Mülheim. Parteitag wählt Rodion Bakum, Nadia Khalat und Christian Völmecke zu Mülheims neuem SPD-Vorstand. Ja zu Flughafen und örtlicher Energieversorgung
Rodion Bakum ist neuer Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Mülheim. 103 von 131 Delegierten gaben ihm ihre Stimme. Mit 79 Prozent erreichte Bakum kein Traumergebnis. Das wollte er auch nicht: „Ein ehrliches Ergebnis, das die Chance für Zuversicht und Vertrauen bietet, aber auch gleichzeitig die notwendige Demut einfordert, ist mehr wert als erzwungene 100 Prozent mit kurzer Halbwertzeit.“ Wichtig sei in Zukunft die Geschlossenheit der Sozialdemokraten. Noch wichtiger sei die „Aufgeschlossenheit für unsere Demokratie vor Ort“, sagte Bakum in seiner Bewerbungsrede. Zu seinen Stellvertretern wurden Nadia Khalaf und Christian Völmecke gewählt.
Aufbruchstimmung deutlich zu spüren
Mit Bakum (29), Khalat (50) und Völmecke (29) hat sich der SPD-Vorstand deutlich verjüngt. Alle drei haben ihre Parteiarbeit bei den Jusos (Jungsozialisten) begonnen und an der Basis gelernt. Dort haben sie breite Unterstützung gefunden. Ebenso gaben Alterfahrene ihnen ihre Stimmen, „weil wir frischen Wind und Anschub aus dem Tal brauchen“, formulierte einer am Rand des Parteitags. Bakum hatte zuvor nach mehreren Vorstellungsrunden mit Sina Breitenbruch-Tiedke die SPD-Mitgliederbefragung für sich entschieden.
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Deutlich zu spüren war die Aufbruchstimmung in den Reihen der Genossinnen und Genossen. Sie wollen in Mülheim, trotz leerer Stadtkasse, etwas bewegen und sich dafür einsetzen, dass die Kluft zwischen Armen und Reichen nicht weiter aufreißt.
Einsatz aller Parteimitglieder gefordert
Mit welchen Themen die SPD in den Kommunalwahlkampf geht, wird der Vorstand demnächst festlegen. „Dazu haben wir noch etwas Zeit“, sagte Rodion Bakum dieser Zeitung nach seiner Wahl. Der Vorstand treffe die strategischen Entscheidungen der Partei. Bakum will Vorstand und SPD-Ratsfraktion wieder enger verzahnen.
In seiner sechs Seiten starken Rede machte Rodion Bakum deutlich, dass er von allen Parteimitgliedern Einsatz fordern wird, damit die SPD „wieder zu ihrer Stärke zurückfindet und gestaltende Kraft in unserer Stadt bleibt“. Die Partei müsse Antworten darauf finden, wie „wir in Zukunft in unserer Stadt leben wollen“.
Ideologische Gründe dürfen Entwicklung nicht bremsen
Für den Bürgerentscheid am kommenden Sonntag hat sich Rodion Bakum positioniert: Die Heinrich-Thöne-Volkshochschule gehöre zu Mülheim wie die Weiße Flotte. Das habe beim Bauschluss in den 1970er Jahren anders ausgesehen: 30 Stimmen der SPD dafür, 20 von CDU und FDP dagegen. Die VHS bleibe erhalten. „Aber ich bekenne mich klar zur Zukunft eines Heinrich-Thöne-Bürgerzentrums“, sagt Bakum. Neben der Müga „soll ein Raum für gesellschaftliches Engagement und sozialen Fortschritt entstehen“.
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Bei der Suche nach Gewerbeflächen sieht Bakum das Flughafenareal. Den Vorstoß zur Neuausrichtung der WDL begrüßt und unterstützt er. „Wir nutzen nicht ansatzweise die Möglichkeiten, die wir unmittelbar entwickeln könnten – und das aus ideologischen Gründen“, betonte Bakum. Die SPD habe nie einen Ausstiegsbeschluss gefasst, erläuterte er dieser Zeitung. „Ich verspreche euch, wir werden die Zukunftsskeptiker und Wirtschaftsfeinde antreiben, bis sie ihren politischen Tiefflug beenden.“
Technische Neuerungen aktiv politisch beeinflussen
Teilen Eon und RWE das Unternehmen Innogy unter sich auf, bestehe die Chance, mehr Medl-Anteile in städtische Hand zu übernehmen. Mülheim soll die Stromkonzession nutzen, Energie durch Photovoltaik, Wärme und Erdgas produzieren. „Damit leisten wir einen gewaltigen Beitrag zum Klimaschutz“, erklärte Bakum.
SWB und MWB seien seien auf einem guten Weg, mehr Wohnungen zu bezahlbaren Mieten zu bauen. Gleichzeitig müssen sich die SPD gegen Kinderarmut und für mehr Bildung stark machen. Sozialer Fortschritt bedeute technische Neuerungen wie Automatisierung und Digitalisierung als Chance zu nutzen und aktiv politisch zu beeinflussen. „Für Sozialdemokratinnen und -demokraten muss immer gelten: Menschen vor Maschine.“
Hannelore Kraft: Scholten ist „politisch verantwortlich“
Obwohl viele SPD-Mitglieder den Parteitag als Neustart bewerteten, sind die Flügelkämpfe noch nicht beendet. Der scheidende Unterbezirksvorsitzende Ulrich Scholten nutzte dort seine Chance, in seiner Abschiedsrede seine Sicht auf die vergangenen Monate zu erklären. Oft sei über ihn, „aber seltenst mit mir gesprochen“ worden.
Verhaltensfehler, Arglosigkeit und Fehleinschätzungen
Die Aussagen einiger der etwa 40 Befragten seien für ihn aufschlussreich gewesen, weil sie „den teilweise zweifelhaften Umgang mit Fakten und den Hang zu Spekulationen und Legendenbildung“ erkennen ließen.
Ulrich Scholten sagte, er habe Fehler gemacht, „die ich letztlich zu verantworten habe. Keine rechtlichen zwar, aber Verhaltensfehler, Arglosigkeit und Fehleinschätzungen des ein oder anderen Sachverhaltes und bestimmter Personen. Das hätte ich besser machen können. Dafür entschuldige ich mich hier vor euch nochmals.“
Was er „auf keinen Fall zu vertreten habe, ist der Auslöser, der politische und persönliche Umgang und die sich daraus ergebende und von einzelnen Personen und interessierten Kreisen befeuerte öffentliche Schlammschlacht, die unserer SPD sehr geschadet hat“.
Scholten bietet dem neuen Unterbezirksvorstand seine Unterstützung an
Scholten dankte „den fairen, loyalen und besonnenen Genossen der letzten Monate. Ihnen und einigen engen Freunden verdanke ich, dass ich nach all’ dem immer noch stehe und bleibe.“ Er bot gleichzeitig dem neuen Unterbezirksvorstand seine Unterstützung an. Der Mut zu Veränderung und Transparenz sei wichtig wie der „Wille zum breiten Konsens und der Abkehr von einsamen Entscheidungen hinter verschlossenen Türen“.
Dem widersprach die Landtagsabgeordnete Hannelore Kraft. „Es ist ein Skandal. Die Partei ist ein Scherbenhaufen. Politisch ist das alles nicht korrekt gewesen. Juristisch ist das eine andere Sache.“ Scholten hätte zurücktreten müssen. In eine andere Richtung fragte Horst Schiffmann: „Warum haben Fraktionsgeschäftsführer und -vorsitzender die Fraktion nicht zusammengehalten? Er hätte die Wellen glätten müssen. Die politische Arbeit war nicht da. Da fehlte einfach manches.“ Auch darüber müsse gesprochen werden.
Gliem: In Zeiten ohne Geld schwierig, eine gute Politik für Bürger zu machen
„Das war kein sozialdemokratisches Verhalten“, warf auch Johannes Gliem dem Oberbürgermeister vor. Es sei aber auch Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen. In Zeiten ohne Geld sei es schwierig eine gute Politik für Bürger zu machen. Aber ohne die SPD hätte es keinen Haushalt in Mülheim gegeben. Wir tragen auch weiterhin Verantwortung.“ Gleim sagte dem neuen Unterbezirksvorstand: „Man braucht auch Leute, die alt sind und Erfahrung haben.“