Feuerwehr waren vorsichtshalber mit einem Sprungtuch vor Ort. Die Stadtverwaltung hatte die Polizei unverzüglich zur Unterstützung gerufen, aber erst ein SEK-Einsatz beendete die Situation nach drei Stunden und überwältigte Mutter und Sohn gegen 9 Uhr. Dabei soll auch ein Taser zum Einsatz gekommen sein.
Die Polizei ermittelt gegen die 39-Jährige und den 16-Jährigen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Der Junge ist bereits einmal aufgefallen, er soll dabei gewesen sein, als eine Gruppe Jugendlicher im Juli ein Mädchen in Broich sexuell belästigt haben soll.
Familie wurde schon einmal abgeschoben
Formal handelte es sich nicht um eine Abschiebung, wie Stadtsprecher Volker Wiebels erklärt, sondern um eine geplante Überstellung der Familie nach Spanien nach dem Dublin-Abkommen.
In 2018 wurden 81 Personen abgeschoben
Eine Abschiebung ist immer das letzte Mittel, wenn abgelehnte Asylbewerber nicht freiwillig ausreisen. Das wird Betroffenen auch klar gemacht, denn in Mülheim gibt es eine eigene Rückkehrberatung. Drei Termine werden in der Regel von den betroffenen Personen wahrgenommen.
Im vergangenen Jahr wurden 81 Personen abgeschoben, das Ausländeramt spricht von Rückführungen. 34 davon waren so genannte Dublinüberstellungen, wie in dem aktuellen Fall. 47 Personen wurden in ihre Heimatländer geflogen. 2017 hatte Mülheim 72 Abschiebefälle, darunter 24 Dublinüberstellungen in ein anderes EU-Land.
Der Polizei-Einsatz bei der am Donnerstag geplanten Abschiebung wird in der Stadtverwaltung als „absolute Ausnahme“ und „neue Dimension“ bezeichnet. Verletzte habe es bisher nicht bei Abschiebungen gegeben.
Das so genannte Dubliner Übereinkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag, nach dem Ausländer in dem Land der EU, in das sie erstmals einreisen, auch ihren Asylantrag stellen müssen. Das war nach Auskunft Wiebels Spanien. Der Stadt Mülheim ist die Familie bereits bekannt. „Wir haben sie schon einmal im Dezember 2018 zurückgeführt, nachdem der Asylantrag hier abgelehnt worden war“, so Wiebels. Im März 2019 sei die Familie dann wieder nach Mülheim eingereist, habe erneut einen Asylantrag gestellt, der dann wieder abgelehnt worden sei.
Aktuell befindet sich die Familie noch in Mülheim und wird derzeit von den Behörden betreut, teilte der Stadtsprecher mit. Mutter und Sohn haben nach dem Einsatz leichte Schnittverletzungen gehabt, die im Krankenhaus behandelt wurden. Eine Einweisung der Mutter in eine psychiatrische Einrichtung werde geprüft, so die Stadt, weil sie möglicherweise suizidgefährdet ist. Es würden derzeit weitere Maßnahmen getroffen, um die ganze Familie, so bald es gehe, nach Spanien zurückzuführen, sagte die Stadt auf Nachfrage. Der Vater der Familie befinde sich im Libanon.