Mülheim. Seit 40 Jahren organisiert Wolfgang Hausmann Kulturevents. Als Rezitator verleiht er Autoren von Marx bis Heine seine Stimme. Was ihn antreibt.

An die durchaus spektakuläre Performance 1999 in der Stadthalle erinnert sich Wolfgang Hausmann noch gut: Der bekannte Rezitator Lutz Görner las Goethes Weimarer Gedichte, Pantcho Vladiguerov spielte den Flügel „und der Berliner Mauermaler Christophe Emmanuel Bouchet erstellte in zweieinhalb Stunden ein Triptychon“.

Hausmann: „Ich will Brücken bauen.“

Das Zusammenspiel der Künste organisierte damals Hausmann, und es blieb beispielhaft für die Art, wie der Mülheimer seit nunmehr vier Jahrzehnten zur hiesigen Kultur beigetragen hat. „Ich will Brücken bauen“, sagt Hausmann selbst über seine Motivation. Zwischen den Künsten der Musik und Sprache, aber auch zwischen Menschen, ihren Ideen – und manchmal auch ihren politischen Systemen.

Einen Abend etwa widmete er dem Chilenischen Poeten Pablo Neruda, der sich gegen den Faschismus einsetzte. Und kombinierte seine Poesie mit live gespielten Liedern des Chilenen Pedro Pablo und seiner Grupo Piray zu einem solidarischen Abend mit Nicaragua und Chile. „Die Ex-Chilenen sind für mich die ersten politischen Flüchtlinge außerhalb der EU“, kommentierte Hausmann vor zwei Jahren.

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Es war nicht der erste Abend dieser Art. Bereits Ende der 80er Jahre organisierte der Kulturmacher und Kuba-Freund – damals noch bei Krupp in der Industrieversicherungsbranche – in Heimaterde mit dem „Freundeskreis Heimaterde“ etliche solcher Begegnungen zwischen Kulturen.

Mit Ringelnatz und Tango ließ Hausmann den Saal aus den Nähten platzen

So lernte er Lutz Görner kennen, der mit Unterstützung der Leonard-Stinnes-Stiftung 21 Veranstaltungen plante. Durch Görner verknüpfte Hausmann Ringelnatz mit dem Tango – und ließ damit die Pausenhalle des Heißener Gymnasiums drei Abende lang aus den Nähten platzen.

Der Rezitator Görner gab dem Versicherungskaufmann aber auch die Initialzündung, selbst auf die Bühne zu gehen und Literatur vorzutragen – „er hat mich inspiriert. Ich sehe mich als Vorleser“, sagt der heute 67-Jährige. Der einstige Leiter des Mülheimer Kulturamts, Hans-Georg Küppers, hingegen trug zur Inspiration noch die finanzielle und technische Unterstützung bei.

Mit Marx von Mülheim bis nach Frankfurt in den Club Voltaire

Etlichen Schriftstellern – und auch Schriftstellerinnen – verlieh Hausmann deshalb seine Stimme: der jüdischen Dichterin Mascha Kaléko, Annette von Droste-Hülshoff aber auch Hanns Dieter Hüsch, Heine, Fontane. Und bald gingen die Abende über den Horizont Mülheims hinaus zu den Akzenten in Duisburg, nach Oberhausen ins K14 und Gdanska.

Hausmann liest Else Lasker-Schüler in der Fünte

Die Fünte ist für Wolfgang Hausmann ein „besonderer Aufführungsort, den es so nicht oft gibt“. Seine Freitagslesung steht diesmal im Zeichen des 150. Geburtstags der Schriftstellerin Else Lasker-Schüler. „Sie hat Berlin mit ihren Gedichten aufgemischt, wie kaum eine andere Frau.“

Los geht es in der Fünte, Gracht 209, um 19.30 Uhr. Karten: 9 Euro inklusive Pausensnack. Die Lesung begleitet die Veeh-Harfinistin Christa Böhner. Infos: wolfgang-hausmann.ruhr und fuente-kulturzentrum.de

Mit einem Abend zu Karl Marx kam er mit dem Gitarristen Hartmut Kremer bis nach Frankfurt in den berühmten Club Voltaire. Marx zeichnete er allerdings als Romantiker, nicht in erster Linie Kapitalismuskritiker. Obwohl dem Kuba-Liebhaber die Gedanken nicht fern liegen. Als Versicherungskaufmann hat Hausmann früh Kontakte in die DDR und neuen Bundesländer geknüpft, verfolgte dort auch mit kritischem Blick, wie der Kapitalismus aus Planwirtschaftsbetrieben „Wettbewerber“ machte – und Freunde spaltete.

Hausmann: „Mich begeistern Autoren, die im Geiste ihrer Zeit schrieben“

„Als so genannter Linker und Geschäftsführer musste ich immer auch unternehmerisch denken. Ich glaube aber, ich konnte beides vereinen“, überlegt der 67-Jährige, dem das Ideologische fern liegt: „Ich habe mich seit 1992 aus dem Parteiensystem verabschiedet. Ich möchte Schwarz auch Schwarz nennen können – und nicht Grau...“

Was bestimmt für den Rezitator dann die Auswahl der Schriftsteller? „Dass sie im Geiste ihrer Zeit geschrieben haben. Sie konnten mit wenigen Sätzen Dinge auf den Punkt bringen. Mich begeistert das – und das soll auch andere begeistern.“