Mülheim. Der evangelischen Lukaskirchengemeinde in Mülheim droht ein Haushaltsdefizit in sechsstelliger Höhe. Jetzt sind Ideen gefragt, die Geld bringen.
Klingelbeutel oder Kuchenverkauf sind traditionelle Wege, auf denen Gemeinden zusätzliches Geld in die Kasse bekommen. In der evangelischen Lukaskirchengemeinde hat sich jetzt eine „AG Fundraising“ gegründet, um neue Einnahmequellen zu erschließen. Die erste Aktion soll sicherstellen, dass auf den Altaren auch künftig die Kerzen nicht ausgehen und Blumen nicht fehlen.
Zu diesem Zweck haben Pfarrer Michael Manz und einige Mitstreiter Bauchläden gebaut, mit denen sie ab 1. September durch die drei Gotteshäuser ziehen wollen, die zur Gemeinde gehören: Immanuel-, Matthäus- und Johanniskirche. Die Kisten sind bestückt mit weißen Kerzen, Blüten und Spendendosen. Wer mindestens drei Euro gibt, darf sich ein Wachslicht oder eine Blüte herausnehmen.
Altarschmuck und Kerzen für drei Kirchen kosten 3000 Euro pro Jahr
Auch Flyer liegen dort griffbereit, auf denen groß steht: „Wir müssen leider Gottes überall den Rotstift ansetzen ...“ Darunter sieht man wahlweise ein verlöschendes Licht oder einen Strauß verdorrter Sonnenblumen, ergänzt um den Hinweis, dass die Lukaskirchengemeinde jährlich für Altarschmuck und Kerzen jeweils rund 1500 Euro aufwenden müsse, also 3000 Euro insgesamt. Auch zwei Spendenkonten sind angeben, für den Fall, dass jemand tiefer in die Tasche greifen möchte.
Fundraising: Mehr als Spendensammeln
Der Begriff „Fundraising“, der sich mehr und mehr verbreitet, meint die Beschaffung von Mitteln für eine gemeinnützige Organisation. Dabei geht es aber nicht nur um das Einwerben von Geldspenden, sondern ebenso um Sach- oder Dienstleistungen, zum Beispiel ehrenamtliche Arbeit.
Auch in anderen Ruhrgebietsstädten, beispielsweise in Hattingen, haben Kirchengemeinden schon Fundraising-Teams gegründet, um Spenden oder tatkräftige Unterstützung für Projekte zu gewinnen, die anders nicht machbar wären.
Manche werden sich nun fragen: Gehen in Mülheimer Gotteshäusern bald die Lichter aus? Droht der Lukaskirchengemeinde die Pleite? Pfarrer Michael Manz, der öffentlichkeitswirksame Aktionen mag, betont: „Wir wollen keinen Alarmismus betreiben, sondern positiv an das Ganze herangehen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir durch solche Kampagnen die Leute wachrütteln können.“
Sechsstelliges Minus droht der Lukaskirchengemeinde
Die jüngste Initiative hat einen ernsten Hintergrund. Die Lukaskirchengemeinde rechnet nach einem Bericht des Presbyteriums für das Haushaltsjahr 2019 mit einem leicht ansteigenden Kirchensteueraufkommen, dank der generell guten Konjunktur.
Dies reiche aber nicht aus, um die erheblichen Personalkostensteigerungen auszugleichen. Darum erwarte man ein planerisches Minus von 105.000 Euro. Erfahrungsgemäß werde die Lücke am Jahresende zwar kleiner ausfallen und durch Rücklagen gedeckt werden können. Dennoch sei das Presbyterium gefordert, Konsolidierungsmaßnahmen zu erarbeiten.
Vorschläge für eine ausgeglichenen Haushalt sind gefordert
Für Finanzfragen zeichnet in der Lukaskirchengemeinde Pfarrerin Gundula Zühlke verantwortlich, sie hat das Thema in einem Beitrag für den aktuellen Gemeindebrief vertieft. Im September, so heißt es dort, müsse das Presbyterium dem Kreissynodalvorstand einen Plan vorlegen, wie ein ausgeglichener Haushalt
erreicht werden kann. „Nur unter dieser Bedingung hat das Gremium den Haushalt genehmigt.“
Der Bau- und Finanzausschuss der Gemeinde sei intensiv damit beschäftigt, Vorschläge zu entwickeln. „Den großen Wurf gibt es nicht“, räumt die Pfarrerin ein, aber alles müsse geprüft werden, auch die Aufgabe von Immobilien.
Gemeindebrief wird nur noch drei Mal jährlich gedruckt
Spruchreif ist zumindest schon dieser Einschnitt: Der Gemeindebrief „Wir in Lukas“ erscheint künftig nur noch drei Mal statt vier Mal pro Jahr. Das spart Druckkosten für 9000 Exemplare, die in den Haushalten verteilt werden.
Für alle Gemeinden in Mülheim gilt: Mit Abstand wichtigste Einnahmequelle ist die Kirchensteuer. Im evangelischen Kirchenkreis an der Ruhr ist es so geregelt, dass jede Gemeinde pro Kopf, also pro Mitglied, eine bestimmte Summe bekommt, erläutert Sprecherin Annika Lante. Es gibt, wie in vielen Kirchenkreisen, ein Verteilverfahren, das Einkommensunterschiede zwischen einzelnen Stadtteilen ausgleichen soll. Auf der anderen Seite müssen die Gemeinden auch Umlagen an den Kirchenkreis entrichten, etwa für gemeinsame Aufgaben wie Krankenhaus- oder Notfallseelsorge, Beratung, Familienbildung oder Verwaltung. Außerdem gibt es eine Umlage an die Landeskirche.
Sorgen trotz steigender Kirchensteuereinnahmen
Superintendent Hillebrand erklärt dazu: „Die Gemeinden entscheiden innerhalb ihrer Finanzhoheit selbstständig über die Finanzierung ihrer Arbeit. Wenn die Ausgaben dauerhaft die Einnahmen übersteigen, muss der Kreissynodalvorstand als Aufsichtsorgan einen Konsolidierungsplan einfordern. Das ist im Falle der Lukaskirchengemeinde geschehen.“
Kirchenkreis-Sprecherin Annika Lante ergänzt: „In absoluten Zahlen haben wir derzeit leicht steigende Kirchensteuereinnahmen in Mülheim. Dies deckt aber nicht den Bedarf, da zugleich steigende Kosten abgedeckt werden müssen, insbesondere für Personal.“ Außerdem sinken die Mitgliederzahlen stetig. Mit diesem Thema sei man kontinuierlich auf Kirchenkreis- und auf Landesebene beschäftigt, es sei aber nicht plötzlich eine neue Lage eingetreten, die Sofortmaßnahmen erfordert.
Busse sollen künftig mit Reklame fahren
In der Lukaskirchengemeinde soll ausdrücklich nicht nur geknapst werden, sondern die AG Fundraising will neue Finanzquellen aufspüren. Momentan besteht diese Arbeitsgemeinschaft aus vier Leuten: neben Manz sind dies Pfarrerin Dagmar Tietsch-Lipski, ein Presbyter und ein weiteres engagiertes Gemeindeglied. Den nächsten Pfeil haben sie schon im Köcher: „Wir wollen unsere beiden Gemeindebusse mit Werbung versehen“, kündigt Manz an. Geneigte Firmen, die dafür in Frage kommen, hätten sie bereits im Auge.